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Interview

Ein brennendes Problem

SBZ: Herr Ishorst, in der Praxis wird häufig noch mit der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) von 1993 argumentiert, nach der Leitungsanlagen mit einer Brandlast von weniger als 7 kWh/m² bzw. 14 kWh/m² in notwendigen Fluren zulässig waren. Ist das überhaupt noch regelkonform?

Ishorst: Diese Regelung ist schon mit der Ausgabe der MLAR aus dem Jahre 1998 entfallen. Die Begrenzung der Brandlast hat sich als nicht praktikabel erwiesen und ist aus heutiger Sicht keineswegs zielführend. Regelkonform ist eine Null-Brandlast für Leitungsanlagen in Flucht- und Rettungswegen.

SBZ: Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Brandklassifizierung von Baustoffen und deren Brandlast?

Ishorst: Brandlasten entstehen grundsätzlich durch brennbare Baustoffe. Deshalb sollten bereits in der Planungsphase des Gebäudes nichtbrennbare Baustoffe mit der Brandklasse A bevorzugt werden, da hierdurch keine Brandlasten entstehen. Ein hervorragendes Hilfsmittel bei der Entscheidungsfindung ist die europäische Brandklassifizierung nach DIN EN 13501-1, da sie im Unterschied zur nationalen Klassifizierung nach DIN 4102-1 ein deutlich größeres Spektrum an Klassen und Kombinationen aufweist. In dieser Euronorm werden neben dem Brandverhalten auch Brandnebenerscheinungen wie die Rauchentwicklung und das brennende Abtropfen/Abfallen berücksichtigt und in Klassen eingeteilt.

SBZ: Was ist bezüglich der baulichen Brandlasten im Bestand zu beachten?

Ishorst: Allgemein gilt der Grundsatz: „Bestandsschutz hört spätestens dort auf, wo Gefahren für Leben und Gesundheit bestehen. Bei einer vorgesehenen Änderung von betreffenden Gebäuden ist deshalb das Brandschutzkonzept zu überprüfen bzw. im Falle, dass noch kein Brandschutzkonzept vorliegt, eines zu erstellen“. Für die Beurteilung von Brandlasten im Bestand sind die Anzahl und Ausführung der vorhandenen Flucht- und Rettungswege sowie die Nutzung des Gebäudes von entscheidender Bedeutung. Bei vorhandenen baulichen Brandlasten sind gegebenenfalls Sanierungs- und/oder schutzzielorientierende Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Befinden sich zum Beispiel freiverlegte brennbare Leitungen in Flucht- und Rettungswegen, sollten diese entweder gegen nichtbrennbare Leitungen ausgetauscht oder brandschutztechnisch gekapselt werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Kombination von baulichen sowie anlagetechnischen Maßnahmen durch Brandmeldeanlagen oder Löscheinrichtungen.

SBZ: Welche Regelungen für Brandlasten gelten in Sonderbauten?

Ishorst: Grundsätzlich gelten für den Einsatz von Baustoffen in Sonderbauten, wie Versammlungs- oder Beherbergungsstätten, die jeweiligen Sonderbauverordnungen. Bezüglich Leitungsanlagen gelten für alle Sonderbauten die Anforderungen der jeweiligen Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder, das heißt Null-Brandlast in Flucht- und Rettungswegen. Bei Sonderbauten muss in der Regel ein projektspezifisches Brandschutzkonzept erstellt werden.

SBZ: Was ist bezüglich der Brandlasten in Garagen zu beachten?

Ishorst: Der Einsatz von Baustoffen in Garagen ist in den jeweiligen Garagenverordnungen der Länder festgelegt. Für Leitungsanlagen in Garagen gelten die Anforderungen der Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder. Nach Informationen der Feuerwehren ist derzeit eine deutliche Zunahme von größeren Brandereignissen in Garagen festzustellen. Nach meiner Meinung sind deshalb bauliche Brandlasten in Garagen unbedingt zu vermeiden. Schon durch die abgestellten Fahrzeuge entstehen in Garagen immense Brandlasten. Weitere brennbare Materialien sind erfahrungsgemäß an der Entstehung von Bränden beteiligt oder unterstützen einen Brand erheblich bei seiner Ausbreitung innerhalb der Garage und den angrenzenden Gebäudeteilen. Leitungen innerhalb von Garagen sollten vorzugsweise aus nichtbrennbaren Werkstoffen der Brandklasse A bestehen. Erfahrungsgemäß sind bei der Planung und Ausführung der Flucht- und Rettungswege bei Garagen die geforderten maximalen Rettungsweglängen von zentraler Bedeutung. Aufgrund der Komplexität sollte für Garagen, die unter die Garagenverordnungen fallen, immer ein projektspezifisches Brandschutzkonzept erstellt werden.

SBZ: Was ist unter dem Begriff betriebliche Brandlasten zu verstehen?

Ishorst: Betriebliche Brandlasten ergeben sich grundsätzlich aus dem brennbaren Inventar des Gebäudes. Die betrieblichen Anforderungen an den Brandschutz sind in den Bauverordnungen leider nicht ausreichend geregelt. Eine immer wiederkehrende Diskussion in der Praxis dreht sich um die Aufstellung elektrischer Geräte, wie etwa Kopierer oder Getränkeautomaten, in Flucht- und Rettungswegen. Von diesen Geräten geht eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus, da sie sowohl Zündquelle sein können als auch eine enorme betriebliche Brandlast sind. Zusätzlich stellen diese Geräte im Brandfall Hindernisse für den Angriffstrupp der Feuerwehr dar. In Bayern ist diese Problematik unter anderem in der „Verordnung über die Verhütung von Bränden (VVB)“ geregelt, wonach erster und zweiter Rettungsweg unbedingt freizuhalten sind. Es wäre wünschenswert, dass andere Bundesländer diesem Beispiel folgen.

SBZ: Herr Ishorst, vielen Dank für die interessanten Erläuterungen.