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Personenschutz geht vor

Sicherheit auch zum Nachrüsten

Die Deutsche Kommission für Elektrotechnik und Elektronik im DIN und VDE (DKE) hat die lange erwartete Regel für Systeme zur Sicherheitsabschaltung von Solargeneratoren veröffentlicht. Die „Anwendungsrichtlinie zu Anforderungen der Freischaltung im Gleichspannungsbereich einer Photovoltaikanlage“ (Entwurf: VDE-AR-E 2100-712) gibt die Grundzüge künftiger Freischaltsysteme vor und definiert Grenzwerte für die zulässige DC-Spannung. Ihr Ziel ist es, die Löschkräfte im Fall eines Brandes zu schützen.

„Der Personenschutz hat in jedem Fall Vorrang, wenn Spannungen bis 1000 V anliegen“, sagt Berkay Bayer, Geschäftsführer der Firma Solteq aus Oberlangen im Emsland. Solteq hatte vor Jahresfrist das Abschaltsystem BFA vorgestellt, das bislang als einziges System auf dem Markt ein Zertifikat der Technischen Prüfstelle für Solartechnik (TPS) vorweisen kann. „Auch wenn es Kritiker in der Branche gibt, die meinen, das Risiko wird überdramatisiert: Fakt ist, dass bei Photovoltaikanlagen ein Risiko vorliegt“, sagt Bayer. „Das muss man eliminieren, ohne Wenn und Aber.“ Solteq war an der Ausarbeitung der neuen Anwenderrichtlinie der DKE beteiligt. Denn das Unternehmen ist seit mehr als 30 Jahren mit Abschaltsystemen für die Industrie befasst.

Hinweise für Feuerwehrleute zu sicheren Löscharbeiten

Nun herrscht endlich Klarheit, wie ein Solargenerator für den Brandfall abzusichern ist. Weil es bisher keine Richtlinien gab, bestanden für Investoren erhebliche Risiken, vor allem bei Solargeneratoren auf gewerblich genutzten Immobilien. Denn der Versicherungsschutz orientiert sich an den Standards von VDI und VDE, wie es im Kleingedruckten der meisten Solarversicherungen oder Feuerversicherungen von Gebäuden steht. Einige Feuerwehren propagierten und praktizierten „kontrolliertes Abbrennen“, ein Ausschlusskriterium für Photovoltaik. Deshalb hatte die DKE im Frühjahr 2011 erste Hinweise auf einer speziellen Einsatzkarte für die Feuerwehren veröffentlicht. So sollten die Löschkräfte einen Mindestabstand von 1m zu spannungsführenden Teilen und metallischen Konstruktionen einhalten.

Bei Löscharbeiten im Niederspannungsnetz empfiehlt die DKE einen Mindestabstand von 1 m (bei einem Sprühstrahl) beziehungsweise 5 m (bei einem Vollstrahl). Diese Vorgaben entstammen der DIN VDE 0132 „Brandbekämpfung im Bereich elektrischer Anlagen“. „Brennende PV-Anlagen beziehungsweise Brände in der Umgebung von Photovoltaikanlagen können von Feuerwehrleuten bedenkenlos gelöscht werden, wenn die Sicherheitsabstände zu unter Spannung stehenden Teilen nach DIN VDE 0132 eingehalten werden“, ließ die DKE verlauten. Auch machte die Kommission die Brandbekämpfung seinerzeit nicht davon abhängig, ob die Feuerwehr den DC-Lasttrennschalter einer Solaranlage zieht oder nicht. Die Sicherheitsabstände, so die Gutachter, reichen aus, um die Einsatzkräfte zu schützen. Nun ist auch bei den Freischaltsystemen ein wichtiger Schritt getan. Denn bisher waren sie überhaupt nicht standardisiert.

