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Strategien, die zum Auftrag führen

Spezialistentum verhindert Umsatz

Ein Praxisbeispiel: Der Zuhörer wird langsam unruhig. Verstohlen blickt er auf die Uhr. Er schließt kurz die Augen, blickt dann zur Decke, holt tief Luft und sieht seinen Gesprächspartner angespannt an. „Okay“, sagt er. „Ich habe Sie verstanden. Ich muss jetzt gleich zu einer Besprechung. Am besten Sie machen mir ein Angebot, damit ich es schwarz auf weiß habe.“ Sein Gegenüber lächelt selbstsicher, schließt den Katalog und verspricht, das Angebot zuverlässig in der vereinbarten Zeit vorzulegen. Die Männer verabschieden sich. Der Fachberater verlässt sichtlich zufrieden die Geschäftsräume und freut sich schon auf sein nächstes Gespräch.

Und noch ein Praxisbeispiel: Leises Gemurmel macht sich im Vortragsraum breit. Der Referent erläutert voller Begeisterung ­eine der 20 Linien, die er auf die Leinwand projiziert hat. Währenddessen hört einer der Teilnehmer seine Mailbox ab, ein anderer hat begonnen an seinem Laptop zu arbeiten und in der Ecke beginnt eine kleine Gruppe eine fachliche Diskussion. Dann beendet der Referent seinen Vortrag und ist überzeugt, dass jeder den Eindruck hat: „Der weiß, wovon er spricht!“ Und so scheint es auch: Die Teilnehmer verlassen den Raum und bestätigen dem Veranstalter gerne, dass die Präsentation sehr informativ war und die Inhalte gut ausgewählt waren.

Exzellente Präsentation – aber Auftrag Fehlanzeige

Was haben solche Verkaufssituationen gemeinsam? Es wurde kein Auftrag erteilt. Schlimmer – aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich Ihnen sagen – die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt noch ein Auftrag zustande kommt, ist nahe bei Null.

Als positiv denkender Mensch könnten Sie jetzt sagen, dass es immerhin einen persönlichen Kundenkontakt gab, dass das Unternehmen und die Produkte vorgestellt wurden, der Interessent einen Eindruck gewinnen konnte und damit ein gewisses Mindestziel erreicht wurde. Doch wer kann sich heute ein solches Ergebnis wirklich leisten?

Wie es ein Vertriebsleiter einmal formulierte: „Termine ohne Auftrag sind Kaffeefahrten und Kaffeefahrten sind Verrat an der Familie.“ Diese Aussage ist zwar krass, jedoch inhaltlich richtig und bringt ein weiteres Detail ans Licht: Jeder Termin ohne Auftrag erhöht den Druck. Und so ist bei vielen Verkäufern und Beratern die Woche nach 40 Stunden lange nicht vorbei – vom schlechten Gewissen den Kollegen gegenüber ganz zu schweigen.

Immer wieder erlebe ich in meiner Beratungstätigkeit, dass sich bietende Verkaufsmöglichkeiten nicht genutzt werden. Egal ob Geschäftsführer, Außendienstmitarbeiter oder ein Handwerker: Letztlich ist jeder Spezialist der Meinung, dann sein Bestes zu geben, wenn er seine Fachkenntnisse ausführlich präsentiert. Doch so dringend fundiertes Spezialwissen gebraucht wird, im Verkaufsgespräch gewinnen Sie keinen Kunden damit. Wer künftig Aufträge schreiben will, muss den Pfad alter Gewohnheit schnellstens verlassen.

Der Laie hat nur selten eine Orientierung

Die Märkte werden überschwemmt mit Produkten, die der Kunde kaum noch voneinander unterschieden kann. Übervolle Lager, die abgebaut werden, sorgen zusätzlich für sinkende Preise. Ein Beispiel: Kostete gestern der luxuriöse Kaffeeautomat noch 749 Euro, so ist der Preis heute für das gleiche Gerät plötzlich 499 Euro. Warum? Man habe sich lediglich dem Internetpreis angepasst, teilt der Händler mit. Eine Woche später wird ein ähnliches Gerät in der Zeitung bereits für 199 ­Euro angeboten. Es soll angeblich annähernd die gleiche Leistung haben, man müsse bei diesem Hersteller nur einfach den Namen nicht mitbezahlen.

Wie soll der Laie Produkte unterscheiden, insbesondere, wenn sie technisch komplex sind, man ihre Eigenschaften nicht versteht und so auch nicht mit anderen Anbietern vergleichen kann?

