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Trinkwassersysteme im Überblick

Wem der Werkstoff schlägt

Zahlreich zu beachtende Richtlinien, Normen und Vorschriften, dazu der Wunsch der Kunden nach einer Anlage mit bestem Preis-Leistungsverhältnis. In diesem Spannungsfeld bewegt sich ein SHK-Fachhandwerksbetrieb, wenn er nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik eine Trinkwasserversorgungsanlage in einem Haus oder in einem Gebäude zu installieren hat. Dabei sind aktuell die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und die UBA-Positvliste besonders zu beachten. Und über allem schwebt, wie ein Damoklesschwert, das Frabo-Urteil über die Verlässlichkeit von DVGW-Zertifizierungen für Produkte im Trinkwasserbereich.

Dementsprechend kommt der Werkstoffauswahl für eine Trinkwasser-Installation eine besondere Bedeutung zu, damit die Qualität des Trinkwassers auf seinem Weg vom Wasserzähler bis zu den Verbrauchsstellen nicht nachteilig verändert wird und es unbedenklich als wichtigstes Lebensmittel zum Trinken, Kochen, Waschen und zur Körperhygiene verwendet werden kann. Für die Materialauswahl ist der Installateur verantwortlich. Seine werkvertragliche Pflicht ist es, eine den aktuellen Normen, Vorschriften und Vorgaben entsprechende Trinkwasseranlage herzustellen.

Zur Sicherung der Trinkwasserqualität

Gemäß TrinkwV muss Trinkwasser so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. Wasserversorger sind verantwortlich für die Qualität des Trinkwassers und untersuchen regelmäßig, ob die Grenzwerte eingehalten werden. Betreiber öffentlich genutzter Trinkwasserinstallationen müssen in der Regel alle drei Jahre durch zugelassene Labors nachweisen, dass es einwandfreies Trinkwasser ist, das dem System entnommen wird. Für privat genutzte Installationen kann das Gesundheitsamt Kontrollen anberaumen, wenn es hierfür einen Anlass gibt. Für die einwandfreie hygienische Qualität, die, neben vielen anderen Faktoren, auch vom Installationsmaterial abhängt, wird hier der Betreiber in die Pflicht genommen.

Mit der vom Umweltbundesamt (UBA) Ende 2012 als Empfehlung veröffentlichten „Liste der trinkwasserhygienisch geeigneten metallenen Werkstoffe“ greift ein weiterer Mosaikstein zur Sicherung der Trinkwasserqualität. Doch die aktuellen Diskussionen in der Fachwelt zeigen, dass es hinsichtlich der UBA-Positivliste noch viel Verwirrung gibt, weil genaue Informationen über deren Inhalt und rechtlichen Status, trotz vieler Veröffentlichungen, fehlen.

Neuer Grenzwert für Blei im Trinkwasser

Bereits 1988 legte die EU wesentliche, verschärfte Anforderungen an die hygienische Qualität von Trinkwasser fest, darunter fiel auch die Senkung der Grenzwerte der Blei­anteile im Trinkwasser. Seit 2001 sind diese erhöhten Anforderungen Bestandteil der ­TrinkwV. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2013 gelten nun europaweit neue Grenzwerte für die Bleiabgabe ins Trinkwasser. Als Grenzwert sind maximal 10 Mikrogramm pro Liter (0,010 mg/l) statt zuvor 25 Mikrogramm pro Liter (0,025 mg/l) zulässig. Gleichzeitig ist in den von den deutschen Wasserwerken gelieferten Trinkwässern ein Bleigehalt von 5 Mikrogramm pro Liter erlaubt.

Damit dürfen die in Trinkwasserversorgungsanlagen eingesetzten Werkstoffe und Legierungen noch maximal 5 Mikrogramm pro Liter Blei abgeben. Diese neuen Grenzwerte sind politisch gewollt, damit alle, noch in Betrieb befindlichen Anlagen mit Bleileitungen aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Grenzwert für Nickel, der bei 10 Mikrogramm pro Liter liegt.

Was ist die UBA-Positivliste?

