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Brandschutz in der Gebäudetechnik (Teil 3)

Wenn Brand- und Gefahrenschutz zur Amtssache wird

Wie im zweiten Teil unserer Artikelserie beschrieben, hat das Baurechtsamt bei einer im Bau befindlichen Wohnanlage im Raum Stuttgart gravierende Mängel in der Ausführung des vorbeugenden Brandschutzes in der Gebäudetechnik festgestellt. Dies gilt besonders bei den Durchdringungen von bauaufsichtlich benannten Bauteilen sowie in der Art und Anordnung von Baustoffen in den gemauerten KS-Schächten. Deshalb hat die Behörde kurzerhand einen Baustopp ausgesprochen und die Baustelle im laufen­den Betrieb dicht gemacht.

Die Verantwortlichen haben ­versagt

Nun kann das Baurechtsamt erst tätig werden, wenn es von solch einem Missstand erfährt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass hier mit dem Planer, Unternehmer und Bauleiter drei „Sicherungen“ versagt haben, deren Aufgabe es gewesen wäre, Mangelfreiheit herzustellen, oder etwaige Mängel zu beanstanden und beseitigen zu lassen. Die Bauleitung hätte sogar dem Baurechtsamt Verstöße mitteilen müssen, wenn sie wie hier geschehen nicht abgestellt werden. Doch obwohl dies nicht erfolgt ist, kam den künftigen Wohnungseignern ein glücklicher Umstand zu Hilfe. Denn einer von ihnen ist SHK-Handwerksmeister und mit den Brandschutzvorschriften bestens vertraut. Schnell kamen ihm bei seinen Baustellenbesichtigungen Zweifel an der Art und Ausführung der Brandschutzmaßnahmen. Als er die betreffenden Haustechnikfirmen auf die Mängel hinwies, zeigte sich nur der ausführende Sanitärinstallationsbetrieb kooperativ und gesprächsbereit. Alle anderen, einschließlich der Fachbauleitung und dem Generalbauunternehmer wiegelten ab. „Alles in Ordnung“, hieß es von hier und die Arbeiten wurden unbeirrt weitergeführt. Dabei wurden die Mängel, besonders in der Ausführung der elektrischen Leitungsdurchführungen und der schlampigen bzw. gar nicht erfolgten Vermörtelung der KS-Schächte immer offensichtlicher. Als dann auch noch von Seiten des Generalbauunternehmers persönliche Unterstellungen als Resonanz auf die schriftlichen Mängelanzeigen des künftigen Wohnungseigners folgten, sah dieser sich veranlasst, auf seine Kosten die Überprüfung der Brandschutzvorkehrungen in Auftrag zu geben.

Niederschmetterndes Ergebnis

Über seine beruflichen Kontakte fand sich der Autor, der überwiegend Brandschutzprodukte für namhafte Hersteller in der Gebäudeversorgungstechnik entwickelt. Das Ergebnis seiner Untersuchungen, die er in einem Bericht zusammenfasste, war niederschmetternd. Nicht nur, dass einschlägige Vorschriften und Richtlinien verletzt worden waren, vielmehr wurden Produkte ausgewählt, die für ihren Anwendungszweck nicht tauglich waren. In einem Fall widersprach sogar eindeutig die allgemein bauaufsichtliche Zulassung der vorgefundenen Anwendung. Auch wurden Produkte, die durchaus gebrauchstauglich gewesen wären, völlig falsch eingebaut sowie genormte brand­sichere Baustoffe schlampig verarbeitet. Selbst nach diesem katastrophalen Untersuchungsergebnis räumten Fachplaner, Unternehmer, Bauleitung und Generalbauunternehmen immer noch keine Versäumnisse ein. Im Gegenteil, vom Bauträger wurde sogar offen kommuniziert: „Da machen wir schnell zu, hinterher kräht kein Hahn mehr danach“. Hier kann man wohl nur noch groben Vorsatz annehmen. Doch Achtung: Es geht um Leib und Leben von Menschen, Gefahr ist im Verzug.