Häufig gewinnt einfach der kleinste Preis

Man orientiert sich also hilfesuchend am Preis. Und wenn morgen ein Anbieter mit einem niedrigeren Preis oder mit einem neueren Produkt zum gleichen Preis an die Türe klopft, dann nimmt man es auch mit der Treue zum Geschäftspartner nicht so genau. Das kennt jeder aus eigener Erfahrung.

Je mehr das Produkt also an Bedeutung verliert und der Preis damit sinkt, desto mehr verliert auch der Spezialist an Boden. Das sorgt natürlich für Stress und setzt einen ungewollten Kreislauf in Gang: Der Mensch bzw. das menschliche Gehirn greift in Stresssituationen auf seine Erfahrungen zurück. Dies hat zur Folge, dass der Spezialist sich noch intensiver an die Eigenschaften und Vorteile seines Produktes klammert und noch mehr endlose Fachvokabular-Monologe führt. Dies sind denn kommunikative Einbahnstraßen – im wahrsten Sinne des Wortes.

So logisch dieses Verhalten ist, so logisch ist auch die Reaktion des Interessenten: Er ist konfrontiert mit Informationen, die er weder verarbeiten noch überprüfen oder beurteilen kann, und fühlt sich häufig überfordert. Die Gefühlswelten der Geschäftspartner driften wie Eisschollen auseinander, oft ohne dass der Verkäufer dies bewusst wahrnimmt. Der potenzielle Kunde zieht sich zurück und erteilt erst einmal keinen Auftrag. Wieder liegt der niedrigste Preis als Hauptargument für den Kauf nahe.

Mit dem Angebot geht die Überforderung dann weiter

Dasselbe gilt, wenn nach dem Beratungs­gespräch ein Angebot gemacht wird. Angebote verstärken den Effekt der Überforderung in der Regel, weil sie häufig eine Auflistung von Eigenschaften und Merkmalen sind.

Ich sehe solche Angebote immer wieder und bin erstaunt, wie viel Zeit und ­Mühe investiert wird, ohne dass die Auftragswahrscheinlichkeit dadurch erhöht wird. Seitenweise Artikelnummern, Fachbegriffe, Zahlen und Fakten, die aneinandergereiht und durch viel Fachchinesisch ergänzt werden.

Persönliche Ansprachen, Situationsbeschreibungen des Interessenten oder eine verständliche Problemösung, Fehlanzeige! Wozu diese Produkte und Artikel wirklich gut sind, welchen Nutzen sie bringen und welches Problem sie vielleicht lösen, ist für den Empfänger oft nicht zu ergründen. Doch genau darum geht es für den Kunden!

So wundert es nicht, dass viele Interessenten gleich auf die letzte Seite blättern und den Preis ins Visier nehmen.

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten ein Angebot für ein Haus und sämtliche Leistungen, auch Materialien sind einzeln und detailliert aufgeführt. Wie geht es Ihnen bei dieser Vorstellung? Wahrscheinlich fühlen auch Sie sich überfordert, insbesondere wenn es gilt, mehrere Angebote zu vergleichen.

Das Zauberwort lautet Problemlösung

Bei unseren Praxis-Analysen wird immer wieder deutlich, dass die Bedürfnisse des Kunden vollkommen außer Acht gelassen lassen werden. Wir wissen nicht, welches Problem er hat, welche Ziele er verfolgt, welche Herausforderung er meistern muss und welche Bedürfnisse ihn begleiten und motivieren. Mangels dieser Kenntnisse schaffen wir es auch nicht, eine Vertrauensbasis aufzubauen und ohne diese Basis ist die Aussicht auf einen Auftrag sehr gering.

Das Zauberwort heißt Problemlösung. Jeder Kauf löst letztlich ein Problem. Wer es schafft, solche Probleme besser zu lösen als der Mitbewerber, ist am Auftrag näher dran. Auf welcher Ebene diese Probleme liegen, das muss der Verkäufer/Berater herausfinden. Gehen Sie von sich selbst aus. Wann würden Sie Persönliches oder Internes preisgeben? Nur, wenn es eine Vertrauensbasis gibt. Hier endet für viele Menschen im Verkauf bereits der Erfolgsweg, weil sich deren Sicherheit nur auf der Fachkompetenz gründet, der Sach­ebene. Auf der Beziehungsebene dagegen sind sie nahezu hilflos.

In der Checkliste „Gesprächsleitfaden“ sind allgemeine Anregungen zur Gestaltung des Beratungs- und Verkaufsgesprächs dargestellt. Eine konkrete Umsetzung zeigt der Info-Kasten „Beispiel Wohnungslüftung“. Hier wird auch klar, dass die am Projekt beteiligten Akteure sehr unterschiedliche Interessen haben, auf die der Handwerker indivi­duell eingehen muss.

