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Branchenproblem Nr. 1

In der Nachwuchsfalle

Das zurückliegende Geschäftsjahr 2011 hat die positiven Prognosen für das SHK-Handwerk bestätigt. Mit einem Gesamtumsatz von 35,64 Milliarden Euro haben die über 52500 Handwerksbetriebe den schon hohen Umsatz des Vorjahres noch einmal um eine Milliarde Euro steigern können. Diese 3 % Umsatzwachstum sind ein eindrucksvoller Beleg für die schon in den Vorjahren ­gezeigte Krisenresistenz des deutschen SHK-Handwerks.

Die Betriebe der größten Gruppe des installierenden Gewerbes in Deutschland haben sich mit diesem Umsatzplus an die wirtschaftlichen Kennzahlen herangearbeitet, die Mitte der 90er-Jahre die absoluten Boomzeiten des SHK-Handwerks markierten. Nur haben sie dieses Top-Ergebnis mit 100000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weniger erzielt. Wie groß könnten Produktivitäts- und Umsatzquote heute sein, wenn diese überwiegend qualifizierten Fachkräfte in den vergangenen 15 Jahren ihren Arbeitsplatz im SHK-Handwerk behalten hätten?

Das gibt zu denken. Denn die gute wirtschaftliche Situation hat im vergangenen Jahr noch nicht einmal dazu geführt, dass die ausgelasteten Betriebe Neueinstellungen vornehmen konnten. Die Mitarbeiterzahl ist um gerade einmal 0,5 % auf jetzt 334297 angestiegen. Die Durchschnittszahl der Mitarbeiter pro Betrieb liegt bei unverändert sechs Beschäftigten. Bei einem Auftragsvorlauf von bis zu acht Wochen liefen Stellenangebote weitgehend ins Leere. Der Arbeitsmarkt gibt die Fachleute nicht her, die heute von den SHK-Unternehmen für die Installation einer immer anspruchsvoller werdenden Technik benötigt werden.

Viel Arbeit, wenig Leute

Ein gut ausgebildeter Geselle steht in der Jahresbilanz eines SHK-Betriebs für durchschnittlich 100000 Euro Umsatz. Das ist die Konstante in den Hochrechnungen zur zukünftigen Umsatzentwicklung des SHK-Handwerks. Ihr gegenüber stehen leider eine Reihe von Unbekannten, die solche Berechnungen zu einer Glaskugelprognose werden lassen. Die größte Unbekannte dabei: Wie erfolgreich ist das SHK-Handwerk bei seiner Nachwuchssicherung, wenn es ihm schon heute nicht mehr gelingt, seinen Personalbedarf aus dem Arbeitsmarkt zu decken?

Viel Arbeit, wenig Leute. Diese verkürzte, aber zutreffende Zusammenfassung der Jahresbilanz 2011 ist das Menetekel, die unheilverkündende Warnung vor allzu hochtrabenden Zukunftshoffnungen von 52500 Handwerksbetrieben der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Wie steht es also wirklich um die Zukunft?

Sichere Zukunft nur durch Ausbildung

Die Zahlen verheißen nichts Gutes. In den zurückliegenden zehn Jahren hat das SHK-Handwerk nicht nur insgesamt 100000 Arbeitsplätze eingebüßt. Auch die Summe der Auszubildenden hat sich in dieser Zeit von 70000 auf 35000 halbiert. Da die Handwerksunternehmen den Fachkräftenachwuchs traditionell für die gesamte Branche ausgebildet haben, ist dieser drastische Rückgang an Fachpersonal ein Alarmsignal für alle Akteure im SHK-Markt. Die Branche sitzt in der Nachwuchsfalle.

Wie sollte es auch anders sein? Der Fachkräftemangel ist überwiegend kein hausgemachtes Problem. Die demografische Entwicklung, die dem SHK-Handwerk in den nächsten Jahrzehnten volle Auftragsbücher bei Planung und Einbau barrierefreier Bäder verheißt, reduziert Jahr für Jahr unbarmherzig die Anzahl an Schulabgängern, die sich für eine Ausbildung in den Gewerken des so zukunftssicher erscheinenden SHK-Handwerks begeistern sollen. Denn Deutschland vergreist und wird zu Europas Rentnerrepublik. Während die jüngere Bevölkerung kontinuierlich schrumpft, wird die Zahl der über 65-Jährigen bis 2030 auf über 22 Millionen ansteigen. 2030 wird mehr als jeder vierte Bundesbürger älter als 65 Jahre sein. Die Zahl der über 80-Jährigen wird im gleichen Zeitraum von 4,1 Millionen auf dann 6,4 Millionen anwachsen. 2050 wird sie die 10-Millionen-Grenze erreichen.