Parallel hat das Umweltbundesamt zur Einhaltung der Vorgaben der TrinkwV, speziell deren § 17, in Zusammenarbeit mit anderen Ländern, die UBA-Positivliste entwickelt. Deren primäres Ziel ist nicht die Eliminierung von Blei aus der Trinkwasserversorgung, sondern eine Bewertungsgrundlage für metallene Materialien und Werkstoffe zu schaffen. Tatsächlich sind in der Liste sowohl bleifreie als auch bleihaltige Legierungen aufgeführt. Wichtig ist jedoch, wie viel von einem Element, im speziellen Fall eben Blei, ins Wasser gelangt. Die UBA-Liste dient also zur Begrenzung einer nachteiligen Beeinflussung des Trinkwassers, da es in Kontakt mit metallenen Werkstoffen negativ verändert werden kann. Die Grenzwerte für mikrobiologische (Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa) und chemische Parameter (Blei, Kupfer, Nickel, Chrom) sind genauso wie Grenzwerte für Indikatorparameter (Aluminium, Eisen, Chlorid sowie für Färbung und Geruch) in der TrinkwV aufgelistet und einzuhalten.

Welche Produkte beinhaltet die UBA-Positivliste?

Die UBA-Positivliste für metallene Werkstoffe wurde Ende 2012 als Empfehlung veröffentlicht. Tatsächlich soll sie im Laufe dieses Jahres als Bewertungsgrundlage des §17 der TrinkwV mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft treten, bevor sie rechtsverbindlich wird. In ihr werden diejenigen metallen Werkstoffe und Materialien (Legierungen) aufgeführt, für die eine trinkwasserhygienische Eignung, basierend auf Prüfungen – EN 15664 und DIN 50930-6 – nachgewiesen wurde. Unterteilt wird in die drei Einsatzbereiche (Produktgruppen):

  • Rohre
  • Armaturen, Rohrverbinder, Apparate und Pumpen
  • Komponenten in Pumpen, Apparaten und Armaturen, deren wasserberührte Fläche in der Summe nicht mehr als 10  % der gesamten Bauteilfläche ein­nehmen.

Die UBA-Positivliste dient also in erster Linie den Herstellern von trinkwasserberührten Produkten als Hilfestellung bei der Auswahl von hygienisch einwandfreien Werkstoffen. Andere Eigenschaften, wie Langzeitbeständigkeit, sind nicht Gegenstand dieser Liste. Vergleichbare Positivlisten werden derzeit auch für Kunststoffe, Elastomere (Dichtungen) und zementgebundene Werkstoffe vom UBA in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern weiterentwickelt.

Insgesamt enthält die Liste sieben Kategorien, in denen jeweils bestimmte Legierungsgruppen zusammengefasst sind. Die gelisteten Werkstoffe können unter Berücksichtigung der Einsatzbereiche für Produkte verwendet werden, ohne dass die Metallabgabe der Produkte untersucht werden muss. Dies ist möglich, weil die entsprechende Eignung schon nachgewiesen ist.

Die vom Umweltbundesamt festgelegten Bewertungsgrundlagen für Werkstoff- oder Materialgruppen gelten nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrer Veröffentlichung verbindlich. Anders ausgedrückt: Nicht gelistete Werkstoffe dürfen nach der tatsächlichen Veröffentlichung der UBA-Positivliste und der sich anschließenden zweijährigen Übergangsfrist – erst dann ist die Liste rechtsverbindlich – nicht mehr in häuslichen Trinkwasserversorgungsanlagen eingesetzt werden.

Sicher unter dem Grenzwert

Die UBA-Positivliste hat de facto noch keine rechtliche Bedeutung. Jedoch hat jeder SHK-Fachhandwerksbetrieb schon jetzt einige Punkte zu beachten, um juristisch auf der sicheren Seite zu sein. Grundsätzlich gilt: Der Fachhandwerker schuldet seinem Kunden eine Leistung, frei von Mängeln, also eine nach den anerkannten Regeln der Technik erstellte Trinkwasserversorgungsanlage. Hinsichtlich der UBA-Positvliste heißt es also: Aufgepasst! Wichtig ist zum Beispiel der Zeitpunkt der Abnahme. Sollte zu diesem Termin die UBA-Liste offiziell schon veröffentlicht sein, gilt zwar die Übergangsfrist, aber das bedeutet: Nicht gelistete Werkstoffe oder Werkstoffgruppen dürfen noch eingebaut werden, wenn sie nicht zur Überschreitung der Grenzwerte führen.

Diesen Nachweis hat eigentlich der SHK-Betrieb zu erbringen, was er aber nicht kann. Deshalb sollte er bei seinem Hersteller anfragen, ob seine Produkte gelistet sind oder einen Einzelnachweis einholen, dass von diesem, nicht gelisteten Produkt keine Überschreitung von Grenzwerten ausgehen kann. Aber absolut sicher geht der Betrieb, wenn er schon jetzt UBA-konforme Produkte einbaut. Eine Anfrage beim Hersteller oder Großhandel kann alle Zweifel beseitigen oder man nimmt in die Ausschreibung den Punkt „gemäß UBA-Positivliste geeignet für Trinkwasser-Installationen“ auf.

