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Was Profis wissen müssen

Die neue DIN 1986-30

Die Anforderungen der neuen Norm DIN 1986-30 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Instandhaltung“ sollen dazu beitragen, den Boden und das Grundwasser vor Verunreinigungen aus undichten Abwasserleitungen zu schützen und das Eindringen von Grundwasser in Entwässerungsanlagen zu verhindern. Zusätzlich trägt diese Norm zur Betriebssicherheit und zum Werterhalt von Grundstücksentwässerungsanlagen bei. Gegenüber DIN 1986-30, Ausgabe Februar 2003 wurden folgende Änderungen vorgenommen:

  • In Tabelle 2 wurde die Frist für die Erstprüfung vorhandener Grundleitungen bis zum 31.12.2015 gestrichen und stattdessen eine Zeitspannenregelung eingeführt.
  • Die Anlässe und Zeitspannen der wiederkehrenden Dichtheitsprüfungen von Grundleitungen wurden denen für häusliches und gewerbliches Abwasser nach einer Abwasserbehandlungsanlage gleichgestellt. Bei der Festlegung der Prüfverfahren der Dichtheitsprüfung mit Wasser bzw. Luft (DR) oder mittels Kanalfernsehuntersuchung (KA) erfolgten Änderungen.
  • In die Norm wurden Regelungen zu folgenden Bereichen neu aufgenommen
    • a) Ergänzung der Begriffe zur besseren Lesbarkeit der Norm;
    • b) Zustandserfassung und Zustandsbeschreibung gemäß DIN EN 13508-2 bei der optischen Inspektion der Grundleitungen und Schächte;
    • c) Zustandsbewertung für die bei Grundstücksentwässerungsanlagen üblichen Schadensbilder und deren Kodierungen;
    • d) Sanierungszeiträume entsprechend der Schadensbewertung und Prioritätensetzung;
    • e) Muster für das Prüfprotokoll der Dichtheitsprüfung;
    • f) Anforderungen an die Sach- und Fachkunde des Prüfers sowie die technische Ausrüstung des Fachbetriebes.

Anwendungsbereich

Die DIN 1986-30 legt in Ergänzung zu DIN EN 752 Maßnahmen zur Instandhaltung von in Betrieb befindlichen Entwässerungsanlagen von Gebäuden und Grundstücken fest. Dies beinhaltet die Zustandserfassung und -bewertung mit dem Schwerpunkt der Betriebs- und Standsicherheit von Entwässerungsanlagen sowie des Schutzes des Bodens und des Grundwassers. Diese Norm gilt auch für Grundleitungen und Anschluss­kanäle der Grundstücksentwässerung, die im öffentlichen Grund liegen, aber nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sind (Bild 1). Die DIN 1986-30 gilt in Verbindung mit DIN1986-3 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Regeln für Betrieb und Wartung“ und DIN EN 13508-2 „Untersuchung und Beurteilung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden – Kodiersystem für die optische Inspektion“.

Anwendungsbereiche Entwässerungsnormen
Anwendungsbereiche Entwässerungsnormen

Wer ist zuständig?

Grundsätzlich ist der Grundstückseigentümer für den ordnungsgemäßen Zustand der Grundstücksentwässerungsanlage (GEA) verantwortlich. Ob der Grundstückseigentümer auch für den Grundstücksanschluss zuständig ist, regelt jede Kommune in ihrer Entwässerungssatzung. Folgende Varianten sind möglich:

Kommunalregie: Der Kanalnetzbetreiber baut, betreibt und unterhält den Grundstücksanschluss in seiner gesamten Länge, das heißt vom Revisionsschacht auf dem Grundstück bis zum Anschluss an den Straßenkanal.

Anliegerregie: Hier ist der Grundstücks­eigentümer für den gesamten Grundstücksanschluss bis zum Anschluss an den Straßenkanal zuständig.

Zuständigkeit bis zur Grundstücksgrenze: Der Grundstückseigentümer ist verantwortlich für den Grundstücksanschluss bis zur Grundstücksgrenze. Der Kanalnetzbetreiber ist zuständig für den Teilbereich auf öffentlichem Grund.