Grober Vorsatz stellt Straftat­bestand dar

Nach dieser Aussage forderte der künftige Wohnungseigner den Generalbauunternehmer schriftlich auf, die in dem Bericht aufgezeigten Mängel innerhalb einer angemessenen Frist fachgerecht durch die betreffenden Gewerke zu beseitigen. Gleichzeitig kündigte er an, dass er nach fruchtlosem ­Ablauf dieser Frist die Unterlagen des Gutachtens an das zuständige Baurechtsamt weiterleiten würde. Nachdem die Arbeiten dennoch unbeirrt und eher beschleunigt weitergingen, erfolgte die Anzeige beim Baurechtsamt samt Übergabe des Gutachtens mit beigefügten Fotos zur Baustandssicherung. Innerhalb von wenigen Stunden kam die Reaktion des Baurechtsamts: Es erfolgte eine Baubegehung, welche die geschilderten Mängel bestätigt vorfand. Daraufhin wurde gleich am nächsten Tag dem Architekten und dem Generalbauunternehmer eine Anordnung per Boten zugestellt.

Unglaublich aber wahr

In der Anordnung wurde vom Bauträger verlangt, dass von einem geeigneten qualifizierten Sachverständigen die Mangelfreiheit nachzuweisen ist, bzw. erkannte Mängel unverzüglich zu beseitigen sind. Darüber hinaus wurde ausdrücklich untersagt, weitere Arbeiten im Bereich der Gebäudetechnik auszuführen. Jedenfalls solange, bis der Sachverständige dem Baurechtsamt die hergestellte Mangelfreiheit der bisherigen Arbeiten bestätigt hat. Im Falle, dass weitere Installationsarbeiten ausgeführt werden, bevor diese Bestätigung dem Baurechtsamt vorliegt, wurde ein Zwangsgeld von 20 000 Euro angedroht. Doch so unglaublich es auch klingt: Der Generalbauunternehmer setzte sich über diese Anordnung hinweg und ließ die Firmen weiterarbeiten, ohne dass auch nur die geringste Mängelbeseitigung in Angriff genommen wurde. Stattdessen wurden Installationsschächte abgemauert, verputzt und schnell auch schon die Zwischendecken an den kritischen Stellen eingezogen. Und zu allem Überfluss fand sich dann auch noch ein „Sachverständiger“ der pauschal, und ohne auch nur auf ein Konstruktionsdetail einzugehen, die Brandschutzausführungen gegen die Übertragung von Feuer und Rauch durch bauaufsichtlich benannte Bauteile, für mangelfrei erklärte. Hinzu kam, dass er sich in seiner Stellungnahme dann auch noch auf technische Berater von Produktherstellern berief, die ihm in einem Vorort-Termin auf der Baustelle die Mangelfreiheit eingesetzter Produkte und Montageausführungen persönlich bestätigt hätten. Doch in Wirklichkeit waren diese Berater niemals auf der Baustelle. Dies jedenfalls brachte ein Gespräch zwischen dem künftigen Wohnungseigner und einem der im „Gutachten“ benannten Berater ans Licht. Zitat: „Der Termin mit mir auf der Baustelle ist frei erfunden. Das heißt, ich kenne weder das Bauvorhaben, die exakte Planung, noch die Ausführung vor Ort. Ich selber habe auch keine „Freigabe“ erteilt. Ich kenne weder die Stellungnahme des Sachverständigen, noch kenne ich ihn persönlich.“ Diese Ausführungen trugen natürlich nicht gerade zur Glaubwürdigkeit des „Sachverständigen“ bei.

