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Interview

“Angebots- und System-Transparenzen schaffen“

SBZ: Herr Neuhaus, Solarwatt stellte auf der EES 2017 den Speicher MyReserve Matrix vor. Was ist technisch neu gegenüber dem Vorgänger?

Detlef Neuhaus: Die Neuigkeit ist die komplette Modulierbarkeit dieses Speichers, das heißt, Sie können Speicherkapazitäten in jeder beliebigen Größe zusammenbauen. Konkret werden MyReserve-Speicherpacks mit je 2,2 kWh an einen MyReserve Command gebunden. Der Command beinhaltet die komplette Leistungselektronik inklusive Anschlüssen, Sensoren und Software. Beide Elemente haben Schuhkartongröße. Wir sind also weit entfernt von den Kühlschrankformaten von vor ein paar Jahren am Markt mit ihren Nachsteckfächern. Sie können den MyReserve Matrix bei Bedarf, zum Beispiel wenn es Familienzuwachs gibt, später beliebig anpassen. Ein Zukunftsthema der Speicher ist die Frage nach ihrer Flexibilität in der Kapazität. Außerdem haben wir die Zyklenfestigkeit noch einmal genau unter die Lupe genommen, das Thema Sicherheit und Prozessorgeschwindigkeit.

SBZ: Flexiblere Technik ist das eine, die Installation der Speicher das andere, sie zu vereinfachen ist auch die Aufgabe. Wohin geht die Entwicklung bei beiden?

Neuhaus: Bei der Verkleinerung der Speicher wird es nicht mehr viel Spiel geben. Bei der Reduktion sind die physikalischen Grenzen irgendwann erreicht. Eine Hauptbaustelle des Markts ist, die Speicher fit für die Digitalisierung zu machen, das heißt, dass sie in der Lage sind, am Regelenergiemarkt teilzunehmen oder Teil von echten Clouds zu sein oder beispielsweise als Quartiersspeicher zu fungieren. Die Herausforderung ist also die Speicherelektronik. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen zwischen denen, die hochwertige Elektronik anbieten oder nur Standard. Da hat die Branche noch mit Komplexitäten zu kämpfen. Auf der Installateursseite geht es ganz klar in Richtung Plug-and-play. Wo vor ein paar Jahren noch zwei Installateure zwei Tage damit beschäftigt waren, einen mannshohen Speicher einzubauen, wird jetzt ein Installateur für den Einbau von Speichermodulen in Schuhkartongröße insgesamt noch zwei Stunden brauchen.

SBZ: Auf der Intersolar gaben Sie auf einer Pressekonferenz überraschend bekannt, dass Solarwatt für seine neuen Speicher keine Endkundenpreise mehr nennen will. Bislang zeichneten Solarwatt ja gerade die klaren Preis-Statements aus. Warum machen Sie jetzt eine Kehrtwende?

Neuhaus: Wir sind vor drei Jahren offensiv mit einem Endpreis an den Markt gegangen, weil wir zeigen wollten, dass ein Batteriespeichersystem auch ohne staatliche Förderung wirtschaftlich ist. Wir haben also bewusst den klassischen Weg des Listenpreises verlassen. Wir wollten Transparenz zeigen. Dass sich der Speicher inklusive Mehrwertsteuer und Installationskosten auch ohne Förderung rechnet. Das Echo darauf war aus dem Handwerk natürlich geteilt. Es gab Zustimmung und auch Ablehnung, weil ein Eingriff in die betriebliche Preishoheit moniert wurde. Doch die Zustimmung überwog.

Wir waren da Vorreiter in einer Zeit, in der die Systeme im Vergleich zu heute noch relativ teuer waren. Durch die Preisentwicklung nach unten hat dieses Argument an Kraft verloren, da andere inzwischen genauso argumentieren. Hinzu kam dann eine negative Entwicklung am Markt, dass Preise schöngerechnet wurden. Da wurde bis zur Grenze der Seriosität herausgerechnet. Zum Beispiel ist ein absoluter Preisvergleich zwischen der Kilowattstunde Lagerkapazität untauglich, wenn man nicht sagt, ob in diesem Preis die Steuereinheit inbegriffen ist oder nicht oder ob es sich um einen Endkundenpreis inklusive MwSt. handelt oder nicht. Es gibt heute Preisvergleiche, die aus technischer Sicht haarsträubend sind, weil sie Werte beschreiben, die isoliert sind. Das macht den Batteriemarkt für Laien vollkommen undurchschaubar.

Deshalb unser Schwenk: Wir wollen unser System nicht mit Preisen von anderen Systemen verglichen sehen, die nicht vergleichbar sind. Deshalb verstehen wir unseren Rückzug als ein Signal. Wir hoffen, dass das vom Markt honoriert wird.

SBZ: Wie und wo kann der Verbraucher denn jetzt die Preise für Stromspeicher von Solarwatt erfahren?

Neuhaus: Kurze Antwort: bei seinem Installateur.

SBZ: Wenn Solarwatt in Zukunft bei der Preiskommunikation den Installateur zum Ansprechpartner macht – welche Unterstützung bieten Sie ihm?

Neuhaus: Wir bieten den Installateuren Argumentationshilfen und auch standardisierte Berechnungsbeispiele an, die eine Marge für ihn beinhalten, wobei das Produkt für den Endkunden attraktiv ist.