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß Strafgesetzbuch §324 handelt es sich bei Gewässerverunreinigung und Bodenverunreinigung um strafbare Handlungen. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz §60 ist Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Abwasseranlagen müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) errichtet, betrieben und unterhalten werden. Bei Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik sind Ordnungswidrigkeitsverfahren durch die zuständige Behörde möglich. Im Falle bereits aufgetretener Schäden sind zudem Haftungsansprüche Dritter nicht auszuschließen.

Schadenseinschätzung bei Grundstücksentwässerungs­anlagen

Die Gesamtlänge aller öffentlichen Abwasserkanäle in Deutschland wird auf ca. 500000 Kilometer geschätzt; bei den privaten Grundleitungen geht man von ca. 1,2 bis 1,3 Mil­lio­nen Kilometer aus. Die Schadensrate bei privaten Grundleitungen soll bis zu 80 % betragen. Nach Kostenschätzungen ergibt sich für die BRD ein Sanierungsvolumen von ca. 100 Milliarden Euro. Bei einer Pilotuntersuchung in einem Wohngebiet in Hamburg wurden bei den untersuchten Grundleitungen verschiedenste Schadensarten mit folgender Schadensverteilung festgestellt:

  • 38,6 % Lageabweichungen
  • 36,5 % Wurzeleinwüchse
  • 17,5 % Ablagerungen
  • 4,6 % Rissbildungen
  • 2,8 % Sonstige Schäden

Bei dieser Untersuchung waren nur ca. 25 % der Grundleitungen schadenfrei. Die Schadensverteilung bei privaten Grundleitungen – bezogen auf das Baujahr – stellt sich entsprechend Bild 2 dar:

Tabelle „Schadensverteilung bezogen auf das Baujahr“.
Tabelle „Schadensverteilung bezogen auf das Baujahr“.

Welche Leitungen müssen geprüft werden?

Bei undichten Grundleitungen werden Boden und Grundwasser durch austretendes Abwasser gefährdet (Exfiltration) oder die öffentliche Kanalisation und die Kläranlage werden durch eindringendes Grundwasser (Infiltration) überlastet. Gemäß DIN 1986-30, Abschnitt 10.1.1, müssen nicht alle Abwasserleitungen überprüft werden. Das Hauptaugenmerk liegt auf die im Erdreich verlegten Schmutz- und Mischwasserleitungen. Regenwassergrundleitungen sind aber nicht grundsätzlich von der Prüfpflicht befreit. Wird beispielsweise behandlungsbedürftiges Niederschlagswasser abgeleitet, muss geprüft werden.

Zeitspannenregelung

Gegenüber DIN 1986-30, Ausgabe Februar 2003, wurde die Frist für die Erstprüfung vorhandener Grundleitungen zur Ableitung häuslichen Abwassers zum 31.12.2015 gestrichen und stattdessen eine Zeitspannen­regelung eingeführt, die sich am Abnutzungsvorrat von Abwasserleitungen und -schächten orientiert. Nach dem Kommentar zur DIN 1986-30 ist der Gesetzgeber für die Fristsetzungen der Erstprüfung bestehender Grundstücksentwässerungsanlagen zuständig. Die Zeitspannen für wiederkehrende Prüfungen von Grundleitungen sind in Tabelle 2 der DIN 1986-30 aufgeführt (Bild 3).

Ausschnitt aus Tabelle 2 der DIN 1986-30.
Ausschnitt aus Tabelle 2 der DIN 1986-30.

Wie muss geprüft werden?

Gemäß Abschnitt 10 der neuen DIN 1986-30 ist in Vorbereitung der Dichtheitsprüfung in der Regel eine optische Zustandserfassung erforderlich. Dabei sollten auch die Entwässerungspläne des Grundstücks kontrolliert werden. Sollten diese Pläne nicht mehr aktuell sein, sind sie im Zuge der Kamera-Befahrung zu aktualisieren. Sind keine Entwässerungspläne vorhanden, müssen neue angefertigt werden. Mit moderner Kameratechnik ist die Erstellung der Pläne während der optischen Inspektion möglich. Für bestehende Leitungen wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Prüfung mit geringeren Anforderungen als nach DIN EN 1610 „Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“ zugelassen und beschrieben. Diese einfache Dichtheitsprüfung wird als DR2 bezeichnet; die Prüfung nach DIN EN 1610 wird als DR1 bezeichnet.