Robuste Mechanik ist zu bevorzugen

Nach Auffassung von Berkay Bayer muss eine Sicherheitsabschaltung möglichst einfach sein. „Mit möglichst wenig Elektronik, von Funktechnik, WLAN oder ähnlichen High-Tech-Produkten ist abzusehen“, wie er sagt. „Denn niemand weiß, ob sie in 10 oder 20 Jahren noch funktionieren. Je mehr Elektronik drin steckt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein System ausfällt. Das kennen wir aus unserer langjährigen Erfahrung aus der Industrie, der Automotive- und Medizintechnik.“ In der Industrie sind Sicherheitssysteme beispielsweise in der VDE V 0126-5 (selbsttätige Schaltstelle zwischen einer netzparallelen Eigenerzeugungsanlage und dem öffentlichen Niederspannungsnetz) geregelt. Dort gelten auch EN 60950 (Sicherheitseinrichtungen für die Informationstechnik) und EN 61010 (Schutz gegen gefährliche Körperströme). Ebenso gilt die IEC 60364-7-712 (Errichtung von Niederspannungsanlagen). „In diesen Normen ist ausschließlich ein mechanischer Kontakt als Sicherheitselement zugelassen, niemals eine Halbleiterlösung“, analysiert Bayer. „Denn ein Halbleiter kann im Laufe der Jahre durch einen Defekt im Notfall nicht schalten, unbemerkt in einen undefinierten Zustand oder gar durch einen teilweise leitenden Zustand jahrelang unbemerkt Ertragsverluste verursachen. Wir kennen keinen Halbleiterhersteller der Welt, der mehrere Jahre Garantie auf einen Transistor, Triac oder sonstigen Halbleiter gibt.“

Nach Auffassung der DKE muss ein Abschaltsystem unabhängig vom Solarsystem arbeiten und auch von einem Brandmelder oder einem einfachen Rauchmelder aktivierbar sein. Der Generator muss vollständig abgeschaltet werden, nicht nur Teile oder einzelne Abschnitte in der Verkabelung.

Ein mechanisch robuster Kontakt kennt nur zwei Zustände: Ein und Aus. Solteq hat dafür die BFA-Box entwickelt, die sehr hohe Ströme und Spannungen schalten kann. Bei einer Nachrüstung in bestehende Solargeneratoren kann man zwei kristalline oder bis zu fünf Dünnschichtmodule über eine Box absichern. „Die Kosten pro Watt betragen nur wenige Euro­cent“, meint Bayer. „Neuerdings kann der Feuerwehrmann unser System auch per SMS vom iPhone aus der Ferne abschalten.“

Der beste Ort für Brandschalter ist die Anschlussdose

Neben der Nachrüstversion bietet Solteq ­eine modulintegrierte Version an. Denn da gehört der Brandschalter hin: ans Modul, vorgefertigt im Werk des Herstellers. Der BFA-Schalter wird in Anschlussdosen von Spelsberg oder Tyco eingebaut. „Unser Ziel ist es, dass die Modulhersteller künftig nur noch Solarmodule mit integrierter Sicherheitsabschaltung anbieten, am besten kostenneutral für den Endkunden“, gibt Bayer einen Ausblick. „Dies wäre für die Modulhersteller eine wichtige Zusatzfunktion, um sich von Wettbewerbern abzuheben. Abgesehen davon wird eine Freischalteinrichtung sehr kurzfristig zur Pflicht werden.“

Seit fast zwei Jahren ist der Brandschutz ein heißes Eisen in der Solarbranche. Durch den massiven Ausbau der Solarleistung in Deutschland steigt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Gebäudebrand eine Solaranlage auf dem Dach liegt – auch wenn sie den Brand nicht verursachte. Nachdem einige Löschkräfte erhebliche Stromschläge aus den Generatoren erlitten, machten die Feuerwehren Druck. Nun treten zunehmend Anbieter von Sicherheitsschaltern oder automatisierten Trennsystemen im Markt auf. Die meisten Trennschalter werden entweder im Generatoranschlusskasten installiert, wo die Strings zusammenlaufen. Oder man klemmt sie in unmittelbarer Nähe unters Dach in jeden einzelnen String. Der hohe Installationsaufwand treibt die Kosten. Eaton, Santon, ABB, Weyel, VWL oder Newtos bieten solche Trennschalter an, die manuell, mechanisch oder elektromechanisch auslösen. Ihr Problem: Die Kabel sind erst ab dem Schalter frei von Spannung.

Ein weiteres Problem: Zusätzlich zu den Modulen können auch herabhängende, blanke Kabel Stromschläge verursachen. Sobald die Feuerwehrleute auf dem Dach stehen, müssen sie bei den einfachen Unterbrechern erneut mit hohen Spannungen rechnen. Der TÜV Rheinland sieht solche „Feuerwehrschalter“ als mittelfristige Lösung. „Wir müssen noch klären, wo ein Schalter eingesetzt werden kann und welche Anforderungen er erfüllen muss“, sagt Florian Reil, der sich im Solarteam beim TÜV in Köln intensiv mit Brandschutz beschäftigt. Derzeit gibt es noch keinerlei Richtlinien, was zum Beispiel die Temperaturbeständigkeit, den Feuchteschutz und die Langzeitalterung der Freischalter angeht. Das wollen der TÜV und mehrere Partner in den kommenden zwei Jahren klären.

