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Viele Häuptlinge, wenig Indianer

Jäger: Schon gehört? Der Landtag in Niedersachsen hat beschlossen, dass angehende Meister und Techniker, künftige Fachwirte und Berufspädagogen im Land keine Lehrgangs- und Prüfungsgebühren mehr bezahlen müssen. Die Entscheidung hebt den Stellenwert des Handwerks, berufliche Fortbildung und Studium werden gleichgestellt. Zumindest, was die finanziellen Hürden angeht. Barrierefreie Aufstiegschancen – das wäre doch bundesweit traumhaft, oder?

von Oelhafen: Träum weiter. Nur auf den ersten Blick sieht das gut aus: freier Bildungszugang für alle. Aber ich rechne mit großen Problemen bei der Umsetzung, etwa bei der Finanzierung der Bildungseinrichtungen. Außerdem könnte das zu weiteren Personal-Engpässen führen. Dann haben wir plötzlich zu viele Häuptlinge im SHK-Stamm und zu wenig Indianer.

Jäger: Ist so viel Schwarzmalerei ernsthaft angebracht?

von Oelhafen: Und ob. Irgendwer muss ja für die Kosten der Weiterbildungen aufkommen. Wer die künftig trägt, ist auch in Niedersachsen noch nicht geklärt. Aber nicht nur das. Bildungseinrichtungen werden doch komplett überlaufen, wenn da bei passender beruflicher Qualifikation jeder hingehen darf. Die Verlockung ist doch viel zu groß. Die Meisterschule Nürnberg z. B. nimmt heute schon nur noch Anmeldungen für den Lehrgang zum SHK-Meister ab dem Kurs 2020/21 entgegen. Das wird noch mehr.

Jäger: Du meinst also, die Leute fehlen dann für die einfachen Aufgaben in der Praxis. Aber es ist doch gut, wenn wir mehr hochqualifiziertes Personal im Handwerk haben. Das stärkt die Branche. Das Berufsbild gewinnt dazu an Reiz für den Nachwuchs, wenn der die Entwicklungsmöglichkeiten erkennt.

von Oelhafen: Aber ob jeder für höhere Aufgaben geeignet ist, wage ich zu bezweifeln. Ich mahne davor, dass wir eine ähnliche Richtung einschlagen wie bei der akademischen Ausbildung, Stichwort Studienabbrecher. Viele wollen irgendwas studieren und werfen gleich wieder hin oder schaffen Prüfungen nicht. Solange die Weiterbildung zum Meister und Techniker etwas kostet, überlegt sich jeder zweimal, ob er sie antritt und ob er sie schaffen kann.

Jäger: In dem Punkt stimme ich mit dir überein. Die Motivation dürfte größer sein, wenn die eigene Kohle mit drinhängt. Und trotzdem: Die Branche braucht mehr höher Qualifizierte, der Alleingang in Niedersachsen ist richtig. Schade, wäre auch ein tolles Thema für den Bundestagswahlkampf gewesen.

von Oelhafen: Ob unser Beruf dadurch wirklich attraktiver wird? Bisher ist es ja eher so, dass sich der Meister finanziell vor allem dann lohnt, wenn sich jemand selbstständig machen will bzw. einen Betrieb übernimmt. Aber das Gehaltsgefälle vom Handwerker zum Studierten bleibt trotzdem bestehen. Der Lohn ist meiner Meinung nach für Meister in der Regel eh schon zu gering. Dieses Problem dürfte sich durch die erwartete Meisterschwemme noch verschärfen. Deshalb sage ich: Es ist zwar gut, wenn sich jeder Weiterbildung leisten kann. Aber es ist nicht gut, wenn es jeder macht.

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