Baustelle zwangsstillgelegt

Vonseiten des Baurechtsamts konnte es auf die­se aufgeflogene Lüge nur eine Reaktion geben. Die Behörde führte eine zweite Baubegehung durch und entdeckte dabei, dass die Mängel nicht beseitigt, sondern tatsächlich durch fortgeführte Arbeiten regelrecht verfestigt wurden. Daraufhin wurde die Baustelle amtlich geschlossen. Die angetroffenen Handwerker wurden über diese Maßnahme belehrt und der Baustelle verwiesen. Natürlich droht dem Generalbauunternehmer jetzt das Zwangsgeld in Höhe von 20000 Euro. Die Begründung der Behörde hierfür lässt keine Zweifel. Denn die Baurechtsbehörden haben nach der Landesbauordnung darauf zu achten, dass die baurechtlichen Vorschriften sowie die anderen öffentlich rechtlichen Vorschriften über die Errichtung von Anlagen eingehalten werden und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen befolgt werden. Darüber hinaus haben sie zur Wahrnehmung dieser Aufgabe diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind. Die Baurechtsbehörde kann nach der Landesbauordnung Bauarbeiten ganz oder teilweise einstellen. Die festgestellten Mängel machten ein Einschreiten der Baurechtsbehörde erforderlich. Die Anordnung diente der Gefahrenvorsorge. Denn eine nicht fachgerechte Ausführung kann letztlich ein größeres Brandrisiko und damit Gefahr für Leib und Gesundheit der künftigen Bewohner der Gebäude bedeuten. Es war auch erforderlich die Bauarbeiten zu stoppen, um so zu verhindern, dass vor der Überprüfung bestehende Mängel verfestigt werden oder neue auftreten. Von den möglichen Zwangsmitteln, wurde das Zwangsgeld als mildestes und hier geeignetes ausgewählt.

Weitreichende Konsequenzen

Die Frage, die sich nun jeder stellt: Ist eine vollständige Sanierung überhaupt möglich? Und vor allem, wer bezahlt diesen Mehraufwand, der ja die Auftragssumme der betroffenen Gewerke bei weitem überschreitet. Nicht zu vergessen, wie werden die künftigen Wohnungseigner reagieren: Es besteht doch für die am Ende Geschädigten möglicherweise die Vermutung, dass das kein „Komforteigentum“ mehr ist, wie es vom Generalbauunternehmer im Verkaufsgespräch beworben wurde. Werden da nicht Juristen und weitere Sachverständige klären müssen, wie der Wert so einer nachgebesserten Immobilie einzustufen ist? Und wie lange werden die künftigen Wohnungsnutzer warten müssen, bis die Mindestanforderungen an den Brandschutz erfüllt sind, die Abnahme durch das Baurechtsamt erfolgt ist und sie dann schluss­endlich ihr neues Heim beziehen können?

Der Planverfasser haftet für die Einhaltung der Vorschriften

Gebäude, die nicht der Brandschaupflicht Baden-Württembergs unterliegen und bei denen auch die Belange der Feuerwehr nicht tangiert werden, werden nicht automatisch von den Baubehörden oder der Feuerwehr besichtigt. Vielmehr gilt bei Wohngebäuden unter der Hochhausgrenze das Kenntnisgabeverfahren. Dabei liefert zuerst der Planverfasser die Grundlage für die Ausführung. Er ist nach § 43 der Landesbauordnung dafür verantwortlich, dass sein Entwurf den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Zum Entwurf gehören die Bauvorlagen und die Ausführungsplanung. Hat der Planverfasser auf einzelnen Fachgebieten nicht die erforderliche Sachkunde und Erfahrung, so hat er den Bauherrn zu veranlassen, geeignete Sachverständige zu bestellen. Diese sind für ihre Beiträge verantwortlich. Der Planverfasser bleibt dafür verantwortlich, dass die Beiträge der Sachverständigen entsprechend den öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufeinander abgestimmt werden.