Bei den in Tabelle 2 mit KA (Kanalfernsehuntersuchung) bezeichneten Fällen, gelten die Grundleitungen und Schächte auch als dicht (fiktive Dichtheit), wenn bei der optischen Prüfung mittels Kanalkamera keine sichtbaren Schäden und Fremdwassereintritte festgestellt wurden. Sollte eine optische Inspektion nicht durchführbar sein oder wird sie als nicht ausreichend angesehen, ist eine einfache Dichtheitsprüfung DR2 durchzuführen. Eine Prüfung DR1 nach DIN EN 1610 muss zum Beispiel bei gewerblichem Abwasser vor einer Abwasserbehandlungsanlage durchgeführt werden.

Bei der optischen Inspektion wird entweder eine Kamera über den Revisionsschacht oder eine Revisionsöffnung im Haus in die Leitungen eingeführt, oder es wird eine Kamera vom öffentlichen Kanal über den Anschlusskanal in die Grundleitung geschoben. Vor der optischen Inspektion werden die Abwasserleitungen mit Hochdruck-Spüldüsen gereinigt, wodurch lose Verschmutzungen und Ablagerungen entfernt werden sollen. Die einfache Dichtheitsprüfung DR2 kann mit Wasser oder Luft erfolgen.

Bei der einfachen Dichtheitsprüfung DR2 mit Wasser müssen die Leitungen mit einem Wasserstand von 0,50 m über Rohrscheitel auf Dichtheit geprüft werden. Ist dieses nicht möglich, können Grundleitungen innerhalb des Gebäudes bis zur Oberkante des tiefsten Entwässerungsgegenstandes oder Unterkante Reinigungsöffnung in der Fallleitung mit Wasser aufgefüllt werden. Die Prüfzeit beträgt 15 min bei einer maximalen Wasserzugabe von 0,2 l/m2 der benetzten inneren Oberfläche.

Bei bestehenden Grundstücksentwässerungsanlagen kann die einfache Dichtheitsprüfung DR2 auch mit Luftüberdruck durchgeführt werden. Hierbei gelten folgende Prüfbedingungen:

  • Prüfdruck = 10 kPa (100 mbar)
  • Zulässiger Druckabfall = 1,5 kPa (15 mbar)
  • Beruhigungszeit in Minuten = 10 x Innendurchmesser in Meter
  • Prüfzeit in Sekunden nach Ablauf der Beruhigungszeit gemäß Tabelle 1 (Bild 4).
Tabelle 1, DIN 1986-30 — Prüfzeiten für die Luftdruckprüfung in Abhängigkeit von DN.
Tabelle 1, DIN 1986-30 — Prüfzeiten für die Luftdruckprüfung in Abhängigkeit von DN.

Prüfergebnisse dokumentieren und bewerten

Zum Ergebnis der optischen Inspektion gehören auch die Auflistung der Schäden einschließlich Kodierung und deren Bewertung im ­Hinblick auf die Sanierungsprioritäten und -zeiträume. Die Ergebnisse der optischen Inspek­tion/Dichtheitsprüfung müssen in einem Protokoll festgehalten und den Leitungsabschnitten eindeutig zugeordnet werden (Bild 5).

Ausschnitt aus Anhang D der DIN 1986-30.
Ausschnitt aus Anhang D der DIN 1986-30.

Durchführung der Sanierung

Gemäß DIN 1986-30, Abschnitt 12.1, muss die Sanierung einer Entwässerungsanlage von einem Fachbetrieb durchgeführt werden. Sanierungsarbeiten sind erforderlich, wenn bei der Dichtheitsprüfung Undichtigkeiten oder bei der optischen Inspektion sichtbare Schäden festgestellt wurden. Um die Sanierungspriorität einer Abwasserleitung oder einer Grundstücksentwässerungsanlage zu bestimmen, ist die Anzahl und Schwere der Einzelschäden maßgebend. Der schwerste Einzelschaden bestimmt grundsätzlich die Sanierungspriorität der Leitung bzw. des Schachtes (Bild 6).

Ausschnitt aus Anhang A der DIN 1986-30.
Ausschnitt aus Anhang A der DIN 1986-30.