Auch eine DVGW-Zertifizierung vermittelt eine trügerische Sicherheit. Bei Ausstellung des Zertifikats könnten nicht auf der UBA-Liste enthaltene Produkte zum Umfang der Prüfung gehört haben. Damit würde der SHK-Betrieb zwar ein zertifiziertes Produkt einbauen, was aber – ohne schuldhaftes Verhalten des Betriebs – nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Ganz auf der sicheren Seite ist man mit dem Einsatz eines Produktes, für welches eine Haftungsübernahmevereinbarung zwischen dem ZVSHK und dem Hersteller besteht. Hier gilt: Der Hersteller verpflichtet sich damit, seine Produkte regelkonform an seine Kunden zu liefern. Macht er dies nicht, haftet er für alle daraus entstehenden Rechtsansprüche.

Ob Blei, Zink, Messing oder andere metallene Werkstoffe, treten sie in zu hoher Konzentration im Trinkwasser auf, verliert es seinen Status als genusstaugliches Lebensmittel. Nicht der TrinkwV entsprechendes Trinkwasser kann sogar zu Erkrankungen führen. Deshalb macht die UBA-Positivliste Sinn, wenn auch ihre Einführung noch etwas dauert. Tatsächlich wird der Einsatz von Bleileitungen und Bleiverbindern mit ihr nicht mehr möglich sein. Vielen alten Bleianlagen wird es an den Kragen gehen, wenn im Rahmen einer Trinkwasseranalyse – Probeentnahme mit Bleigrenzwert als Wochenmittelwert – festgestellt wird, dass die Grenzwerte überschritten werden. Dann besteht so­fortiger Handlungsbedarf. Ansonsten gilt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das gilt auch für die UBA-Positivliste. Genau betrachtet taucht in ihr nur ein bekannter Werkstoff nicht auf: ein entzinkungsbeständiges Messing (Kupfer-Zink-Legierung) mit dem Kürzel CW 602 N. Eine Werkstoffkombination, die hauptsächlich bei Absperrarmaturen und Verbindern zum Einsatz kommt.

Trinkwassersysteme im ­Überblick

Pressen. Stecken. Löten. Schweißen. Schieben. Klemmen: Dies sind die momentan am Markt, mehr oder weniger, verbreiteten Verbindungstechniken für Trinkwasserversorgungssysteme in der Gebäudetechnik. Teilweise sind die Verbindungstechniken sogar in verschiedenen Ausprägungen erhältlich. Pressfittings gibt es beispielsweise in axialer, radialer und in raxialer Ausführung. Groß ist auch die Bandbreite der Fittingwerkstoffe, die sich grundsätzlich in Kunststoff und Metall einordnen lassen. PPSU, PVDF, Kupfer, Edelstahl, Rotguss bis hin zu bleifreier Siliziumbronze; das ist nur eine kleine Auswahl. Genauso groß ist das Angebot an Rohrwerkstoffen, die mit den unterschiedlichen Verbindungstechniken verbunden werden können. Unter anderem kann zwischen den Materialien Kupfer, Edelstahl, Mehrschichtverbundrohren, PEX-Rohren und PB-Rohren gewählt werden. Daneben sind Vollkunststoffrohrleitungen (PP-R) erhältlich.

Als Inhaber eines SHK-Fachbetriebs ist es also nicht leicht, den Überblick zu behalten. Deshalb haben wir für Sie in einer Übersicht die gängigen Trinkwassersysteme von verschiedenen Herstellern zusammengetragen.

Sicherheit und Hygiene stehen an erster Stelle

Grundsätzlich gelten für alle Trinkwassersysteme – Rohrwerkstoffe, Verbindungstechniken und Systemkomponenten – die in relevanten Normen definierten Anforderungen. Zu beachten ist, dass nach AVBWasserV (Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser) in einer Trinkwasseranlage nur Bauteile und Komponenten installiert werden dürfen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Den Nachweis oder die Bestätigung sollte der Hersteller geben. Nach dem Frabo-Urteil des OLG Düsseldorf lässt ein Prüfzeichen – beispielsweise das DVGW-Zeichen – nur die Vermutung zu, dass diese Regeln eingehalten sind. Darüber hinaus sind für den Einsatz in Trinkwasseranlagen die Anforderungen der aktuellen TrinkwV zu erfüllen.

Ob ein Rohrleitungssystem neben dem Einsatz in Trinkwasseranlagen auch für andere Einsatzgebiete geeignet ist, entscheidet der Hersteller. Er gibt vor, welche Rahmenbedingungen eingehalten werden müssen. Für die Dimensionierung, Verlegung, Dämmung, Druckprüfung, Spülen, Schallschutz und den vorbeugenden baulichen Brandschutz gelten die bekannten Regelwerke.

