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Mit Vollgas gegen die Wand?

Stellen Sie sich vor, es geht in den Urlaub. Der Reiseveranstalter schreibt den Teilnehmern vor, nur die Hälfte an normalerweise üblicher Bekleidung einzupacken. Aus Angst, wenn er Ihnen zu viel schweres Gepäck aufbürdet, fahren Sie vielleicht nicht mit. Stattdessen meint er, dass es ausreicht, vor Ort jeden Tag zu prüfen, was denn jetzt anzuziehen wäre. Ihnen ist klar, dass die Planung nicht aufgehen kann und alle Mitfahrer spätestens zur Urlaubsmitte Kleidung werden nachkaufen müssen. Die Ausgaben werden unnötigerweise ansteigen, die Stimmung dagegen wird folglich im Eimer sein.

Eigentlich haben Sie schon vor Reiseantritt gewusst, dass die Empfehlung nichts taugt. Denn der Veranstalter organisiert erstmals eine Tour dieser Art. Und es kommt noch dicker: Er weiß zwar, wo das Ziel liegt, aber er hat 1) kaum Ahnung, wie er den direkten Weg in diese Richtung einschlagen soll. Außerdem hat er 2) zu wenig Mumm, ordentlich durchzustarten, denn eigentlich ist ihm die ganze Sache an sich fremd. Und 3) bleibt das Navi ausgeschaltet, obwohl es mit den richtigen Infos aus Wissenschaft und Technik bespielt wurde, um den besten Weg zu finden.

Darf ich deutlicher werden?

Also gut: Ersetzen Sie Reiseveranstalter durch Bundesregierung, Teilnehmer durch Bevölkerung, Reiseziel durch Klimaschutzziele. Und schon kommt Ihnen die beschriebene Situation überaus bekannt vor.

Diese Analogie beschreibt ein Abbild der Klimapolitik in Deutschland – die sich in einem meiner Meinung nach unbefriedigenden Zustand befindet. Klar, zwischen all dem Getöse um die zögerliche Höhe einer CO2-Abgabe lassen sich gute Zeichen herauslesen, etwa die stärkere steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Aber einen eisernen Willen, mit dem Klimaschutzprogramm 2030 in den kommenden zehn Jahren sichtbare Veränderungen zum Besseren einzuleiten, den kann ich nicht erkennen.

Was einzig jetzt schon spürbar wird, ist die Verunsicherung der Verbraucher bei geplanten Investitionen. Bis die künftige Förderlage klar umrissen ist – etwa bei der Heizungsmodernisierung – ist Zurückhaltung das oberste Gebot. Das erleben viele Ihrer Handwerkskollegen derzeit. Die Bundesregierung muss nach den Ankündigungen jetzt unmittelbar die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und mitreißend Begeisterung dafür in der Bevölkerung wecken – das wäre das Mindeste. Sonst fährt der vermeintliche „Reiseleiter“ das ganze Klimaschutzprogrämmchen mit Vollgas gegen die Wand. Und allein das Navi tönt noch: Bitte wenden, bitte wenden.

Recht schnell dürfte zudem deutlich werden, dass die aktuellen Maßnahmen bei Weitem nicht ausreichen. Es wird nachgebessert werden müssen, um eine echte Wende in Sachen Klimaschutz zu erreichen. Sonst heißt es womöglich im Jahr 2030: Sie haben Ihr Ziel nicht erreicht. Dann ist die Stimmung garantiert im Eimer. So weit darf es nicht kommen.

Ganz abgesehen davon, dass kaum angesprochen wurde, was über jenes Jahr hinaus geschehen soll. Ich bin gespannt auf die nächsten Schritte der Politik. Sie auch?

Ich wünsche Ihnen einen tüchtigen Start in die Heizperiode,

Ihr

Dennis Jäger

SBZ-Chefredakteur