Der SHK-Unternehmer sitzt gleichverantwortlich mit im Boot

Der Unternehmer, der „Meister seines Faches“ sitzt nach § 44 der Bauordnung gleichverantwortlich „im selben Boot“. Er ist dafür verantwortlich, dass seine Arbeiten den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechend aus­geführt und auf die Arbeiten anderer Unternehmer abgestimmt werden. Er hat die erforderlichen Nachweise über die Brauchbarkeit der Bauprodukte und Bauarten zu erbringen und auf der Baustelle bereitzuhalten. Er darf Arbeiten nicht ausführen oder ausführen lassen, bevor nicht die dafür notwendigen Unterlagen und Anweisungen an der Baustelle vorliegen. Hat der Unternehmer für einzelne Arbeiten nicht die erforderliche Sachkunde und Erfahrung, so hat er den Bauherrn zu veranlassen, geeignete Fachkräfte zu bestellen. Diese sind für ihre Arbeiten verantwortlich. Der Unternehmer bleibt dafür verantwortlich, dass die Arbeiten der Fachkräfte entsprechend den öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufeinander abgestimmt werden. Der Unternehmer und die Fachkräfte haben auf Verlangen der Baurechtsbehörde für Bauarbeiten, bei denen die Sicherheit der baulichen Anlagen in außergewöhnlichem Maße von einer besonderen Sachkenntnis und Erfahrung oder von einer Ausstattung mit besonderen Einrichtungen abhängt, nachzuweisen, dass sie für diese Bauarbeiten geeignet sind und über die erforderlichen Einrichtungen verfügen. Das geht sogar soweit, dass der Unternehmer für die Zeit seiner Abwesenheit von der Baustelle einen geeigneten Vertreter bestellen und ihn ausreichend unterrichten muss.

Der Bauleiter ist haftungsmäßig der Dritte im Bunde

Gemäß § 45 der Landesbauordnung Baden-Württemberg hat der Bauleiter darüber zu wachen, dass die Bauausführung den öffentlich-rechtlichen Vorschriften und den Entwürfen des Planverfassers entspricht. Er hat im Rahmen dieser Aufgabe auf den sicheren bautechnischen Betrieb der Baustelle, ins­besondere auf das gefahrlose Ineinandergreifen der Arbeiten der Unternehmer zu achten. Die Verantwortlichkeit der Unternehmer bleibt dabei unberührt. Verstöße, denen nicht abgeholfen wird, hat er unverzüglich der Baurechtsbehörde mitzuteilen. Dies ist im vorliegenden Fall allerdings nicht passiert, wurde aber durch einen glücklichen Umstand von einem der künftigen Wohnungseigentümer übernommen.

Im vierten und letzten Teil dieser Artikel­serie stellt der Autor die fachgerechte Brandschutzausführung dar und erörtert die Möglichkeiten der Sanierung.

Die Artikelserie ...

…über den Brandschutz in der Gebäudetechnik behandelte bisher folgende Bereiche:

Teil 1: Welche gesetzlichen Brandschutzanforderungen es in der Gebäudeversorgung gibt, SBZ 19/2009

Teil 2: Ein Praxisbeispiel das zeigt, wie sorglos und fahrlässig Haustechnikfirmen und Fachplaner oftmals mit dem vorbeugenden Brandschutz in Gebäuden umgehen, SBZ 20/2009

Teil 3: Welche Maßnahmen das Baurechts­amt ergreift, wenn ein Gebäude mit mangelhaftem Brandschutz erstellt wurde, SBZ 21/2009

Sollten Sie eine Ausgabe verpasst haben, ­können Sie diese beim SBZ-Leserservice unter der Telefon-Nummer (07 11) 6 36 72-4 11 bestellen.

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Autor

Bernd Prümer ist Inhaber der Firma Brandschutz org. Der Fachbuchautor war früher Brandmeister bei der Stuttgarter Feuerwehr und ist im Bereich Entwicklung und Grundlagenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt beratend tätig.

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