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Wärmeerzeugung grundlegend erneuert, Energiekosten halbiert

Ein warmes Zuhause, sowohl menschlich als auch buchstäblich durch ein warmes Gebäude – für beides sorgt seit über 50 Jahren das SOS-Kinderdorf im niedersächsischen Worpswede. Aber für beides stieg der Aufwand in der Vergangenheit beträchtlich. Es galt und gilt die Maxime: An den Betreuungsangeboten für die Kinder darf nicht gespart werden. Wohl aber an den Energiekosten. Immerhin musste fast jeden zweiten Monat ein Tankwagen das Heizöl anliefern: Über 100 000 l pro Jahr verbrauchten zwei alten Öl-Kessel mit jeweils rund 400 kW Leistung. Damit ist jetzt Schluss.

Als energetische und ökologische Alternative zur verschwendung hat die Einrichtung eine Heizung erhalten, die auch Strom erzeugt. Doch die Kosten für eine vollständige Modernisierung der Anlage waren beträchtlich. Immerhin werden auf dem 45 000 m² großen Areal 22 Gebäude von der Nahwärmezentrale beheizt und mit Warmwasser versorgt. Von dem SHK-Unternehmen Meyer aus Lilienthal wurde gemeinsam mit dem Heizungshersteller Vaillant ein Sanierungskonzept erarbeitet, das stufenweise umgesetzt werden konnte.

Gas-Brennwert statt Öl

Im ersten Schritt wurden die beiden alten Ölkessel durch eine Gas-Brennwertkaskade ersetzt, im zweiten Bauabschnitt kam ein Blockheizkraftwerk hinzu. Nachdem für die erste Sanierungsstufe der tatsächliche Wärmebedarf neu ermittelt worden war, stand fest: Die über 800 kW der beiden Öl-Kessel waren überdimensioniert.

Mit 600 kW Leistung, die jetzt fünf Gas-Brennwertgeräte „EcoTec exclusive“ in Kaskade liefern, war der gesamte Wärme- und Warmwasserbedarf wesentlich sparsamer abzudecken. Je nach Leistungsanforderung schalten sich die Gas-Brennwertgeräte dabei nach dem Zufallsprinzip zusammen. Die Vorteile: eine gleichmäßige Gerätebeanspruchung und ein besserer Schutz gegen Störungen. Denn sollte ein Gerät ausfallen, stehen immer noch 80 % der Leistung bereit. Bei den vormals zwei Öl-Kesseln hätte ein Störfall in einem Kessel die verfügbare Wärmemenge glatt halbiert.

Aus wirtschaftlicher Sicht war die Gas-Brennwerttechnik sinnvoller, als vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen: „Wir brauchen hier durchgängig Vorlauftemperaturen von 65 °C für das Nahwärmenetz. Die EcoTec-Geräte können dieses Niveau bereitstellen, sodass wir aktuell nicht auch noch in die Wärmeverteilung investieren müssen“, erläuterte Hennig Meyer vom ausführenden SHK-Fachbetrieb.

Auf die Hydraulik achten

Um jedoch die Druckverhältnisse – den ganz großen hydraulischen Abgleich – optimiert in den Griff zu bekommen, wurde zwischen die neue Wärmeerzeugung und die Verteilung eine hydraulische Weiche gesetzt. Ein Austausch der teilweise bereits recht alten Pumpen gegen elektronisch stufenlos arbeitende ist für die nähere Zukunft vorgesehen. „Deren Ansteuerung kann dann ebenfalls zentral über die neue Regelung der Heizungskaskade erfolgen“, beschreibt Meyer ein zukünftiges Kapitel des stufenweisen Sanierungskonzeptes.

Davor aber musste zunächst einmal die zweite Stufe des Sanierungskonzeptes freigeschaltet werden, die ergänzende Installation eines kleinen Blockheizkraftwerks (mini-BHKW), das Strom und Wärme zugleich produziert und damit finanziell das Kinderdorf weiter entlastet.

Kraft-Wärme-Kopplung integriert

Knapp ein Jahr nach Inbetriebnahme der Gas-Brennwertkaskade erfolgte die Installation eines Mini-BHKWs vom Typ „EcoPower 20.0“. Es liefert 20 kW elektrische und 44 kW thermische Leistung. Mit dieser Wärmeenergie werden zwei 1000 l Speicher bedient. Über drei hydraulisch entkoppelte Heizkreise erfolgt von dort die Versorgung des Dorfes mit Heizenergie. Die Trinkwarmwasserversorgung profitiert indirekt von diesem Konzept: Um die Trinkwasserhygiene zu erhalten, wird in jedem Gebäude das Warmwasser dezentral über Plattenwärmetauscher erzeugt. Übersteigt der Wärmebedarf die thermische Leistung des BHKW, schaltet sich automatisch die Gas-Brennwertkaskade bedarfsgeführt zu.

