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Nicht nur nach Schema F

Wer im Rahmen einer öffentlichen oder gewerblichen Tätigkeit erwärmtes Trinkwasser aus einer Großanlage zur Trinkwassererwärmung im Sinne des § 3 Nr. 12 Trinkwasserverordnung 2001 (TrinkwV) an Dritte abgibt, hat gemäß § 14 Abs. 3 TrinkwV in regelmäßigen Abständen das abgegebene erwärmte Trinkwasser auf den in Anlage 3 Teil ll der Trinkwasserverordnung festgelegten Indikatorparameter „Legionella spec.“ untersuchen zu lassen. Wird hierbei der in der TrinkwV festgelegte technische Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml (KBE = koloniebildende Einheiten) überschritten, so ist dies ein eindeutiges Indiz dafür, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik bei Planung, Bau oder Betrieb der Trinkwasserinstallation nicht eingehalten wurden bzw. nicht eingehalten werden.

Festlegung der Probenahmestellen

Die Festlegung der Probeentnahmestellen zur Untersuchung der Trinkwasserinstallation erfolgt derzeit auf Grundlage des DVGW-Arbeitsblattes W 551 (Ausgabe 2004) sowie der Empfehlung des Umweltbundesamtes zur systemischen Untersuchung von Trinkwasserinstallationen auf Legionellen nach Trinkwasserverordnung vom August 2012. Grundsätzlich sind danach die Probeentnahmestellen so zu wählen, dass jeder Steigstrang erfasst wird.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass Proben aus allen Steigsträngen zu entnehmen sind, sondern dass vor Probeentnahme eine Festlegung der Probeentnahmestellen durch hygienisch-technisch qualifiziertes Personal zu erfolgen hat, sodass die dann beprobten Steigstränge eine Aussage über die nicht beprobten Steigstränge zulassen. Beispiele dafür sind ein ähnlicher Aufbau, die Versorgung gleichartiger Gebäudebereiche, eine vergleichbare Nutzung oder eine hydraulisch besonders ungünstige Lage. Aber: Der Sachverständige kann im Regelfall nicht mit ausreichender Genauigkeit beurteilen, welche Steigstränge gleich genutzt werden bzw. welche Steigstränge möglichst hydraulisch ungünstig durchströmt sind!

Beispielsweise müssen Steigstränge, die längere Fließwege aufweisen, nicht zwingend als hydraulisch ungünstiger zu beurteilen sein als Steigstränge mit kürzeren Fließwegen: Aufgrund von Inkrustationen oder des Versagens von Regelarmaturen können so beispielsweise pumpennahe Stränge durchaus hydraulisch ungünstigere Verhältnisse aufweisen als pumpenferne Stränge.

Zudem liegen nur selten aktuelle und vollständige Dokumentationen der Trinkwasserinstallation vor, sodass diese vor Einschränkung des Probeentnahmeschemas vom Betreiber der Trinkwasserinstallation beschafft werden müssen.

Kann vom Sachverständigen also nicht mit ausreichender Sicherheit bestimmt werden, welche Steigstränge dazu geeignet sind, einen Rückschluss auf den hygienischen Zustand der nicht untersuchten Steigstränge ziehen zu lassen, so sind Proben aus allen Steigsträngen zu entnehmen.

Komplexität schafft Probleme

Die Empfehlung des Umweltbundesamtes sowie das DVGW-Arbeitsblatt W 551 behandeln darüber hinaus ausschließlich Installationen, die im klassischen Sinne mit Steigsträngen ausgestattet und somit vom Festlegenden der Probeentnahmestellen leicht zu überschauen sind. Wie verhält es sich jedoch bei Installationstypen, die nicht in das klassische Schema aus DVGW A W 551 oder UBA-Empfehlung eingegliedert werden können?

Über einen gewissen Zeitraum hinweg hatten sich zum Beispiel auf dem Markt sogenannte Hygienesysteme mit dem Ziel der Stagnationsvermeidung etabliert. Sie verfügen nicht im klassischen Sinne über Steigstränge, sondern bauen sich oftmals aus nur einem einzigen zirkulierenden Ring auf, von dem viele kleinere weitere Ringe abzweigen, die alle über separate und oftmals kompliziert mechanisch arbeitende Regeleinheiten verfügen. (Bild 1 und 2). Mit der im Jahr 2013 konsequent präzisierten, jedoch bereits seit 1999 aus der Erstausgabe der VDI 6023 abzuleitenden Festlegung, dass spätestens alle 72 Stunden an jeder Stelle des Installationssystems ein vollständiger Wasseraustausch durch Entnahme stattfinden muss, wurden diese sogenannten Hygienesysteme zur Vermeidung von Stagnation unter Beachtung des § 17 Abs. 1 TrinkwV irrelevant. Dennoch sind die nur schwer beherrschbaren, da mit unzähligen Regeleinheiten und Funktionsbauteilen ausgestatteten Systeme weiterhin im Einsatz.