Vielfältige Lösungen sind bereits im Markt

Neben Solteq bietet auch Solar Edge eine ­Powerbox an, die am Modul oder in der Anschlussdose installiert wird. Sie optimiert die DC-Leistung des Moduls und beinhaltet zugleich einen Freischalter. Ausgelöst wird er durch ein Signal vom Wechselrichter. Im vergangenen Jahr stellte Na­tional Semiconductor aus den USA den DC-Leistungsoptimierer Solar Magic vor. Statt der Schottky-Bypass-Diode wird ein Mosfet-System in die Anschlussdose eingesetzt. „Das erlaubt die Abschaltung der Module, wenn die Feuerwehr die Hauptleitung trennt“, erläutert Ralph Nolte von National Semiconductor in München. „Ebenso möglich ist die Notabschaltung des Strings bei einem Lichtbogen. Dann wird das Modul auf ein Volt abgefahren.“ In den USA wird eine solche Notabschaltung bei Licht­bögen demnächst zur Vorschrift erhoben.

Denn das Problem der hohen Spannungen besteht nicht nur im Brandfall. Aufgrund von Isolationsfehlern in den Leitungen, Marderbissen, hungrigen Vögeln, Mäusen, Frost, Hitze, Stürmen, UV-Licht, Hagel oder gar Vandalismus können die Kabel blank liegen und mit offenen Metallteilen in Kontakt kommen. Wer will das für 20 Jahre ausschließen? In diesem Falle kann sich ein Lichtbogen ausbilden. Weil die Sonne immer weiter Energie nachfüttert, „bleibt dieser Lichtbogen bestehen, wie beim Schweißen“, warnt Jens Ehrler, Experte bei der Firma Dehn und Söhne, die schon seit Jahrzehnten mit Schutzsystemen für Photovoltaik am Markt unterwegs ist. Solche Lichtbögen wiederum können Brände verursachen. Solteq aus Unterlangen macht aus der Not eine Tugend: „Neben dem zahlreichen Zubehör, wie Rauchmelder oder Überschwemmungssensor, haben wir eine Sollbruchstelle ins System eingebaut“, erläutert Berkay Bayer. „Vom Handmelder verläuft eine Datenleitung zum Dach beziehungs­weise zum BFA-System. Diese nicht feuergeschützte Leitung liegt im Kabelbündel der DC-Leitungen. Kommt es aus verschiedenen Gründen zu einem Schmorbrand in der Kabelführung, brennt die Datenleitung durch.“ Die Folge: An der Box fällt das Steuersignal aus, der Generator wird vollautomatisch abgeschaltet. Dadurch werden Lichtbögen automatisch gelöscht, neue können nicht entstehen. Erst wenn auf der Steuerleitung wieder eine Spannung anliegt, schaltet die Box das Modul zu. Das bedeutet, man kann die Anlage ohne Probleme mehrere Tage oder Wochen abgeschaltet lassen, um beispielsweise Fehler zu suchen oder schadhafte Stellen zu reparieren.

Auch dezentrale Ansätze sind möglich

Bisher ist die Anschlussdose lediglich dazu gedacht, verschattete Module aus dem String zu nehmen, also mit einem Bypass kurzzuschließen. Intelligente Anschlussdosen erfüllen etliche Zusatzfunktionen: Der DC-DC-Optimierer übernimmt das so genannte Maximum Power Point Tracking (MPPT), bisher der Job des Wechselrichters. Die Abschaltung für die Feuerwehr wird nebenbei erledigt. Die britische Firma Enecsys geht einen Schritt weiter: Sie hat einen Modulwechselrichter auf den Markt gebracht, der traditionelle Stringumrichter oder Zentralwechselrichter völlig überflüssig macht. Power-One und SMA haben mittlerweile mit eigenen Modulumrichtern reagiert. Jedes Modul bekommt seinen eigenen, kleinen Wechselrichterzwerg. In diesem System gibt es überhaupt keine DC-Verkabelung mehr, also auch keine Probleme mit hohen DC-Spannungen im Brandfall. Die Module geben Wechselstrom ab. Die Microinverter schalten sich automatisch ab, wenn die Feuerwehr die Stromversorgung am Hauptschalter des Gebäudes unterbricht.

Lesen Sie zum Thema Brandschutz bei PV-Anlagen auch das folgende Kurzinterview und die Marktübersicht auf den folgenden Seiten.