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Streut Amazon Sand ins Getriebe?

Amazon Business ist seit Ende 2016 in Deutschland online. Damit strebt der Versandhändler die Vorherrschaft auch bei kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen an. Einem Segment, das bisher eher vernachlässigt wurde. Während der etablierte Fachgroßhandel und Hersteller an Eigenlösungen stricken, könnte Amazon auch im Fachhandel (B2B-Sektor) zum Synonym für Webshopping werden. Dann wird es für das Verfolgerfeld – gleichgültig, ob Hersteller oder Händler – schwierig, alternative Angebote im Markt zu etablieren.

Im Einkauf wird das Geld verdient (das in der Auftragsausführung übrigens hin und wieder verschenkt wird). Daher sind klug organisierte und IT-technisch unterstützte Abläufe insbesondere bei Beschaffung, Auftragsabwicklung und Buchhaltung für jeden Handwerksunternehmer wichtig. Wer bei Alltagsprodukten sowie bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen automatisiert beschafft, spart Zeit und Geld. Wie ein Handwerksunternehmen daher die Beschaffung über einen Onlineanbieter, einen stationären oder einen mobilen Fach(groß)händler abwickelt, liegt weniger an seiner Umsatzgröße als vielmehr am Grad seiner eigenen Betriebsorganisation.

Preistransparenz blutet den dreistufigen Vertriebsweg aus

Die gute Nachricht ist: Auch kleine und mittelständische Handwerksunternehmen können von digitalisierter Beschaffung profitieren. Diese Handwerksunternehmen bevorzugen wohl noch stationäre Bezugsstellen mit hoher Warenverfügbarkeit. Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche halten sich oft als nicht groß genug für digitale Lösungen oder sie meinen, ihre Bedarfe an Produkten und Betriebsmitteln nicht entsprechend im Voraus disponieren zu können. Andere wollen die Kapitalbindung für Lagerbestandsware reduzieren oder den netten Plausch mit Kollegen am Kaffeeautomaten des stationären Händlers nicht missen. Noch scheint der Fachgroßhandel der dominante Vertriebskanal in allen europäischen Ländern zu sein. Wertmäßig sollen nach Einschätzung von Fachleuten über 70 % des Einkaufsbudgets der Handwerker in dessen Kassen fließen.

Aber in Zeiten, in denen Endverbraucher und gewerbliche Projektierer aufgrund der Preis- und Verfügbarkeitstransparenz aus dem Onlinehandel intensiv die Preise vergleichen, tendieren auch Handwerksunternehmen verstärkt dazu, „die Marge der Großhandelsstufe“ kritisch zu betrachten. Weit über die Hälfte aller deutschen SHK-Fachleute sollen Sanitärprodukte direkt beim Hersteller ordern, meinen Fachleute. Das ist ein europäischer Spitzenwert, Tendenz steigend!

Damit zeichnet sich ab, dass Großhändler hinsichtlich der Sanitärprodukte „vor der Wand“ mit den Herstellern in Preiswettbewerb treten müssen. Hinsichtlich der Standardkomponenten und Verbrauchsmaterialien „hinter der Wand“ treten Online- und Direkthändler auf den Plan.

Für die SHK-Industrie heißt das übrigens, dass sie ihren Markenvertrieb auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen muss. Es gilt, sich durch ein kluges, selektives Vertriebssystem in der digitalisierten Wertschöpfungskette Ertragspotenziale zu erschließen und über alle Vertriebskanäle die Markenführung zu verteidigen.

Gekauft wird, wo die Leistung stimmt

Zukunftsfähige Handwerksunternehmen werden attraktive Herstellermarken wählen, die ihnen beim Endkunden Markenstärke, Innovationskraft und Marge bringen. Und sie werden Bezugsquellen bevorzugen, die entsprechend attraktive sowie nutzerfreundliche stationäre und Onlinebeschaffung anbieten.

Bei der Onlinebeschaffung könnte sich zunächst noch negativ der schwindende persönliche Kontakt zwischen Händler und Handwerker auf die geschäftliche Beziehung auswirken. Wenn aber die Handwerksunternehmen gelernt haben, dass für die überwiegende Zahl der Beschaffungsfälle keine persönliche Beratung notwendig ist und der Onlineanbieter hinsichtlich Bezugskonditionen und üblicher Services gleichzieht, kommt es nur noch auf den Preis, die Warenverfügbarkeit und die Kulanz bei Reklamationen an. Die Lieferanten werden dann austauschbar.

Fazit

Selbst wenn 70 % der Beschaffung noch über den stationären Fach(groß)handel abgewickelt werden, stehen doch 100 % der Beschaffung unter dem Preisdruck des Onlinehandels sowie dem Wettbewerb der Direktbelieferung durch den Hersteller. Das wirkt unmittelbar negativ auf die stationären Fach(groß)handels-Margen. Und es wirkt mittelbar auch negativ auf die Hersteller. Es bleibt abzuwarten, welche Spieler diesem Wettbewerbsdruck auf Dauer werden standhalten können.

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Autor

RA Markus Nessler, MBA, berät qualitäts- und marktführende Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu selektiven Vertriebssystemen, von der strategischen Konzeption bis zur Um- und Durchsetzung. Zudem ist er Herausgeber des Impuls-Portals businessler.de und Initiator des „businessler WirtschaftsForums“. (07 11) 1 36 31 00 Markus.Nessler@mnbr.de www.mnbr.de www.businessler.de