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Verwendungsnachweis genau prüfen

Fragwürdige Sicherheit

Die technische Beurteilung ist beim vorbeugenden Brandschutz oftmals durch wirtschaftliche Erwägungen geprägt. Die Auswirkungen, die diese Erwägungen auf unsere Sicherheit haben können, werden oftmals verdrängt und dann als Restrisiko in Kauf genommen. Vergessen wird dabei, dass ein Restrisiko nichts weiter als ein kalkulierbares Ereignis ist und durchaus betrachtet werden kann und muss. Mit dem Hinweis auf ein Restrisiko wird oftmals der fehlenden Kenntnis für die Beurteilung und dem Kostendruck Tribut gezollt. Letztlich steht das Thema Sicherheit auf dem Prüfstand und das geht uns alle etwas an. Ist ein Risiko vorhanden und werden dadurch Menschenleben gefährdet, kann das nicht lapidar als unvermeidliches, aber akzeptables Übel abgetan werden.

Gleichermaßen kann nicht hingenommen werden, dass in Bauwerke Sicherheit hineinzertifiziert wird. Schon die bloße Sammlung von Verwendungsnachweisen reicht oftmals für die Abnahme eines Bauwerks aus. Das ist traurige Realität. Brandschutz wird immer mehr in Regeln verkompliziert und ist immer weniger für die Realität ausgelegt. Die Folge ist oft das sture Einhalten von Regeln. Ob sinnvoll oder nicht, wird nicht hinterfragt. Statt Rohrabstände millimetergenau zu bestimmen und nachzuprüfen, sollten sich die zuständigen Fachleute mit der Leitungsanlage schlechthin befassen. Betrachten wir den Bereich Brandschutz in SHK-Anlagen. Um die Sachlage verständlich zu machen, beschränken wir uns auf den Bereich Entwässerungsleitungen. Für den Betrachter ist das von Vorteil, weil hier eine (vermeintlich) einfache Leitungsanlage vorliegt.

Anlagenspezifische Bedingungen berücksichtigen

Der Brandschutz und die dafür immer wieder zitierten Schutzziele werden vornehmlich aus Sicht der Bauingenieure betrachtet. Die Brandschutz-Abschottung hat gemäß Musterbauordnung (MBO) in dem Bauteil zu erfolgen, welches von der Leitung durchdrungen wird, also der Wand oder Decke. Zur Bewertung werden Prüfungen durchgeführt, aus denen bei Einhaltung bestimmter Kriterien wie Rauch oder Temperatur diese Durchdringung mit einem Verwendungsnachweis bestätigt wird. Die meisten anlagenspezifischen Bedingungen werden nicht berücksichtigt. Das ist auch verständlich, da gleiche Prüfbedingungen in unterschiedlichen Prüf­öfen zu gleichen, reproduzierbaren Ergebnissen führen müssen. Daher sind in dem Verwendungsnachweis die Rahmenbedingungen für die Verwendung festgelegt und damit auch die Anwendungen eingeschränkt oder weiterer Beurteilung unterworfen.

Ergebnis ist eine letztlich nur zertifizierte Sicherheit, aber keine für alles und jeden Fall. Für den Planer und Ausführenden kann das jedoch gefährlich werden, wobei für den Nutzer die größere Gefährdung für das Leben besteht. Die allgemeinen Schutzziele können sehr schnell auch unter Einhaltung der für den Brandschutz spezifischen Schutzziele verletzt werden. Nachfolgendes Beispiel soll das verdeutlichen, wobei der grundsätzliche Aufbau und die Wirkungsweise einer Abwasseranlage einfach zu sein scheint.

Grundsätzliche Aufgabe von ­Entwässerungsleitungen

Eine Entwässerungsanlage (Bild 1) soll das von den Einrichtungsgegenständen kommende Wasser ableiten. Dabei durchdringen die Leitungen raumabschließende Bauteile wie Wände und Decken. Ein Entwässerungssystem wird auch als „offenes System“ bezeichnet, da die Steigleitungen, also die vertikalen Hauptleitungen, offen über das Dach geführt werden. So wird der Straßenkanal be- und entlüftet und in der Leitungsanlage werden die unzulässigen Unter- und Überdrücke vermieden. Die Ableitung von Wasser ist also nur ein Aufgabenanteil. Für den Betrachter stellt sich die Entwässerungsanlage als scheinbar einfache Anlagentechnik dar.