SBZ: Sie sagten auf der Intersolar auch, dass Sie sich dem Preisvergleich erst wieder aussetzen würden, wenn es klare Kriterien und faire Maßstäbe gäbe. Was meinen Sie damit?

Neuhaus: Das meint, was ich bereits ansprach: wenn es diesen unsäglichen Hype über nicht vergleichbare Zahlen, die in den Raum geworfen werden, nicht mehr gibt. Wenn die Branche also einheitliche Vergleichskriterien hat und die Kunden sich die Vergleiche nicht mühselig zusammensuchen müssen. Da geht es z. B. auch um die sehr relevanten Sicherheitsfragen, sowohl was die technisch-physikalische Seite betrifft als auch die der Datensicherheit. Da muss sich was tun, z. B. in Form einer Norm. Und alle Unternehmen müssten z. B. auch den Sicherheitsleitfaden für Lithium-Ionen-Hausspeicher durchlaufen und extern zertifiziert haben.

SBZ: Laut Bundesverband Solarwirtschaft wird bereits jede dritte neue private PV-Anlage inklusive Stromspeicher installiert und die Preise fallen. Wo sehen Sie eine Grenze bei den Preisen und haben Sie Angst vor z. B. chinesischen Anbietern und Dumpingpreisen?

Neuhaus: Sie spielen auf den PV-Markt an und dass den Speicheranbietern das genauso passieren könnte? Da haben wir als Solarwatt bei der PV vor ein paar Jahren selbst viel Lehrgeld zahlen müssen. Ich glaube, dass das auf dem Speichermarkt nicht passieren wird und zwar aus folgenden Gründen: Das Modulgeschäft ist eine andere, mitunter tragische Geschichte. Da ist von vielen Seiten zu spät erkannt bzw. gehandelt worden. Bei Modulen brauchen Sie mittlerweile nicht mehr zu „dumpen“, weil alle wirtschaftlich sind. Es geht inzwischen mehr in Richtung Lebensdauer und weiche Faktoren gewinnen mehr an Gewicht, also was für Peripherie auch noch geboten wird für den Preis neben dem nackten Modul.

Der Speicher ist ein Gerätetyp mit hohem Peripherie-Anteil, zum Beispiel Beratung, Ersatzteilbeschaffung, Schulung, Außendienst, und das Niveau der Haustechnik ist in Deutschland außerdem ausgesprochen hoch. Da ist es nicht mehr ganz so einfach, nur über Skaleneffekte und Produkt-Dumpingpreise einen Markt zu erobern. Außerdem ist die Wirtschaftlichkeit bei Speichern bereits gegeben. Was das Dumping betrifft: Die größten Preisdegressionen bei Speichern sind in den letzten Jahren schon geschehen. Die Speicherzellkosten werden nicht mehr so sinken, wie mancher sich das heute noch erhofft. Doch wenn über staatliche Unterstützung Marktpreise ausgehebelt werden sollten mit dem Ziel, andere Märkte nach Plan zu übernehmen, dann ist die Politik gefragt zu zeigen, dass auch sie aus der Vergangenheit und ihren Versäumnissen gelernt hat.

SBZ: Welches Potenzial sehen Sie für Solarstromspeicher im anstehenden Mieterstrommarkt?

Neuhaus: Natürlich glaube auch ich genau wie alle anderen, das Potenzial für Photovoltaik und damit auch für Solarstromspeicher ist hier groß. Aber im Moment wird das Thema erst in einigen Pilotprojekten umgesetzt und es braucht definitiv klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Fortgang ermöglichen. Potenzial ja, aber dass eine Dynamik da ist, kann ich im Moment nicht erkennen. Da werden noch drei bis fünf Jahre ins Land ziehen. Ich bin indes überzeugt: Die Entwicklung wird von unten getrieben. Die Leute wollen das einfach. Wichtig wird dabei sein, auch hier Angebots- und Systemtransparenzen zu schaffen.

SBZ: Vor einem Jahr äußerten Sie sich ablehnend zu den neuen Geschäftsmodellen Eigenstrom plus Reststromversorgung – Stichwort: Communities und Clouds – und Sie kritisierten die am Markt befindlichen Angebote. Jetzt gaben Sie auf der EES 2017 bekannt, dass Solarwatt „100 Prozent Sorgenfreiheit“ in Form eines „Rundum-sorglos-Pakets“ auf den Markt bringen wird. Ist das ein firmenpolitischer Schwenk und sagen Sie uns mehr Details, was das Paket bzw. diese Konzeption beinhaltet?

Neuhaus: Digitale Geschäftsmodelle kommen auf uns zu, keine Frage. Wir sind schon heute technisch darauf vorbereitet. Was derzeit am Markt ist, bewegt sich in einer Bandbreite von an der Grenze zur Kundenveräppelung bis hin zu hochwertigen Produkten. Ich sagte schon vor einem Jahr, dass wir weder zum Stromanbieter werden noch zum Energieversorger, weil das nicht unsere Kernkompetenzen sind. Was wir anbieten werden, ist ein Rundum-sorglos-Paket inklusive Reststromversorgung, das einfach zu verstehen ist. Das bedeutet vor allem 100 % Transparenz und Garantie für den Kunden. Wir sind sicher, dass das ein sehr attraktives Angebot sein wird. Mehr kann ich dazu im Moment leider noch nicht sagen, weil das Konzept gerade ausgearbeitet wird. Wir rechnen damit, es im ersten Halbjahr 2018 präsentieren zu können.