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Der ganz normale tägliche Wahnsinn

Ist der Handwerker eigentlich immer der Gelackmeierte?

Handwerkskollege Matthias Wendt schickte uns einen Vorgang, der wohl jeden treffen kann und nur Nerven, Zeit und Geld kostet. Auch wir in der SBZ-Redaktion sind gespannt auf die Reaktion der Berufskollegen und auf die Meinungen, was er evtl. hätte anderes tun sollen oder was er vielleicht jetzt noch tun kann. Doch sehen Sie selbst. So nahm das Drama seinen Lauf:

Im Juni 2013 habe ich eine Badsanierung in einem Einfamilienhaus aus den 90er-Jahren durchgeführt. Der installationstechnische Aufwand für diese Sanierung hielt sich in Grenzen, da die Objekte lediglich an den vorhandenen Positionen im Bad erneuert wurden. Die größte Änderung war das Herstellen eines neuen Anschlusses und das Verlegen der Heizungsleitung für den zusätzlichen Bad-Heizkörper. Dafür mussten auf sehr engem Raum die Anschlüsse erstellt werden, zusätzlich erschwert durch die in diesem Bereich verlaufende Abflussleitung. Die Dusche wurde mit geringer Einstiegshöhe installiert und aus dem Bereich der Dachschräge nach vorne gezogen, sodass ein ca. 20 cm breiter Hohlraum zwischen Drempel und Duschrückwand entstand. Die Sanierung lief planmäßig und (nach Aussagen des Eigentümers) sehr reibungslos und den Erwartungen entsprechend ab. Der Kunde war also zufrieden.

Im März 2015 rief ich eines Montagmorgens eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter ab. Aus der Lampe im Flur unterhalb der Dusche trete Wasser aus, so der Kunde. Wasser und Heizung waren vom Kunden bereits abgestellt worden. Beim Kunden angekommen, konnte ich zunächst nur Tropfen feststellen, die noch an der Lampe hingen. Als erstes inspizierte ich die Silikonfuge an der Duschwanne. Diese schien in Ordnung zu sein. Die Fliesenfugen am Boden wiesen auch keine sichtbar feuchten Stellen auf. Da die Duschwanne nur ca. 8 cm hoch verfliest war und eine Revisionsöffnung daher nicht sinnvoll war, habe ich als erste Maßnahme den Geruchverschluss (Tempoplex) von oben gelöst, um unter die Duschwanne sehen zu können. Dies gelang uns mit einer vom Kunden gestellten Webcam. Der Bereich, den wir einsehen konnten, war allerdings trocken.

Zwischenzeitlich hatte ich die Heizungs- und Wasseranlage vom Kunden wieder in Betrieb nehmen lassen. Diese konnten wir als Ursache auch ausschließen. Da der Kunde während der Bauphase Fotos gemacht hatte, versprach er, mir diese herauszusuchen und zuzusenden. Auf den Fotos war dann tatsächlich die auf dem Boden unter dem Estrich und im Schutzrohr verlegte Lichtleitung zu sehen. Nach Aussage des Kunden käme das Kabel aus Richtung des oben erwähnten Heizungsanschlusses. Weiterhin teilte der Kunde in der gleichen Mail mit, dass auf der Heizungsanlage kein Druck mehr sei. Außerdem wären am Sonntagabend in der Heizung komische Geräusche zu hören gewesen. Die Heizungswartung liegt aber nicht in meiner Verantwortung. Die Hausinstallation beim Neubau habe ich nicht durchgeführt. Auf Basis der Fotos und Schilderungen des Kunden prüften wir im nächsten Schritt also den Heizungsanschluss. Die Vermutung war, dass dort eine Undichtheit dazu führen könnte, dass das Wasser am Schutzrohr der Elektroleitung bis zur Lampe läuft und dort austritt.

Um dies zu prüfen, mussten wir einen Fliesenleger beauftragen, der den Fußboden in diesem Bereich öffnen musste. Allerdings hatte dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt freie Termine. Mir ging in der darauffolgenden schlaflosen Nacht durch den Kopf, dass es ja Dichtmittel gibt, die einen gewissen Wasserverlust in der Heizung abdichten können. Ich beschloss daher, dem Fliesenleger wieder abzusagen und das Aufstemmen des Bodens zu verschieben. Zunächst wollte ich Dichtmittel besorgen, mit diesem die Heizungsanlage füllen und abwarten, ob wieder Wasser austreten würde.