Bei nicht konsequenter Überwachung dieser Systeme führen allerdings Kalkausfällungen oder mechanische und hydraulische Veränderungen des Betriebszustandes nicht selten zu Funktionsstörungen und somit zum „Organversagen“ in Teilbereichen so aufgebauter Installationen. Einzelne Abschnitte werden dann nicht mehr, wie bei der Planung zugrunde gelegt, durchströmt. Das hat zur Folge, dass oftmals Temperaturen im wachstumsbegünstigenden Bereich für humanpathogene Erreger, insbesondere Legionellen, erzeugt werden (Bild 3).

Aufgrund dieses Risikos muss jeder Betreiber einer so aufgebauten Installation laufend Funktionskontrollen an allen Reglern, in allen einzelnen Zirkulationskreisen – dies können bei einer so aufgebauten Installation in einem Klinikum oder Hotel schnell mehrere Hundert bis mehrere Tausend Regelkreise sein – durchführen.

Die im DVGW-Arbeitsblatt W 551 getroffene Forderung zur Untersuchung aller Steigstränge muss dann ebenfalls auf alle einzelnen Regelkreise einer solchen Installation übertragen werden. Soll hier die Einschränkung des Probeentnahmeschemas erfolgen, so hat der Sachverständige vor der Probeentnahme nachzuweisen, dass alle Regelkreise dazu in der Lage sind, weiterhin die zum Schutz vor einem starken Legionellenwachstum notwendige Mindesttemperatur von 55 °C einzuhalten. Weder Aufwand noch Kosten der Überwachung einer solchen Anlage sind also realistisch betrachtet tragbar (Bild 4 und 6).

Wärmeübergang ein Risiko

Ein hygienisches Risiko ergibt sich darüber hinaus durch die fehlerhafte Verlegung dieser „Hygienesysteme“ mit Wärmeübertrag zwischen Warm- und Kaltwasserinstallation, entweder durch direkten Anschluss der heißen Zirkulationsleitung an Entnahmearmaturen oder durch Wärmeabgabe des Zirkulationssystems innerhalb der kaltwasserführenden Zwischenwände (Bild 5).

Auch der Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV) distanziert sich in Bayern ausdrücklich davon, dass diese sogenannten Hygienesysteme zur unverhältnismäßigen Stagnationsvermeidung bis direkt an die Armaturenanschlüsse heranzuführen sind (siehe auch: www.amev-online.de).

Die im März 2017 erschienene Wasserinfo 90 des DVGW (Informationen und Erläuterungen zu Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551) erläutert unter Punkt 3.3 „Empfehlungen zur Temperaturmessung und Probennahme im Trinkwasser (kalt)“, wie bei Feststellung aufgewärmten Trinkwassers kalt fachgerecht vorzugehen ist. Über die Anforderungen des DVGW-Arbeitsblatts W 551 hinaus muss danach bei Anzeichen auf Erwärmung eine Untersuchung des Trinkwassers kalt auf Legionellen nicht erst bei der weitergehenden Untersuchung, sondern unter Beachtung des § 16 Abs. 3 TrinkwV in Verbindung mit den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten grundsätzlich durchgeführt werden (Bild 7 und 8).

Fazit

Regelkreise im Warmwasserverteilsystem sind bei der Untersuchung nach § 14 Abs. 3 TrinkwV generell wie Steigstränge zu behandeln. Trinkwasserinstallationen kalt, die unter Beachtung von Stagnationszeiten im bestimmungsgemäßen Betrieb Temperaturen von größer als 25 °C (empfohlen: nicht mehr als 20 °C) tolerieren, sind generell im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten auf Legionellen zu untersuchen und (abhängig vom Ergebnis der Untersuchung) zeitnah zu sanieren.

Info

Qualifikation und Inspektion eingefordert

„Falls nicht alle Steigstränge beprobt werden, liegt die Verantwortung für dadurch übersehene Belastungen und deren ggf. schwerwiegende Folgen beim Unternehmer oder sonstigen Inhaber (UsI). Daher soll in diesem Fall die Auswahl der aus hygienischer Sicht ungünstigsten Probenahmestellen nur durch hygienisch-technisch kompetentes Personal mit nachgewiesener Qualifikation erfolgen. Die volle Funktion der Zirkulation, auch in den nicht beprobten Strängen, ist durch die Anlageninspektion und -wartung sicherzustellen.

Es erscheint angemessen, umfangreiche Stockwerksleitungen ab 3 Litern Wasserinhalt wie Steigstränge zu behandeln und kurze zirkulationsbegleitete Steigleitungen, die bis zu zwei Wohnungen versorgen und weniger als 3 Liter Wasser enthalten, wie Stockwerksleitungen zu behandeln.“

Quelle: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; www.lgl.bayern.de

Autor

Harald Köhler ist Leiter der Inspektionsstelle Athis, Technische Inspektionsstelle für Trinkwasserhygiene Typ A; akkreditiert nach DIN EN ISO/IEC 17020, 92224 Amberg, Telefon (0 96 21) 65 05 95, www.athis-hygieneinspektionsstelle.de

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