Fazit

Nach den Vorgaben der aktuellen Trinkwasserverordnung (TrinkwV) gilt in der EU seit dem 1. Dezember 2013 für Trinkwasser-Installationen ein neuer Bleigrenzwert von maximal 10 Mikrogramm pro Liter (0,010mg/l). Außerdem dürfen nur noch Produkte aus geprüften Werkstoffen eingesetzt werden, die nach der Veröffentlichung der UBA-Positivliste freigegeben sind. Die führenden Hersteller von Installationsmaterialien und Armaturen für den Trinkwasserbereich haben sich darauf eingestellt und bieten hier mittlerweile eine umfangreiche Auswahl an einwandfreien Materialien wie Edelstahl, Kupfer oder Rotguss an, für die eine hygienische Eignung nachgewiesen ist.

Lesen Sie auch das nachstehende Interview mit Geberit-Experte Pietro Mariotti.

Info

Inhalte des § 17 der TrinkwV (Auszug)

Anforderungen an Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser sind mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben. Werkstoffe und Materialien, die für die Neuerrichtung oder Instandhaltung von Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser verwendet werden und Kontakt mit Trinkwasser haben, dürfen nicht den nach dieser Verordnung vorgesehenen Schutz der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar mindern, den Geruch oder den Geschmack des Wassers nachteilig verändern oder Stoffe in Mengen ins Trinkwasser abgeben, die größer sind, als dies bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik unvermeidbar ist.

Der Unternehmer und der sonstige Inhaber von Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser haben sicherzustellen, dass bei der Neuerrichtung oder Instandhaltung nur Werkstoffe und Materialien verwendet werden, die den Anforderungen nach Schutz der menschlichen Gesundheit entsprechen. Diese sind in der UBA-Positivliste nach definierten Bewertungsgrundlagen zu finden. Die Bewertungsgrundlagen basieren auf:

Prüfvorschriften mit Prüfparametern, Prüfkriterien und methodischen Vorgaben zur Bewertung der hygienischen Eignung der Ausgangsstoffe, der Werkstoffe und Mate­rialien, sowie von Werkstoffen und Materialien in daraus gefertigten Produkten.

Positivlisten der Ausgangsstoffe, die zur Herstellung von Werkstoffen und Materialien hygienisch geeignet sind, einschließlich Beschränkungen für den Einsatz der Ausgangsstoffe.

Positivlisten von Werkstoffen und Materialien, deren Prüfung ergeben hat, dass sie für den Kontakt mit Trinkwasser hygienisch geeignet sind, einschließlich Beschränkungen für den Einsatz dieser Werkstoffe und Materialien in bestimmten Produkten oder mit bestimmten Trinkwässern. Das trifft auf Rohrleitungen aus Kupfer und Edelstahl zu.

Autor

Dietmar Stump ist Redakteur. Sein Pressebüro DTS ­bearbeitet die Themenschwerpunkte Sanitär, Heizung und erneuerbare ­Energien; 67551 Worms, Telefon (0 62 41) 9 33 89 94, Fax (0 62 41) 3 04 35 16, dietmar.stump@t-online.de

Urteil mit Tragweite

Warenverkehr bedroht Trinkwassersicherheit ▪ Sicherheit und Hygiene in der Trinkwasserinstallation setzen die Verwendung einwandfreier Bauteile und Materialien voraus. Bisher wurde hier DVGWzertifizierten Produkten großes Vertrauen entgegengebracht. Doch nach dem Frabo-Urteil steht die Verlässlichkeit von DVGW-Zertifizierungen für Produkte im Trinkwasserbereich zumindest auf dem Prüfstand, wie Pietro Mariotti im Interview erläutert.

SBZ: Herr Mariotti, Ende letzten Sommers schlug das Frabo-Urteil wie eine Bombe in die heile Welt der DVGW-Zertifizierungs-Zeichen und der deutschen SHK-Branche ein. Hat der Einschlag Ihrer Meinung nach größere Schäden hinterlassen oder war es nur ein kleiner Unfall mit Blechschaden?

Mariotti: Das Urteil hat das Potenzial, die Zertifizierungslandschaft mittel- bis langfristig dramatisch zu verändern. Wir haben gelernt, dass es möglich ist, sich ein Zertifizierungszeichen einzuklagen, auch wenn, wie in diesem Fall, nicht alle Anforderungen für die Vergabe des Zertifizierungszeichens erfüllt sind. Dies geschieht unter Hinweis auf die Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 AEUV), die als eine der Grundfreiheiten in Europa zementiert ist.

