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Interview

Es muss nicht immer Standard sein

SBZ: Mit welcher Art Auftrag haben Sie aus Kundensicht im Bad häufiger zu tun, mit geplanten oder ungeplanten Barrierefrei-Modernisierungen?

Eberhard Bürgel: Ich schätze 55 bis 60 % unserer Aufträge sind kundenseitig ungeplant. Notfallbäder heißt das bei uns. Es handelt sich um eine ganz typische Situation: Da kommt jemand in unsere Ausstellung und sagt, seine Frau / ihr Mann sei verunglückt, nach Krankenhaus und Reha benötige man zuhause ein barrierefreies Bad. Das ist eigentlich der klassische Fall: Ungeplant, dafür umso dringender.

SBZ: Da stehen Sie als Fachunternehmer schon unter Zeitdruck. Wie gehen Sie damit um?

Eberhard Bürgel: Wir pflegen eine enge Kooperation mit sogenannten Teamhandwerkern. Das sind Partnerfirmen, mit denen wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten, etwa im Bereich Fliesen, Tischler oder Maler. Als eingespieltes Team können wir die kurzfristigen Termine verlässlich für unsere Kunden angehen. Wir kalkulieren zum Beispiel nach dem Aufmaß die Gesamtkosten schnell über alle Gewerke hinweg, weil der Bauherr rasch entscheiden muss.

SBZ: Wie viel Tage nimmt die Abwicklung letztlich in Anspruch?

Eberhard Bürgel: Wir versuchen zwar, unsere Abläufe ständig zu optimieren. Aber eine Umbauzeit von zehn bis vierzehn Tagen ist kaum noch zu unterschreiten.

SBZ: Mehr Geduld benötigen Ihre Kunden, wenn Zuschüsse beantragt werden.

Eberhard Bürgel: Ja, da ist Ausdauer gefragt. Aber um den Prozess zu beschleunigen, steht der Zentralverband SHK mittlerweile in engem Austausch mit der KfW-Bank und dem Gesundheitsministerium. Es wird darüber nachgedacht, für diese Notfälle eine schnelle Lösung anzubieten. Schließlich sind die Personen, die unvermittelt in eine solch missliche Lage geraten, benachteiligt gegenüber den Leuten, die unter normalen Umständen frühzeitig ihre Anträge stellen können. Fördergelder müssen ja vor Baubeginn beantragt werden, aber nicht jeder hat die Zeit, auf den Umbau zu warten. Also müssen die Notfall-Kunden die Kosten in der Regel komplett selbst tragen.

SBZ: Können Sie in diesen Situationen über ein Minimum an Standardfunktionen hinaus noch Design oder gar Produkte mit Mehrwert verkaufen?

Eberhard Bürgel: In der Regel verhält es sich so, dass die Kunden mit einer Situation konfrontiert sind, mit der sie nicht gerechnet haben. Natürlich auch nicht auf der finanziellen Seite.

SBZ: Wie gelingt trotzdem der Spagat, neben einer gewissen Funktionalität auch eine ansprechende Optik herzustellen?

Eberhard Bürgel: Das ist manchmal schwierig. Ich rate dazu, das Angebot trotz der angespannten Lage vielseitiger aufzubauen und die Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze darzustellen. Es muss nicht immer Standard sein. Der Kunde ist dankbar, wenn man ihm die entsprechenden Unterschiede preislicher und qualitativer Hinsicht aufzeigt.

SBZ: Empfiehlt sich mit Blick auf den Zeitdruck ein standardisiertes Vorgehen bei der Angebotserstellung?

Eberhard Bürgel: Jedes Bad ist individuell. So individuell wie die Menschen, die es kaufen möchten. Darauf müssen wir uns jedes Mal neu einstellen. Wir versuchen hin und wieder, auf Standardlösungen zu gehen, aber nicht alles ist umsetzbar. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, etwa die Bausubstanz des Gebäudes. Bei uns gibt es Kunden, die in stellenweise mehrere Jahrhunderte alten Häusern leben. Da können wir zum Beispiel nicht jeden x-beliebigen Haltegriff an die Wand schrauben. Wir müssen erst eine tragfähige Unterkonstruktion schaffen. Deshalb ist es manchmal schwierig, die Kosten exakt zu schätzen. Oft wissen wir gar nicht, wenn wir eine Wand aufmachen, was sich dahinter versteckt.

SBZ: Wie gehen Sie im Kundengespräch mit dem Thema versteckte Mehrkosten um?

Eberhard Bürgel: In dem wir ganz einfach darüber offen reden. Handelt es sich um ein entsprechend altes Gebäude, können wir die Kosten nur abschätzen. Im Grunde geht es doch um das Verhältnis zwischen Handwerker und Kunden. Das stärke ich in diesem Fall durch eine vertrauensvolle Beratung.

SBZ: Handelt es sich nicht um ein Notfallbad, sprechen Sie von einer normalen Modernisierung. Da können Sie zwar mit weniger Termindruck ans Werk gehen, aber fällt es auch leichter, dem Verbraucher eine weitgehend barrierefreie Badgestaltung schmackhaft zu machen?