Bildungsproblem macht Qualifikation noch schwieriger

Dazu kommt ein ernsthaftes Bildungsproblem. Verglichen mit anderen Ländern ist das Bildungsniveau in Deutschland nur mittelmäßig. Das Land, dessen einzige nennenswerte Ressource die Leistungsfähigkeit seiner Bürger ist, leistet es sich, etwa ein Fünftel seiner ausbildungsfähigen Jugendlichen von vornherein für den Arbeitsmarkt verloren zu geben. Mit dem Resultat, dass in 15 Jahren 1,3 Millionen Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nach Arbeit suchen.

Und während die Zahl der Ungelernten scheinbar unaufhaltsam ansteigt, sinkt die Gesamtschülerzahl – sie wird von 9 Millionen im Jahr 2008 auf 7 Millionen im Jahr 2025 fallen. Demografische Entwicklung, unzureichende Qualifikation und strukturelle Mängel im Bildungssystem ergeben auf diese Weise eine unheilvolle Verbindung, die jede Anstrengung zur Nachwuchssicherung von vornherein belastet.

Knallharter Wettbewerb um den Nachwuchs

Diese Einsicht hat das Handwerk nicht exklusiv. Auch die Politik macht sich entsprechende Gedanken und unterbreitet Handlungsvorschläge. So weiß die Bundesministerin für Bildung und Forschung: „Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt in Handwerksbetrieben werden ganz unterschiedlicher Art sein. Zum einen wird das Durchschnittsalter der Belegschaft steigen, das kann z.B. bei schweren körperlichen Belastungen durchaus ein Problem werden. Dann werden sich die Bedürfnisse der Kunden verändern, denn auch diese werden älter, und Ältere haben nun mal andere Bedürfnisse. Und nicht zuletzt wird das Handwerk, wie andere Branchen auch, Rekrutierungsprobleme haben. Es werden weniger jüngere Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Personalrekrutierung werden in der Zukunft das Image, die Attraktivität, das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen eines Berufes sein.“

Das ist eine richtige und wichtige Analyse. Sie kann dem SHK-Handwerk Orientierung im Bemühen um seine Nachwuchssicherung geben. Sie ist jedoch bereits zehn Jahre alt. Nicht die aktuell amtierende Ministerin Schavan hat diese Sätze formuliert. Es war genau vor zehn Jahren ihre Vorgängerin im Amt, Edelgard Bulmahn.

Augen zu und durch?

Dieser Umstand verdeutlicht das Phänomen, das die Diskussion um den drohenden Fachkräftemangel und die schwierige Nachwuchssicherung von Anbeginn begleitet – und das wahrlich nicht nur im Handwerk. Die gesamte SHK-Branche verschließt vor der unangenehmen Wahrheit die Augen. Die Devise lautet: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen! Letzteres vielleicht noch in gepflegten Sonntagsreden, die das Problem zwar benennen, die aber keine Lösungen aufzeigen, um niemanden zu verschrecken. Schon gar nicht sich selbst.

Wer die Feststellung „Ausbildung sichert Zukunft“ als Imperativ begreift, kann es dabei nicht bewenden lassen. Das SHK-Handwerk und seine Marktpartner sind an einem Punkt angelangt, der abgestimmtes und zielgerichtetes Handeln notwendig macht. Denn Ausbildung ist eine Branchenaufgabe. Das Handwerk allein kann die Kosten für eine wirkungsvolle Nachwuchssicherung allein nicht tragen. Warum sollte es auch? Von den Herstellern über den Handel bis hin zur Versorgungswirtschaft müssen alle Marktpartner ein Interesse daran haben, dem installierenden Gewerbe den qualifizierten Nachwuchs zu sichern. Ausbildung für das SHK-Handwerk ist Zukunftssicherung für die gesamte Branche. Was nützt der Branche das innovativste Produkt, wenn es niemand mehr verkauft? Was gewinnt die Branche durch klimapolitische Vorgaben, wenn niemand diese im Markt umsetzt? Welche Vorteile im interna­tionalen Wettbewerb erringt die Branche, wenn die Fachkompetenz im Heimatmarkt verloren geht?