SBZ: Welchen Wert hat nach diesem Urteil überhaupt noch das „Gütesiegel DVGW“?

Mariotti: Werfen Sie ein Blick in die aktuelle AVBWasserV. Unter Art. 12, Abs. 4, ist der DVGW nicht mehr als der Zertifizierer genannt. Neu wird festgehalten, dass Produkte, die ein anderes europäisches Prüfzeichen ­haben, als gleichwertig behandelt werden. Wenn es nicht zu einem schnellen Handeln des DVGW in einem europäischen Kontext kommt, wird das DVGW-Zeichen darunter leiden.

SBZ: Muss ein SHK-Betrieb überhaupt ein DVGW-zertifiziertes Produkt verwenden, um juristisch auf der sicheren Seite zu sein?

Mariotti: Nein, er ist nicht auf das DVGW- Zeichen explizit angewiesen. Ö/S/DVGW-Zeichen stehen sicher gleichwertig neben, beispielsweise, dem KIWA-Zeichen. Es sind anerkannte Branchenzertifizierer. Diese Produkte in unseren Nachbarländern sind genauso gut und können unbedenklich eingesetzt werden. Siehe auch Neufassung der AVBWasserV §12 (4) Pkt.1 und 2.

SBZ: Welche Sicherheit(en) gibt es denn tatsächlich für einen SHK-Betrieb, dass ein Trinkwasser-Produkt den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und er es unbedenklich verarbeiten kann?

Mariotti: Der Hersteller dokumentiert die Erfüllung von diversen Anforderungen. Die Konsequenz für die SHK-Branche: Markenprodukte verwenden und auf die Erfüllung der relevanten Normen und Zertifizierungsregeln achten.

SBZ: Hat das Frabo-Urteil auf Produkte für den Trinkwasserbereich von Geberit Auswirkungen, wenn es in Zukunft um die Frage geht: Zertifizierung – ja oder nein?

Mariotti: Geberit wird sich verstärkt der Thematik „gegenseitige Anerkennung der Prüfergebnisse etc.“ widmen.

SBZ: Verfolgt man die vielen Veröffent­lichungen rund um das Thema „FraboUrteil“, ging es den Richtern in ihrer Urteilsbegründung scheinbar in erster Linie um die europäische Warenverkehrsfreiheit, die mit dem Entzug des DVGW-Zeichens nicht mehr gegeben war. Bedeutet dies für die Zukunft, dass die Zertifizierungszeichen anderer EU-Länder ebenfalls auf dem Prüfstand stehen?

Mariotti: Diese Frage muss eindeutig mit Ja beantwortet werden. Lokale Normen, die von Verbänden, Zertifizierern usw. definiert werden, müssen sich an den Grundfreiheiten der EU messen. In diesem Falle, wie Sie völlig richtig erwähnen, an der Warenverkehrsfreiheit.

Info

Hintergründe Frabo-Verfahren

Der italienische Fitting-Hersteller Frabo hatte Anfang der 2000er-Jahre für einen Pressfitting (Kupfer und Rotguss) eine DVGW-Zertifizierung beantragt und für die Bereiche Wasser und Wasser/Gas erhalten. Auf Intervention von zwei Herstellern setzte die DVGW Cert GmbH die Zertifizierung (14. Juni 2005) für den Bereich Wasser wieder aus. Im Zuge dieses Vorgangs wurden nachträglich die DVGW-Verfahrensregeln geändert und von Frabo ein weiterer 3000-Stunden-Test (Verkeimung von Elastomer-Dichtungen) gefordert.

Frabo weigerte sich, diese und andere zusätzliche Anforderungen zu erfüllen. Darauf entzog der DVGW dem Produkt Frabopress das DVGW-Zertifizierungszeichen Wasser und das DVGW-Zertifizierungszeichen für Gas/Wasser (Mischzertifikat). Frabo klagte dagegen und bekam – nach einem ersten, verlorengegangenen Verfahren (5. März 2008) am Landgericht Köln mit anschließendem Berufungsverfahren – vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf recht.

Es entschied in seinem Urteil vom 14. August 2013, dass der DVGW die Zertifizierungszeichen für Frabopress wieder zu erteilen hat. Der DVGW ging anschließend fristwahrend in die Revision. Der BGH wird jedoch nur noch prüfen, ob das Urteil rechtsfehlerhaft ist, also gegen formelles oder materielles Recht verstößt. Neue Tatsachen werden nicht berücksichtigt.