Am darauffolgenden Wochenende kam wieder eine Mail des Kunden. Nach dem Duschen sei wieder Wasser an der Lampe ausgetreten, aber der Druck in der Heizungsanlage sei nicht gesunken. Der fehlende Anlagendruck hatte also nichts mit dem Leck zu tun und war nur zufällig nebenbei entdeckt worden. Die Undichtheit konnte demzufolge nur mit dem Abfluss oder der Dusche selbst zusammenhängen. Dies wiederum konnte eigentlich nur im Bereich des Hohlraumes oder Drempel sein. Als nächste Maßnahme habe ich dem Kunden vorgeschlagen, von der Flurseite her in den Hohlraum der Duschrückwand die Mauer aufzustemmen, um das Bad selber nicht zu zerstören bzw. den Schaden im Bad so gering wie möglich zu halten.

Beim Aufstemmen (von einer Leiter über einer Treppe) wurde eine von mir nicht verlegte und in diesem Bereich nicht erwartete Wasserleitung angestemmt. Es trat zwar kein Wasser aus, der Bereich der Deformierung musste jedoch von mir herausgeschnitten und erneuert werden. Auch bei dieser Prüfung stellten wir fest, dass der Hohlraum ebenfalls trocken und keine Hinweise auf die Ursache des Wasseraustrittes zu sehen waren. Auch eine Bohrung unter die Duschwanne und das Absuchen mit einer endoskopischen Kamera bei laufendem Wasser brachte uns keine weiteren Erkenntnisse.

Der Verzweiflung nahe, beauftragten wir nun doch den Fliesenleger, der die geflieste Duschwannenschürze teilweise entfernte. Wieder wurde Wasser laufen gelassen. Diesmal jedoch auch über die Wände und die gesamte Duschfläche. Endlich konnten wir einen ganz dünnen Streifen an der Wand erkennen, an welchem das Wasser herunter lief. Beim Kontrollieren der Silikonfuge haben wir dann eine Stelle entdeckt, an welcher die Verbindung zwischen Duschwanne und Silikon geringfügig gelöst war. Endlich also hatten wir den Fehler gefunden. Die Fuge wurde vom Fliesenleger herausgeschnitten und erneuert. 48 Stunden später – nach dem Benutzen der Dusche, trat allerdings wieder Wasser an der Lampe aus.

An diesem Wochenende suchte der Kunde nochmals mit der Lupe Silikon und Fliesenfugen ab und entdeckte ganz kleine Löcher und Risse in der Fliesenfuge. Nachdem er mit einer Kanüle Wasser in die Löcher spritzte, trat unter der Duschwanne das Wasser wieder aus. Die Schürze war noch nicht wieder verschlossen worden. Der Kunde hatte dem Fliesenleger gegenüber erwähnt, dass er ein ganz tolles Reinigungsmittel für das Bad verwendet. Nun informierten wir einen Hersteller des Fugenmörtels (PCI), woraufhin ein Vertreter vorbei kam, um sich den Schaden anzusehen. Als Ursache der Fugenauflösung wurde das Reinigungsmittel des Kunden identifiziert, das den Fugenmörtel angegriffen hatte.

Fest stand: Ich hatte den Schaden nicht verursacht. Meine Firma hatte mit diesem Fall also nichts zu tun. Da ich nun mit dieser Ursache unbestritten überhaupt nichts zu tun hatte (Aussage des Kunden: „Na Herr Wendt, da haben Sie ja doch nicht gepfuscht.“), stellte ich meinen Aufwand natürlich in Rechnung. Die Reaktion des Kunden ist so dreist, dass ich sie hier im Original wiedergeben möchte.

Sehr geehrter Herr Wendt,

hiermit lege ich Widerspruch zur Rechnung Nr. 215049 ein. Begründung:

Ich hatte Ihnen nur einen Wasserschaden im Rahmen der Gewährleistung „Reko Bad“ angezeigt. Alle Entscheidungen zum weiteren Vorgehen bei der Fehlersuche haben Sie als Fachmann getroffen. Ich habe Ihnen zur Unterstützung Ihrer Fehlersuche ausschließlich meine Beobachtung zum Wasserschaden mitgeteilt und Ihnen technisches Equipment (endoskopische Kamera) zur Verfügung gestellt.