Die Bezeichnung „offenes System“ ist hierfür nicht zutreffend und unsinnig, da die einzige Öffnung außerhalb des Rohrsystems die Lüftungsleitung darstellt und dabei die vielschichtigen Einflüsse und Anlagenvarianten nicht einbezogen werden. Besonders hinsichtlich der Europäischen Verwendungsnachweise ist diese Form der Einordnung widersinnig, da nicht alle im Regelbereich der europäischen Verwendungsnachweise befindlichen Anlagen auch mit Lüftungsleitungen gebaut werden müssen. Selbst im nationalen Verwendungsbereich sind Lüftungsleitungen nicht bei allen Strängen notwendig.

Die Durchdringungen von Decken und Wänden werden nach bestimmten Regeln geprüft. Diese Regeln stellen nicht die Anforderungen an die Anlage dar, sondern fokussieren auf die Bauteilabschottung, also den Verschluss der Wand oder Decke im Brandfall. Unterschiede werden gemacht in den verwendeten Rohrmaterialien. In neuerer Zeit werden der Prüfausführung sogenannte Worst-case-Szenarien zugrunde gelegt. Die Resultate sind wenig nachvollziehbar. Die Einflüsse, die von der Anlage kommen und für den Brandschutz bedeutend sind, müssen naturgemäß für jede Anlage unterschiedlich bewertet werden.

Eine vollständige Darstellung möglicher Szenarien in diesem Bericht würde den Rahmen sprengen, daher wird anhand eines Beispiels ein Einfluss auf die Anlage dargestellt. Obwohl ein gültiger Verwendungsnachweis vorliegt, kann eine Abschottung wirkungslos sein. Ohne das Verständnis für die Anlage und deren Aufgabe und Wirkungsweise ist ein vorbeugender baulicher Brandschutz nicht möglich.

Fettabscheider in Entwässerungsanlagen

Fettabscheider sind zwingend dann vorgeschrieben, wenn fetthaltiges Abwasser anfällt. So sind z.B. Restaurants, Kantinen oder fettverarbeitende Betriebe verpflichtet, das belastete Abwasser durch den Fettabscheider zu führen, damit Fette vom Abwasser getrennt und entsorgt werden können. Die Zündtemperatur von Fett beträgt ca. 300°C. Fette verflüssigen sich bei höheren Temperaturen, dagegen lagern sich Fette durch Abkühlungsprozesse schnell in fester Form an den Rohrwandungen ab. Die Leitungen zum Fettabscheider, sowohl die wasserführenden als auch die Lüftungsleitungen, haben dadurch an den Innenwänden meist eine fest anhaftende Schicht aus Fett, die mehr oder minder stark ausgeprägt ist. Werden die Leitungen zum Fettabscheider nicht richtig be- und entlüftet, ist ein Funktionieren nicht mehr gewährleistet (Bild 2). Eine unbelüftete Leitungslänge bis 10m ist zwar zulässig (DIN 1986), zu empfehlen sind aber kürzere unbelüftete Leitungslängen.

Die Frage stellt sich, wie an solchen Leitungen die Abschottung vorzunehmen ist, wenn raumabschließende Bauteile durchquert werden. Aus anderen Bereichen, wie Lüftungsleitungen, ist bekannt, dass an derartige Leitungen wegen des leicht entflammbaren Innenlebens höhere Anforderungen gestellt werden.

Konsequenzen für Planer und Anwender

Aus den Regelwerken, Kommentaren oder Fachbüchern ergibt sich kein Lösungsansatz. Diese Fälle sind offensichtlich im Brandschutz ausgeklammert. Im Verwendungsnachweis der Abschottungen wird sinngemäß darauf hingewiesen, dass der Einfluss des Fluides nicht Gegenstand des Verwendungsnachweises ist. Das ist auch durchaus richtig, da ja jede Anlage und Anwendung ein Unikat ist und sich jeder schematischen Einstufung entzieht. Für den Planer und Anwender kann der Verwendungsnachweis damit jedoch nicht ohne weitere Anwendungsbetrachtung als brandschutztechnischer Nachweis für die Abnahme des Gebäudes für derartige Leitungen verwendet werden.

Was ist zu berücksichtigen?