SHK-Handwerk allein kann die Aufgabe nicht stemmen

Aus der Nachwuchsfalle finden Handwerk und Marktpartner nur gemeinsam heraus. Es gilt, den „Kampf um die Besten“ eines Schulabgangjahres aufzunehmen und beim Werben um geeigneten Nachwuchs in Konkurrenz mit anderen Branchen zu treten. Vornehme Zurückhaltung gewinnt hier nichts mehr. Qualifizierte junge Leute, die die steigenden Anforderungen im SHK-Handwerk erfüllen, wollen umworben werden – und zwar dort, wo sie sich in ihrer Kommunikation untereinander am meisten bewegen: im Internet.

Die Voraussetzungen, mit einem gesteigerten Image der SHK-Berufe gegen starke Mitbewerber um den qualifizierten Nachwuchs zu bestehen, sind dabei gar nicht schlecht. Energie, erneuerbare Energien, Klimaschutz, Umwelttechnik, Trinkwasserhygiene – die Schlagworte, die inzwischen das Berufsbild des SHK-Handwerkers charakterisieren, bilden eine attraktive Projektionsfläche für die Verwirklichung beruflicher Ambitionen junger Auszubildender.

In Anlehnung an die langfristig angelegte Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks hat der ZVSHK eine eigene integrierte Nachwuchswerbekam­pagne gestartet. Den offiziellen Startschuss gab ZVSHK-Präsident Manfred Stather Anfang Februar. Die Kampagne „Volles Rohr Zukunft“ bildet die Grundlage für eine bundesweit abstrahlende Kommunikationsarbeit, die in den nächsten Jahren interessierten Jugendlichen die beruflichen Zukunftschancen als SHK-Handwerker nahebringen soll. Neben der detaillierten Planung der Kampagne hat der ZVSHK auch deren materielle Grundausstattung erarbeiten lassen. Die Homepage – http://www.vollesrohrzukunft.de – sowie Flyer und Plakate zu den SHK-Berufen sind die informative Basis für die weitere Arbeit.

Jeder Betrieb muss aktiv werden

Das Ringen um qualifizierte Auszubildende wird dabei einhergehen müssen mit der wachsenden Bereitschaft der Betriebe auszubilden. Diese Anstrengungen bedingen sich gegenseitig. Sie sind ebenso notwendig wie das wachsende Verantwortungsgefühl von Herstellern, Großhandel und Versorgungswirtschaft für die gemeinsame Nachwuchs­sicherung der Branche.

Auch wird schon bald auf dem Arbeitsmarkt eine Situation eintreten, in der Auszubildende und wechselwillige Arbeitskräfte sich ihren Arbeitgeber aus einer Reihe von Bewerbern aussuchen werden. Die Unternehmen aller Branchen treten in den Wettstreit um qualifizierte Mitarbeiter. Darauf müssen sich auch die SHK-Betriebe einstellen. Ausschlaggebend für den Rekrutierungserfolg eines Unternehmens wird ein positives Arbeitgeberimage sein. Das umfasst die Vergütung ebenso wie das Arbeitsklima, Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten und den Stellenwert des Berufs im öffentlichen Bewusstsein. Natürlich muss dieses Image auch mit Leben gefüllt und gemäß einer modernen Unternehmensführung im Handwerk auch umgesetzt werden.

Die Zeit drängt. Die Konkurrenz ist nicht untätig und einen kommunikativen Rückstand in der Nachwuchswerbung aufzuholen ist ungleich kostenintensiver als vorneweg zu marschieren und den ersten eigenen Meilenstein in der werblichen Ansprache qualifizierter Jugendlicher zu setzen. Es kann jetzt nur heißen: Volles Rohr Zukunft und raus aus der Nachwuchsfalle.

Weitere Aspekte zum Nachwuchsmangel finden Sie in dem Interview mit ZVSHK-Präsident Manfred Stather auf der nächsten Seite.

INFO

Viel weniger junge Leute

Laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent­wicklung ist bis zum Jahr 2030 mit einer Schrumpfung der jüngeren Bevölkerung zu rechnen.

Die Zahl der 20- bis unter 65-Jährigen wird von ca. 50 Millionen um 6,2 Millionen zurückgehen, auch die Zahl der unter 20-Jährigen wird deutlich sinken. Der Anteil der Älteren steigt kontinuierlich: Die Zahl der über 65-Jährigen wird immer größer. Sie steigt von 16,7 Millionen auf 22,3 Millionen Menschen im Jahr 2030. In Zukunft wird mit 28 % mehr als jeder vierte Bundesbürger älter als 65 Jahre sein.

Autor

Frank Ebisch leitet den Bereich Kommunikation und Strategie im Zentralverband Sanitär Heizung Klima, 53757 St. Augustin, f.ebisch@zvshk.de, http://www.zvshk.de