Auch die Hersteller sollten umdenken

Zuletzt sei gesagt: Auch für so manche Marketingabteilung heißt es umdenken. Die Argumentationslisten, die man Handwerkern im Verkauf zur Verfügung stellt, um die Spezialisierung noch zu unterstreichen, sind oft nicht hilfreich, im schlimmsten Fall gar nicht zu verwenden, weil nur die Eigenschaften und die Eigensicht – also Ich- und Wir-Botschaften – formuliert sind.

Checkliste

Gesprächsleitfaden

Der Aufbau des Vertrauensverhältnisses ist der Türöffner zu den wirklichen Herausforderungen des Kunden. Hierzu gehört ehrliches Interesse für die Menschen und deren Situation.

Wer richtig fragt, der findet auch den Schlüssel zum Öffnen der Beziehungstür. Nur über Fragen kommen Sie an die Informationen, die Sie brauchen. Oft sind die Gesprächspartner froh, wenn das Gespräch durch Fragen strukturiert ist, was nicht zuletzt auch Zeit spart.

Kaufentscheidend ist oft nicht der Preis, sondern die Fähigkeit einen echten Mehrwert, also die passende Lösung, zu bieten.

Jedes Produkt und jede Leistung verfügt über gewisse Eigenschaften. Sie zählen für den Kunden aber nur, wenn er den Nutzen versteht. Hierzu gehört auch der gefühlte Nutzen.

Unser Gehirn mag es einfach und individuell. Bei Überforderung und wenn die relevanten Bedürfnisse/Motive nicht angesprochen werden, kauft es nicht!

INFO

Beispiel Wohnungslüftung

Der technische Leiter eines Wohnungsunternehmens wird wiederholt mit Schimmelbildung in Wohnungen konfrontiert. Dieser Umstand kostet das Unternehmen Geld, verärgert die Mieter und kann zu einem enormen Imageverlust führen. Er weiß, dass die Lösung in einer mechanischen Lüftungsanlage zu finden ist. Sein Vorstand jedoch lehnt diese Investitionen ab. Welches Problem ist für ihn das Entscheidende?

Die Leistungsdaten eines Gerätes?

Die Wirtschaftlichkeit eines Gerätes?

Die Wirksamkeit der eingebauten ­Filter?

Die Lautstärke des Gerätes?

Die Steuerung und Regelung des Gerätes?

Der Einbau in der bewohnten ­Wohnung?

Die Lieferfähigkeit des Herstellers/Händlers?

Die Planung einer solchen Anlage?

Der Handwerker, der die Anlage ­einbauen soll?

Die zu erwartenden Wartungs­kosten?

Die richtigen Argumente, um den Vorstand von der Investition zu ­überzeugen?

Gewinner, also Verkäufer, wird in diesem Fall der sein, der die stichhaltigen Argumente für die Investition liefert. Dabei löst er noch andere Probleme des technischen Leiters, nämlich:

Der technische Leiter steht im Kreuzfeuer der Mieterkritik. Das kostet ihn Nerven.

Diese Beanstandungen sind eine zusätzliche Belastung und kosten Zeit. Diese fehlt ihm im Tagesgeschäft.

Die zwangsläufigen Diskussionen mit dem Vorstand sorgen für Konflikt­potenzial und kosten ihn viel Energie.

Im schlimmsten Fall könnte beim Vorstand der Eindruck entstehen, er beherrsche seinen Job nicht.

Die technischen Probleme kann der technische Leiter mit jedem Anbieter diskutieren. Sein persönliches jedoch wird er nur demjenigen mitteilen, dem er vertraut. Der Berater bzw. Verkäufer wird in diesem Moment zum Partner. Ein hohes Maß an Kompetenz, gute Produkte und marktgerechte Preise sind dabei Grundvoraussetzung, sie sind selbstverständlich.

Buchtipp

Mach Deinen Markt

Der in 2. Auflage erscheinende Praxisratgeber „Mach Deinen Markt! – Handwerkerleistungen besser verkaufen“ von den Autoren Burga Warrings und Uwe Engelhardt will zeigen, wie Sie sich vom Wettbewerb differenzieren und einen Logenplatz im Kundenkopf besetzen. Zudem erhalten Sie Tipps wie Sie sich selbst und Ihr Unternehmen einfach besser verkaufen.

Burga Warrings und Uwe Engelhardt, 168 Seiten, ISBN 978-3-7783-0662-8, Holzmann Verlag, 34,90 Euro

Autor

Uwe Engelhardt berät Handwerk, Handel und Hersteller im Vertrieb von beratungsintensiven Produkten. 86899 Landsberg am Lech, Telefon (0 81 91) 98 52 16, info@warrings-engelhardt.de, http://www.warrings-engelhardt.de