Die Leitungen zum Fettabscheider – sowie die Lüftungsleitungen – sind besonders zu beachten. Eine offene Fragestellung sind die Leitungen, die aus dem Fettabscheider führen. Das Funktionieren eines Fettabscheiders hängt von den Wartungs- und Reinigungsarbeiten ab, die aber oft von der Betreiberwillkür gesteuert sind. Wird der Fettabscheider nicht pflichtgemäß gewartet, sind die abgehenden Leitungen unter Umständen ebenfalls von Fettablagerungen betroffen. Für den Brandschutz ist die Einhaltung der Schutzziele maßgebend. Daher sollte dieser Tatsache Rechnung getragen werden und die abgehenden Leitungen sollten, zumindest bis zu den stärker durchströmten Leitungen, genauso behandelt werden wie die anströmenden Leitungen. Wie ist also aus Sicht des vorbeugenden bauaufsichtlichen Brandschutzes bei ­Abschottungen derartiger Leitungen zu verfahren?

Brennbare Rohre für die Haus­installation

Die Funktion einer beispielhaften Abschottung für brennbare Rohre für die Hausentwässerung ergibt sich aus Bild 3. Dabei wird im Brandfall das Rohrmaterial durch die Temperatur wegschmelzen und durch das in der Rohrmanschette befindliche intumeszierende Material ein Verschluss in der Decke gebildet. Bei Fettablagerungen in der Leitung ist dieser Mechanismus mehr als fraglich. Schon das Fett im Verschluss führt zu hohen Brandlasten, was die Wirkungsweise behindert. Aber auch unter der Annahme, dass ein Verschluss hergestellt werden kann, muss angenommen werden, dass das oberhalb angesammelte Fett schmelzen und sich verflüssigen wird und damit als leicht entflammbare Flüssigkeit in den Verschluss eindringt. Ein Verschluss der Decke ist damit nicht mehr ­gewährleistet (Bild 4).

Obwohl ein Verwendungsnachweis für die Abschottung dieser Leitung (Material, Dimension) vorliegt, ist dieser aufgrund der Rahmenbedingungen für den Anwendungsfall nicht zulässig. Abhilfe ist über bauliche Maßnahmen zu schaffen, z.B. in Form eines Schachtes. Analog den Lüftungsleitungen sollte der Schacht keine weiteren brennbaren Leitungen aufweisen. Für Wanddurchführungen gilt Gleiches.

Nichtbrennbare Rohre für die Hausinstallation

Die Funktion einer Abschottung als Ummantelung ist in Bild 5 erkennbar. Das Rohr wird dabei nicht zusammengedrückt oder ausgefüllt, sondern verbleibt im Brandfall in seiner Position. Besteht die Brandschutzlösung in Form einer Ummantelung im Deckendurchbruch, so könnte schlimmstenfalls im Brandfall das in der Leitung befindliche Fett entzündet werden, sofern genügend Sauerstoff dafür vorhanden wäre. Eine Schachtlösung erscheint durch das in sich schon als Schacht zu sehende Leitungsteil nicht notwendig. Eine ausreichende brandsichere Befestigung sowie ein erhöhter Abstand, z.B. von 100mm bis 200mm, oder ein Trennsteg zu brennbaren Baustoffen ist als ausreichend zu bewerten.

Fazit

Obwohl ein Verwendungsnachweis für eine Rohrart vorliegt, ist dieser für die Rohrverwendung und die Anforderungen nicht immer zulässig. Die Rahmenbedingungen des Verwendungsnachweises sind zu berücksichtigen. Das muss der Fachplaner individuell entscheiden und begründen. Der einfache Hinweis auf ein Zertifikat ist nicht ausreichend. Eine Abschottung muss funktionieren, sonst ist der Brandschutz unnütz. Das Sammeln von Verwendungsnachweisen auf der Baustelle, ohne den Sinn und Zweck zu hinterfragen, stellt keine Dokumentation für eine abnahmefähige Baustelle dar. Damit wird, realistisch betrachtet, eindeutig ein Planungs- und Ausführungsfehler gemacht.

Lesen Sie auch hierzu das nachstehende Interview.

Autor

Dipl-Ing. Gerhard Lorbeer ist tätig in der Versorgungstechnik als Fachautor, Sachverständiger und Referent für Fachseminare. Daneben ist er Mitglied in Normenausschüssen. Glaurus@email.de

Mehr als Regelwerk und Zertifikate

Brandschutz bei Entwässerungsleitungen

Deutschland ist für seinen umfassenden Brandschutz bekannt. Die Regelwerke für den vorbeugenden baulichen Brandschutz sind umfangreich und Bücher darüber füllen ganze Regale. Wenn es aber um praktische Anwendungsfälle geht, sind Lücken zu verzeichnen. Die SBZ wollte von Karl Heinz Brandenburg wissen, wie er diese Situation einschätzt und wie es um die Kenntnisse von Fachplanern und Fachhandwerk beim Thema Brandschutz bei Entwässerungsanlagen steht.

