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Ja zur Rückvermeisterung

Wahrscheinlich kann niemand mit diesem Kunstwort in der Überschrift etwas anfangen. Außer die strammen Kaderfunktionäre des ZDH (Zentralverband des Deutschen Handwerks), die es sich ausgedacht haben. Man könnte meinen, der ZDH sei bemüht (ähnlich wie früher das Politbüro in der DDR), Begriffe zu erdenken, die dem Außenstehenden zunächst ein Gefühl der Mitwisserschaft und Zugehörigkeit beim Lesen geben. Die eine positive Assoziation auslösen, aber dennoch das Verstehen unmöglich machen sollen. So auch dieses Mal: Rückvermeisterung. Nehmen Sie sich eine Minute Zeit, um dahinterzukommen, was damit gemeint sein könnte.

Mehr Klarheit gewonnen? Wahrscheinlich nicht! Auch Google kennt das Wort nicht und hält es für einen Rechtschreibfehler oder eine fantasiereiche, aber unzutreffende Interpretation eines dem Sinne nach unverständlichen Begriffs.

Nähern wir uns dem Wort nach der anzunehmenden Bedeutung. Deutsch soll ja mit Altgriechisch die Sprache weltweit sein, die durch Aneinanderreihung mehrerer Hauptwörter neue, sinnvolle Substantive hervorbringen kann. Man beachte: kann, nicht muss! Also Rückvermeisterung könnte dem Sinn nach bedeuten: jemanden, der mal Meister war, wieder in den Stand des Meisters zu erheben. Das kennt man vom Militär, bei dem zunächst degradierte Offiziere nach einer tapferen Tat wieder in den alten Stand rückversetzt wurden. Erst schmiss man ihnen die Schulterklappen ins Gesicht und dann hebt man sie wieder vom Boden auf, klopft dem fälschlich Degradierten den Staub von der Uniform und überreicht die Abzeichen erneut.

Jetzt zieht sich dieser Text schon mehrere Absätze hin und Sie als Leser wissen immer noch nicht, was gemeint ist (auf der Journalistenschule wäre der Autor längst gefeuert worden). Sehen Sie, das ist Taktik. Das Wort Rückvermeisterung ist einfach so genial, dass jeder meint, es zu verstehen, aber dennoch keine Peilung hat. Eben echte Strategen beim ZDH!

Mal ganz im Ernst. Was will der Verband ausdrücken? Er will der Politik sagen, dass diejenigen Handwerksberufe, welche früher dem Meistervorbehalt unterlagen, wieder in diesen Status zurückversetzt werden sollen. Dies würde die teilweise Rückgängigmachung der Handwerksreform von Bundeskanzler Gerhard Schröders Rot-Grün-Regierung bedeuten. Entgegen den Prognosen der Agenda-2010-Denker führte die Streichung der Meisterqualifikation in einigen Berufen zu einem Zusammenbrechen des Lehrstellenmarktes und zur Überflutung mit Teil-/Schein- und ausländischen Selbstständigen (was Schröder und Co. ja eigentlich verhindern wollten).

Man sehe sich beispielsweise nur das Fliesenlegerhandwerk an, in dem es mittlerweile – noch ausgeprägter als in anderen Handwerksberufen – an qualifiziertem Nachwuchs mangelt und das Preisgefüge und die damit verbundene Tariftreue des deutschen Handwerks völlig atomisiert wurden. Letzteres ist interessanterweise auch die Sichtweise der Gewerkschaften, die in der Frage der Rückvermeisterung, auch wenn sie vielleicht das Wort auf Anhieb nicht verstanden haben, mit der Arbeitgeberorganisation des deutschen Handwerks an einem Strang ziehen.

Wie vieles, was der kreißende Berg der Berliner ZDH-Denkfabrik hervorbringt, ist das Ansinnen, die Rückvermeisterung in der kommenden Legislaturperiode durchzubringen, ein hehres und nützliches Ziel. Allerdings sollte man die Bezeichnung überdenken, denn auch eine „Rückverjungferung“ kann es und hat es noch nie gegeben!

Dies meint zumindest

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