Die Umstellung der etwa dreißig Jahre alten Öl-Kessel auf Gas-Brennwerttechnik mit bedarfsabhängiger Kaskadenschaltung plus die Einbindung der Kraft-Wärme-Kopplung bringt für das SOS-Kinderdorf eine erhebliche Entlastung bei den Energiekosten.

Energiekosten um mehr als 45% gesenkt

Bei einer Laufzeit von rund 7500 Betriebsstunden pro Jahr mit fast 7100 Vollbenutzungsstunden deckt das mini-BHKW-System jetzt 85 % des Jahresstrombedarfs von 105 000 kWh ab. Zum jährlichen Trinkwasserwärmebedarf von 22 500 kWh sowie dem Jahresheizwärmebedarf von 734 100 kWh steuert das mini-BHWK darüber hinaus 41 % thermische Leistung bei. Damit konnte das SOS-Kinderdorf Worpswede die gesamten jährlichen Ausgaben für Energie in der Summe um mehr als 45 % senken.

Auch die ökologischen Erfolgswerte sind beachtlich: Die Primärenergieeinsparungen betragen 493 820 kWh pro Jahr. Und die CO2-Emissionen konnten um fast 80 % abgesenkt werden. Das sind Einsparungen von knapp 290 t jährlich. Das Beispiel des SOS-Kinderdorfs steht exemplarisch für tausende von Objekten in Deutschland: Der Investitionsstau bei der Heizungsmodernisierung kostet viel Energie und belastet die Umwelt. Dieser lässt sich aber aufgrund wirtschaftlicher Zwänge nicht immer in einem Zug auflösen.

Einsparungen schrittweise einspielen

Ein vorab aufgestelltes, ideales Energiekonzept mit stufenweiser Realisation kann jedoch perspektivisch Chancen eröffnen, die über eine einmalige Investition ansonsten nicht zu erreichen wären. Gleichzeitig können die nächsten Modernisierungsschritte so zumindest teilweise durch die zwischenzeitlich erzielten Einsparungen eingespielt werden. Der vorausschauende Ansatz garantiert zudem, dass der ausführende SHK-Fachbetrieb die aufeinander aufbauenden Modernisierungsstufen auch technisch ohne Schnittstellenprobleme vernetzen kann.

www.vaillant.de

www.sos-kinderdorf.de

Nachgefragt

Kein alltägliches Objekt …

… war die Erneuerung der Heizanlage in dem SOS-Kinderdorf für den SHK-Fachmann Hennig Meyer vom ausführenden Fachbetrieb Hinrich Meyer aus Lilienthal. Bei dem Projekt gab es einiges zu beachten.

SBZ: Was waren die generellen Herausforderungen bei diesem Projekt?

Henning Meyer: Die Herausforderungen waren, neben der reinen Leistungsgröße von ursprünglich 800 kW, natürlich vor allem die 22 angeschlossenen Objekte. Durch die unterschiedliche Nutzung – vom Wohnhaus bis zur Kindertagesstätte – mussten beispielsweise beträchtlich schwankende Lastwechsel im Tages- wie im Wochenverlauf berücksichtigt werden.

SBZ: Und technisch?

Meyer: Die besonderen technischen Herausforderungen bezogen sich unter anderem auf das weitläufige Verteilnetz. Hier überall ein gleichbleibend hohes Temperaturniveau zur komfortablen und effizienten Wärme- und Warmwasserbereitung abzusichern, ohne die Effizienz zu beeinträchtigen und ohne entscheidend in die Hydraulik eingreifen zu können, war nicht einfach.

SBZ: Wie erfolgte der Umschluss von der Altanlage auf die neue Kaskade?

Meyer: Die neue Gas-Brennwert-Kaskade wurde parallel zur Altanlage aufgebaut. Außerdem blieb die wesentliche Hydraulik inklusive Wärmeverteilung ab der hydraulischen Weiche mit der großen Pumpenanlage für die drei Heizkreise des Nahwärmenetzes unverändert. Daher konnte der Umschluss an nur einem Tag erfolgen. Das mini-BHKW der zweiten Ausbaustufe wurde dann sogar bei laufendem Betrieb in die Anlage eingebunden.

SBZ: Wo lag die Planungshoheit für dieses Großprojekt?

Meyer: Die Planungshoheit lag bei diesem Projekt natürlich in unseren Händen, da wir als ausführendes Fachhandwerksunternehmen ja auch für die Gesamtleistung verantwortlich zeichnen. Aufgrund der Komplexität der Anlage, insbesondere auf der Abnahmeseite, haben wir dabei jedoch zusätzlich auf die Planungsunterstützung durch einen Vaillant Vertriebsingenieur zurückgegriffen. Zudem musste ja regelungstechnisch wie hydraulisch die spätere Ausbaustufe mit dem mini-BHKW von vornherein mit eingeplant werden; inklusive der dafür offenen, zentralen Steuerung des Gesamtsystems.