Eberhard Bürgel: Das ist gar nicht so schwierig. Ich empfehle immer, den Interessenten einfach den Komfortgedanken näher zu bringen. Eine bodenebene Dusche kann doch schon für 35 oder 45 Jahre alte Kunden interessant sein. Da greifen manchmal leicht verständliche Argumente wie: Sie haben vielleicht mal die Großeltern oder Schwiegereltern zu Besuch. Hinzu kommt, dass die jüngeren Altersgruppen bereits Erfahrungen mit Komfortbädern gesammelt haben, zum Beispiel in Hotels. Die sagen sich: Das ist gut und praktisch, das wäre was fürs Zuhause. Man muss es eben gezielt ansprechen.

SBZ: Welchen Begriff finden Sie in diesem Zusammenhang eigentlich passender: barrierefrei, seniorengerecht oder Komfortbad?

Eberhard Bürgel: Ich nenne es so: Das Komfortbad für Generationen. Die Bezeichnung vermittelt, dass das Bad sehr langlebig ist – und damit die Investition. Bei Barrierefreiheit gehen die Vorstellungen der Endkunden schnell in Richtung Altenheim oder Krankenhaus. Der Begriff wird deshalb oft falsch verstanden.

SBZ: Wenn Sie in einem normalen Projekt vorausschauend planen dürfen, was empfehlen Sie grundsätzlich?

Eberhard Bürgel: Ich rate unseren Kunden, die Voraussetzungen zu schaffen, um bestimmte Anwendungen problemlos nachrüsten zu können. Das schließt zum Beispiel eine verstärkte Unterkonstruktion mit ein, um später mit wenig Aufwand Haltegriffe für Waschtische und WCs montieren zu können. Zu dieser Art der Vorsorge zähle ich außerdem, entsprechende Leerrohre zu verlegen. Bei Bedarf können wir in der Zukunft Elektroleitungen nachziehen. Ich empfehle, von Beginn an die Kunden für dieses Thema zu sensibilisieren.

SBZ: Nennen Sie mal ein Beispiel.

Eberhard Bürgel: Mit Nachrüsten meine ich etwa technische Sensoren, wie Bewegungsmelder. Wenn jemand das Bad betritt, geht das Licht automatisch an. Oder noch besser, nur ein Teilbereich wird beleuchtet. Ich denke da an Personen, die nachts öfters zur Toilette gehen müssen. Die benötigen nachts kein Flutlicht im Bad. Es reicht eine ganz dezente Ausleuchtung, automatisch ausgelöst. Diese Funktionen können wir nachinstallieren – und zwar mit geringem Aufwand, wenn die entsprechende Basis vorhanden ist.

SBZ: Warum greifen Kunden nicht direkt auf die abgeschlossene Lösung zu?

Eberhard Bürgel: Wir sprechen das im Angebot an, klar. Aber Kunden reagieren da sehr unterschiedlich. Das liegt oftmals an einer leicht konservativen Einstellung. Manche finden, das sei überflüssiger Schnickschnack, den wollen sie im Bad nicht haben. Manchmal hängt die Abneigung zudem mit der Eitelkeit im Alter zusammen. „Mit 70 Jahren brauche ich das doch nicht“, heißt es dann. Aber spätestens, wenn der Notfall eintritt, sagen sie sich: „Hätte ich das mal gleich gemacht.“ Deshalb ist es unsere Aufgabe als Fachbetrieb, auf die vielfältigen Möglichkeiten der barrierefreien Badgestaltung frühzeitig hinzuweisen.

SBZ: Einen schwellenlosen Duschplatz lehnen ja mittlerweile die wenigsten Interessierten ab. Wenn, dann scheitert die Umsetzung am fehlenden Gefälle zur Entwässerung. Was bedeutet das für Sie im Kundengespräch und in der Ausführung?

Eberhard Bürgel: In der Regel stell sich ja erst bei der Demontage der vorhandenen Wanne heraus, wie hoch die Aufbauhöhe des Fußbodens wirklich ist und ob das Gefälle ausreichend ist. Die vorhandene Bausubstanz muss deshalb immer im Einzelfall geprüft werden. Selbst, wenn man Systeme mit einem verhältnismäßig geringen Bodenaufbau verwendet. Das wird vorher mit dem Kunden im Beratungsgespräch angesprochen.

SBZ: Die KfW-Bank legt die Barrierefreiheit wesentlich strenger aus als die entsprechende DIN-Vorschrift. Woran orientieren Sie sich denn?

Eberhard Bürgel: Zunächst orientieren wir uns an den Bedürfnissen unserer Kunden und ziehen die DIN- sowie die KfW-Vorschriften zu Rate. Dann legen wir mit dem Kunden gemeinsam fest, was in welcher Form realisiert werden soll. Dabei ist es dann wichtig, auch auf die KfW-Vorgaben einzugehen, damit der Kunde auch die finanzielle Unterstützung wahrnehmen kann, wenn er es denn möchte. Denn Raumangebot und Ästhetik können da durchaus Grenzen aufzeigen.

SBZ: Damit Ihre Kunden eine Förderung bekommen, sollten Sie schon gewisse KfW-Vorgaben einhalten.

Eberhard Bürgel: Diese Vorgaben müssen eingehalten werden, wenn die Fördermittel beantragt werden sollen. Dies ist bereits im Planungsstadium offen anzusprechen. Wenn es dann zu einer KfW-Variante beim Umbau kommt, übernehmen wir auch das Ausfüllen der Anträge und erläutern dem Kunden den genauen Werdegang – sei es als Darlehen oder in der Zuschussvariante.

SBZ: Herr Bürgel, vielen Dank für Ihre Zeit.

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