SBZ: Herr Brandenburg, wird der vorbeugende Brandschutz bei einer Entwässerungsanlage eher als ein notwendiges Übel betrachtet oder ist das ein fester Bestandteil der Planung und Ausführung?

Brandenburg: Die Entwässerungsanlage wird generell unterschätzt. Daher werden auch sehr häufig Fehler eingebaut, die aber vom Nutzer meist nicht direkt bemerkt werden. Ähnlich verhält es sich beim Brandschutz. Ist ein Gutachter eingeschaltet, hat das natürlich mehr Nachdruck. Trotzdem werden auch dann noch Fehler gemacht, wenn der Gutachter nicht aus dem Fach kommt. Wie am Beispiel fetthaltiger Leitungen zu sehen ist, sind fachspezifische Kenntnisse nötig, wenn es um die Auswahl geeigneter Abschottungen geht. Zum größten Teil ist der Stellenwert des Brandschutzes den Baubeteiligten bewusst. In der Ausführung hapert es aber manchmal.

SBZ: Wurden Sie in Vorträgen oder Seminaren schon einmal auf die Thematik Abschottungsmaßnahmen für fetthaltige Entwässerungsleitungen angesprochen?

Brandenburg: Die Frage hat sich mir noch nicht gestellt. Aber wenn man einen Verwendungsnachweis liest, stellt man fest, dass dieser Einsatzzweck nicht abgedeckt wird.

SBZ: Wie ist es aus Ihrer Sicht zu erklären, dass, obwohl Tausende Fettabscheider eingebaut sind, in keinem Regelwerk oder in Anleitungen und Einbauhinweisen auf diese spezielle Situation eingegangen wird?

Brandenburg: Dafür sieht sich keiner zuständig und der Planer und Installateur muss das dann ausbaden. Der Planer erhält einen Verwendungsnachweis und muss dann sehen, wie er selber zurechtkommt, oder er kann sich das aus einer Matrixanleitung herausnehmen. Wir kennen ja die einfachen Anleitungen, die dem Planer über Internet angeboten werden. Gefragt wird nach Dimension, Art und Material der Leitung und nach dem Bauteil (Wand, Decke), und schon steht die Artikelnummer da für die Ausschreibung. Dass es so nicht immer funktionieren kann, zeigt das Beispiel fetthaltiger Abwässer.

SBZ: Ist das tatsächlich ein Thema, das behandelt werden muss? Oder gibt es aus ­Ihrer Sicht weitere offene Fragen in diesem Bereich?

Brandenburg: Das grundsätzliche Thema wurde schon angesprochen. Der Brandschutz bei einer haustechnischen Anlage ist so vielfältig und umfangreich, dass es unumgänglich ist, ihn auf die jeweilige Anlage abzustimmen. Selbst innerhalb einer Anlage muss (siehe Beispiel fetthaltige Leitung) die Abstimmung von Abschottungsmaßnahmen und Leitungsteil vorgenommen werden. Das bloße Sammeln von Zertifikaten auf der Baustelle ist nicht zielführend für einen sicheren Brandschutz.

SBZ: Wie kann insgesamt das Thema Brandschutz besser kommuniziert werden? In der Ausbildung, durch die Industrie oder gar spezielle Kurse? Oder sind Fachplaner und Fachhandwerker schon genügend sensibilisiert und informiert?

Brandenburg: Vortragsveranstaltungen werden oft nicht besucht, weil vermeintlich alles bekannt ist. Dabei sehe ich jeden Tag Unzulänglichkeiten, die auf Unkenntnis basieren. Werbeorientierte Industriedarbietungen haben ja in der Vergangenheit teilweise schon zur Verunsicherung geführt, weil man sich mehr mit Wettbewerbsprodukten beschäftigt hat als mit den eigenen Lösungen. Eine gewisse Versachlichung ist immer hilfreich. Es gibt immerhin ­seriöse Hersteller, die aber fast im Verborgenen arbeiten. Das ist der Preis für die werbemäßige Zurückhaltung. Die Kommunikationsquellen sind eigentlich da, die Nutzung erweist sich nur manchmal schwierig. Brandschutz bedeutet tatsächlich nicht nur Regelwerk und Zertifikate, sondern auch Fachwissen.

SBZ: Herr Brandenburg, vielen Dank für das Gespräch.