Die Sanierungszeiträume für festgestellte Schäden sollten eingehalten werden, sofern die kommunalen Behörden oder die Aufsichtsbehörde aufgrund der örtlichen Randbedingungen keine anderen Zeiträume vorgeben (Bild 7). Mit welchem Verfahren saniert wird, hängt davon ab, welche Schäden festgestellt wurden und wie zugänglich die Abwasserleitungen sind (Bild 8). Bei starker Schädigung der Grundleitungen bzw. einer großen Schadensdichte ist die Erneuerung der Grundleitungen in offener Bauweise oftmals die wirtschaftlichste Lösung. Dabei werden die Leitungen im offenen Graben neu verlegt (Bild 9).

Bei Grundleitungen unterhalb des Kellerfußbodens (Bodenplatte) ist die Erneuerung der Leitungen in einem offenen Graben – verbunden mit dem Öffnen und Verschließen des Kellerfußbodens – in der Regel sehr aufwendig. Vielmehr sollte hier geprüft werden, ob die defekten Grundleitungen aufgegeben und durch die Neuinstallation von Sammelleitungen im Keller ersetzt werden (Bild 10). Bevor die sanierte Grundleitung wieder in Betrieb genommen wird, muss sie erneut mit der Kamera untersucht werden. Nach der Renovierung bzw. Erneuerung einer Grundleitung ist zusätzlich auch eine Druckprüfung durchzuführen. Bei neu verlegten Sammelleitungen innerhalb des Gebäudes müssen keine Kamerauntersuchungen bzw. Druckprüfungen durchgeführt werden. Wiederkehrende Dichtheitsprüfungen sind ebenfalls nicht erforderlich.

Ausschnitt aus Anhang B der DIN 1986-30.
Ausschnitt aus Anhang B der DIN 1986-30.
Tabelle „Sanierungsverfahren“.
Tabelle „Sanierungsverfahren“.
Neuverlegung in offener Bauweise (TML). - © Düker
Neuverlegung in offener Bauweise (TML).
Neu verlegte Sammelleitungen innerhalb des Gebäudes. - © Saint-Gobain HES
Neu verlegte Sammelleitungen innerhalb des Gebäudes.

Qualifikation und technische Ausrüstung

Die Anforderungen an die Qualifikation der Sachkundigen und die technische Ausrüstung der Fachbetriebe sind im Abschnitt 14 der DIN 1986-30 beschrieben. Um die Zustandserfassung, Dichtheitsprüfung und deren Auswertung im Sinne der Norm durchführen zu können, müssen die Sachkundigen qualifiziert und technisch ausgestattet sein. Der Sachkundige bzw. der ausführende Fachbetrieb muss die Qualifikation dem Auftraggeber unaufgefordert nachweisen.

Der Sachkundige muss den landesgesetzlichen bzw. den kommunalen Qualitätsanforderungen entsprechen. Bestehen diese Vorgaben nicht, kann sich der Auftraggeber an den Qualitätsanforderungen der RAL-Güte­sicherung Grundstücksentwässerung (RAL-GZ 968) orientieren. Alle für die Durchführung der Arbeiten notwendigen Betriebseinrichtungen und Geräte müssen vorhanden oder verfügbar sein. Die für den Einsatz bei Grundleitungen erforderlichen Geräte müssen in ausreichender Menge und funktions­fähigem Zustand auf der Baustelle bereitgestellt werden. Im Abschnitt 14.3 der Norm sind die erforderlichen Geräte zur Reinigung, optischen Inspektion und Dichtheitsprüfung sowie weitere Hilfsmittel aufgeführt.

Fazit

Damit Grundstücksentwässerungsanlagen dauerhaft funktionieren und von ihnen keine Gefährdung für die Umwelt ausgeht, müssen sie fachgerecht geplant, ausgeführt und regelmäßig geprüft werden. Neben den Anforderungen der DIN 1986-30 ist die regelmäßige Inspektion und Wartung nach DIN 1986-3 von entscheidender Bedeutung. In den Geschäftsfeldern Inspektion, Wartung und Sanierung von Grundstücksentwässerungsanlagen ergeben sich beträchtliche Auftragspotenziale für die Sanitärbranche.

Autor

Bernd Ishorst ist Geschäftsführer des Informationszentrums Entwässerungs­technik Guss (IZEG) sowie der Gütegemeinschaft Entwässerungstechnik Guss. Zudem gehört er dem Arbeits­ausschuss V2 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ im Normenausschuss Wasserwesen an.

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