Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Interview

Wie wäre es mit: lebenslaufbeständig?

SBZ: Barrierefreies Bad, Mehrgenerationenbad, Komfortbad, Pflegebad – alle Begriffe umschreiben ein ganz wichtiges Tätigkeitsfeld für das SHK-Handwerk. Warum finden Sie, das Thema sei trotz all dieser Begrifflichkeiten nicht hinreichend erfasst?

Michael Schlenke: In der Suche nach einem passenden Begriff liegt eine der großen Herausforderungen für die Branche. Eins steht fest, das Bad ist ein zentraler – wenn nicht der zentralste – Lebensraum im unmittelbaren Wohnumfeld des Menschen. Um nun das Bad für eine möglichst breite Nutzergruppe attraktiv zu gestalten, haben wir vorrangig die Ansprüche der immer älter werdenden Kunden in den Fokus genommen. Dabei sind dann diese Begriffe und gleichzeitig recht gruselige und stigmatisierende Badlösungen entstanden.

SBZ: Was wäre denn eine treffendere Bezeichnung?

Schlenke: Wenn es mir gelingen würde, den passenden Begriff zu finden, dann wäre mir ein Platz in der Hall of Fame des Marketings sicher. Seit Jahren schon experimentieren wir da ohne rechten Erfolg rum. Da ich häufig im europäischen Ausland unterwegs bin und insbesondere die Sanitärszene sehr aufmerksam beobachte und mitgestalte, bin ich in der niederländischen Sprache fündig geworden. Dort verwendet man den Begriff „lebenslaufbeständiges Bad“.

SBZ: Warum passt „lebenslaufbeständiges Bad“ besser?

Schlenke: Ganz einfach. Mit dieser Umschreibung wird niemand ausgegrenzt und der gesamte Lebenszyklus sowohl des Nutzers wie auch seiner Wohnumgebung wird betrachtet. Das setzt natürlich voraus, dass man genau hinschaut und sich nicht nur einen Aspekt der Nutzung herauspickt. Denn in dem Moment, wo wir vorrangig altersbedingte Szenarien entwickeln, sind Produktauswahl, Design und die sich daraus ableitenden Gestaltungsmöglichkeiten recht eingeschränkt. Es geht darum, ein möglichst breites Spektrum an Anwendern zu erreichen. Am besten gelingt das übrigens, wenn man sich mit den Gestaltungsprinzipien des Universal Design auseinandersetzt.

SBZ: Wie hoch schätzen Sie den Modernisierungsbedarf an Bädern in Deutschland ein?

Schlenke: Es kommt immer darauf an, wen Sie das fragen. Wir beobachten da eine Vielzahl von Interessenslagen vonseiten des Handwerks, der Industrie und der Architekten. Und natürlich vertreten die Wohnungswirtschaft und die Betreiber von Pflege- und Gesundheitsimmobilien auch ihre Standpunkte. Fakt ist, dass gut 70 % der Bestandsimmobilien aus den 1970er-Jahren stammen. Im Zuge einer internen Studie der Technischen Universität, der Sanitärindustrie und eines Architekturbüros haben wir festgestellt, dass ein Großteil der Bäder nur rund 5 m2 groß sind, meist über einen schlauchartigen Grundriss verfügen und kaum ein Fenster haben. Wenn wir nur den reinen Sanierungsbedarf in Bestandsimmobilien nehmen, dann müssten wir in den nächsten 15 bis 20 Jahren jährlich circa 200 000 Bäder sanieren. Dann würden wir so langsam, aber sicher die notwendige Lebenslaufbeständigkeit im Segment der Bäder erreichen. 2016 haben wir rund 200 000 neue Wohneinheiten erstellt, von denen vielleicht 2 % „barrierefrei“ gestaltet worden sind. Es gibt also noch mehr als genug zu tun.

SBZ: Was bedeutet das für die Beratung der Verbraucher bzw. Endkunden?