Sie wurden von mir nicht beauftragt, die Heizung zu „reparieren“, diese Entscheidung haben Sie getroffen. Meine Nachfrage, ob ich meinen Heizungsservice beauftragen soll, hatten Sie abgelehnt. Ich hatte Sie auch nicht beauftragt, große Löcher in meinem Treppenhaus in die Wand zu schlagen. Sie haben weder einen schriftlich fixierten Auftrag zur Fehlersuche, noch habe ich Ihnen die in der Rechnung aufgeführten Arbeitsleistungen bestätigt.

Als absolut inakzeptabel ist die In-Rechnung-Stellung Ihrer Arbeitsfehler. Sie haben die Wasserleitungen zur Dusche bei den Stemmarbeiten selbst beschädigt! Wenn Sie Ihre Arbeitsleistungen in Rechnung stellen möchten, dann richten Sie diese Forderung bitte an die Firma (Fliesenleger). Ja, der Gutachter der Firma PCI hat das Reinigungsmittel als wahrscheinlichste Ursache der ausgewaschenen Fugen und den dadurch verursachten Wasserschaden ermittelt. Er hat aber auch bestätigt, dass in der Anwendungsbeschreibung des Reinigungsmittels nicht gekennzeichnet ist, dass dieses Reinigungsmittel für diese Fugen ungeeignet ist. Das Reinigungsmittel wird im Handel als Reiniger für Bad und Dusche beworben. Ich als Verbraucher und Laie kann keinen Bezug zu Marmor oder Naturstein bezüglich dieser PCI-Fugen herstellen. Auch hat der Gutachter eindeutig darauf hingewiesen, dass die Fliesenhandwerksbetriebe ihre Kunden explizit mit Warnzetteln auf die Unverträglichkeit solcher Reiniger hinweisen müssen. Das hat die Firma Bassüner nicht getan!

Möchten Sie trotz der eindeutigen Sachlage weiter auf diese Rechnungslegung zu meinen Lasten bestehen, werde ich mich an die Verbraucherzentrale wenden und um Unterstützung bitten. Außerdem behalte ich mir weitere rechtliche Schritte vor.

Mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift des Kunden)

Natürlich habe ich mir keinen schriftlichen Auftrag geben lassen. Ich bezweifle, dass ich diesen überhaupt bekommen hätte. Es galt noch die Gewährleistungsfrist. Der Fliesenleger wurde beim Badumbau durch den Bauherrn selbst beauftragt, hatte also auch mit meiner Leistung der Badsanierung 2013 nichts zu tun.

Im Nachhinein denke ich, dass ich mit meinem Handeln den Schaden für mich noch am geringsten gehalten habe. Denn wenn ich diese Lecksuche nicht Schritt für Schritt durchgeführt hätte, wäre eine andere Firma beauftragt worden, die bestimmt auch ganz anders und rigoroser vorgegangen wäre. Ob dann am Ende noch gestanden hätte, dass die Fliesenfuge oder das Reinigungsmittel die Ursache des Schadens waren, wage ich zu bezweifeln. Sicher bin ich mir nur darin, dass die Kosten weitaus höher und mit Sicherheit auch an mich gegangen wären, weil die jetzt festgestellte Ursache nicht mehr zu erkennen gewesen wäre. Abgesehen davon habe ich auch einen Ruf zu verlieren.

Was mich frustriert, ist die dreiste Reaktion auf meine Rechnung. Ja, dass ich im Grunde wage, überhaupt eine Rechnung zu stellen. Vielleicht kann man geteilter Meinung über die einzelnen Schritte der Fehlersuche sein. Im Moment der Fehlersuche waren sie jedenfalls logisch und schlüssig. Selbst das Nicht-Bezahlen der Reparatur der Wasserleitung, die durch mich beschädigt wurde, hätte ich akzeptiert. Das Abstreiten der kompletten Leistung als solches, finde ich einfach nur frech.

Was hätte anders, aber praktikabel von mir gemacht werden können? Wie ist jetzt meine rechtliche Position? Hat man eine Chance, solche Leistungen rechtlich durchzusetzen? Ich bin gespannt auf die Reaktion meiner Berufskollegen.

Matthias Wendt

06886 Lutherstadt Wittenberg