Schlenke: Architekten, Großhandel und ausführende Handwerksunternehmen – und da meine ich nicht nur das Sanitärhandwerk – sehen sich einem anspruchsvoller gewordenen Kunden gegenüber. Es geht ja nicht nur um die Lebenslaufbeständigkeit der Bäder, sondern auch zunehmend um den Wachstumsmarkt Smarthome. Wir können davon ausgehen, dass der Kunde einen hohen Anspruch an die Gestaltung seines neuen Bades hat und sich auch seinerseits gut auf das Beratungsgespräch vorbereiten wird. Idealerweise trifft er auf einen Berater, der nicht nur die notwendige Fachkompetenz hat, sondern sich auch gut in die Bedürfnislage des Kunden hineinversetzen kann und wirklich zuhört. Der Industrie fällt hier die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Fachberater – im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise – auszubilden. Und damit meine ich nicht nur die reinen Produktmerkmale. Aus meiner eigenen Erfahrung als Fachreferent für die Industrie kann ich immer wieder feststellen, dass gerade der Sanitärgroßhandel dankbar ist für den Blick über den Tellerrand.

SBZ: Welche Auswirkungen sind damit bei der Planung und Umsetzung eines Badprojektes verbunden?

Schlenke: Auf Planer und ausführende Handwerker kommen große Herausforderungen zu. Sie müssen sich nicht nur wesentlich intensiver mit den Ansprüchen der älter werdenden Bevölkerung an ein lebenslaufbeständiges Bad auseinandersetzen. Sie werden ebenfalls konfrontiert mit den Folgen des Vertriebsweges Internet. Preise werden transparenter, Produktinformationen sind leichter abrufbar und mancher Kunde wird einen tieferen Einblick in die Kalkulation einfordern. Wenn dann der Lebensraum Bad auch noch mit Smarthome-Anwendungen ausgestattet werden soll, werden Planungs- und Ausführungsleistungen sich universeller gestalten. Ich halte das für eine riesengroße Chance für die Branche.

SBZ: Richtet man den Blick aufs große Ganze, kommt dem SHK-Handwerk dadurch ja eine tragende gesellschaftspolitische Rolle zu: Menschen jeden Alters ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen – in einem Umfeld, in dem professionell umsetzbare Unterstützung bei körperlicher Beeinträchtigung möglich ist, z. B. durch Pflegekräfte. Wann wäre denn mit den ersten Dankesschreiben vonseiten der Kranken- und Pflegekassen an die Branche zu rechnen?

Schlenke: Nach meiner Einschätzung können wir da noch etwas länger drauf warten. Grundsätzlich sind die Kranken- und Pflegekassen gesprächsbereit. Das weiß ich aus vielen Expertenrunden. Es ist jedoch momentan zu viel verlangt, wenn man vonseiten des SHK-Handwerks zu große Erwartungen an die Leistungserbringer knüpft. Für erfolgsversprechender würde ich es halten, wenn die Politik sich dieses Themenfeldes etwas intensiver annehmen würde. Auch wenn staatliche Subventionsprogramme meistens nur eine Strohfeuerwirkung haben, könnten sinnvolle finanzielle Impulse für eine Belebung des Marktes sorgen.

SBZ: Wie sollte Ihrer Meinung nach die SHK-Branche das Thema „lebenslaufbeständiges Bad“ aufsetzen, um eine möglichst hohe Aufmerksamkeit bei Verbrauchern und den politischen Entscheidungsträgern zu erzielen? Und zwar dauerhaft?

Schlenke: Wir stehen ja jetzt vor einer neuen Legislaturperiode, da steigt die Hoffnung auf frischen Wind und auf neue Impulse aus Berlin. Als Marketingexperte weiß ich, dass eine wirkungsvolle Kommunikationsstrategie zu gut 50 % für den Erfolg einer Produkteinführung verantwortlich ist. Industrie und SHK-Handwerk haben bereits gute Arbeit geleistet, es gibt ja eine Menge an überzeugenden Lösungen. Wenn die verschiedenen Ministerien – Bau- und Gesundheitsministerium – sich zu einer Zusammenarbeit entschließen könnten und gemeinsam mit der SHK-Branche eine Kampagne für lebenslaufbeständige Bäder ins Leben rufen würde, dann sehe ich Licht am Ende des Tunnels.

Tags