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Gäste-WC gewinnt an Stellenwert

Die Visitenkarte des Hauses

Wer kennt es nicht: Ein Besuch der Toilette steht nicht immer nur unter dem Aspekt einer notwendigen Verrichtung, oft treibt insbesondere die Damen die reine Neugier hierher. Erfahren wir hier doch viel über den Gastgeber und seinen Umgang mit der Hygiene, ziehen Rückschlüsse auf die Wertigkeit, seinen Stil. War der Besuch zufriedenstellend oder darüber hinaus positiv überraschend, empfehlen wir sogar einen Besuch dieser Örtlichkeit.

Mehr als nur eine Notwendigkeit

Ob im Privathaus, beim Besuch eines Restaurants, Theaters oder Büros werden wir meist unbewusst durch den Besuch des stillen Örtchens beeinflusst. Ist dieses ansprechend und sauber, gehen wir auch von einer gepflegten Küche aus, einer Wertschätzung der Gäste bzw. der Besucher oder Mitarbeiter. Fast als ob man hinter die Kulisse schauen könnte: Denn ist die Diskrepanz zwischen den repräsentativen Räumen wie Wohnzimmer, Restaurant oder Meetingräumen zu groß, zweifeln wir an der Echtheit der Selbstdarstellung. Unser Unterbewusstsein zieht eben alle Informationen zur Meinungsbildung zusammen. Dies haben nicht nur Firmen und Restaurants entdeckt, sondern auch private Bauherren.

Spiegelbild des Gastgebers

Eine separate Toilette steht wohl ganz oben auf der Wunschliste eines jeden Bau­herren. Wahrt sie doch die Intimsphäre des eigenen Badezimmers. Aber welche Anforderungen werden an die Gästetoilette heute gestellt?

Überwog früher die Funktionalität, wird heute mehr Wert auf Atmosphäre gelegt: einladend, wohnlicher und oft auch etwas ausgefallen, eben mit einem „Wow“-Effekt. Holz, warme Farbtöne und sanftes Licht sorgen für Wohncharakter. Starke Kontraste oder Farben (Bild 1) können großflächig oder partiell eingesetzt für Spannung sorgen. Das kräftige Orange der Glaswände ist raumbestimmend und zeugt von einem modernen, eher extrovertierten Besitzer. Im Beispiel (Bild 2) steht der Waschplatz im Vordergrund, funktional mit Handtuchhalter und seitlichen Fächern. Das WC könnte sich hier hinter der eingestellten Wand verbergen und wahrt sogar im Gäste-WC Intimität. Bei Benutzung gibt diese Anordnung dem Gast das Gefühl von mehr Schallschutz, als die Raumtür vielleicht zu bieten hat. Zieht man die Materialität zur Beurteilung hinzu, vermutet man einen eher feinfühligen, sensiblen Gastgeber.

Gäste-WC ins Bad integriert

Leider kann dem Wunsch nach einem separaten WC vor allem bei Sanierungen nicht immer entsprochen werden. Dann wird und muss das Bad auch von den Gästen benutzt werden. Die Privatsphäre des Bades geht verloren. Doch je nach zur Verfügung stehendem Badezimmer, seinem Schnitt und der Lage von Türen und Fenstern lassen sich mit kreativen Ideen diese Wünsche ganz oder annähernd verwirklichen.

In solchen Fällen sollte (wenn möglich) das WC im vorderen Bereich positioniert werden und im Idealfall durch ein kleines Gäste-Handwaschbecken ergänzt werden (Bild 3). So lässt sich der Raum in öffentlichen und privaten Bereich gliedern. Eine Verschmutzung des Barfußbereiches durch Straßenschuhe wird so vermieden. Hier wurde sogar noch eine kleine Waschmaschine im Waschtischkorpus versteckt. Um den sowieso schon kleinen Raum mit 6m2 nicht noch mehr einzuengen, wurde auf eine komplette Raumtrennung verzichtet (Bild 4). Lässt es das Platzangebot zu, kann auch eine räumliche Trennung erfolgen. Der Wunsch nach einem separierten WC im Badezimmer finden wir trotz vorhandenem Gäste-WC auch vermehrt in Einfamilienhäusern – sei es zur Wahrung der Intimsphäre gegenüber den Familienmitgliedern oder weil an die Zukunft gedacht wird, wenn die Kinder ihre Freunde ins Haus holen, die meist zu faul sind, das Gäste-WC eine Etage tiefer zu nutzen. Im Beispiel (Bild 5) wurde im vorderen Bereich ein separater Raum für ein WC mit Handwaschbecken abgeteilt. Eine Art Vorflur stellt die Verbindung zum Bad her, welches über eine große Schiebetür bei Bedarf abgeteilt werden kann. Selbst bei geöffnetem Zustand ist das eigentliche Badezimmer nicht einsehbar.

Örtchen mit Doppelfunktion

Oft wird der Wunsch nach einer Dusche im Gäste-WC geäußert – für Gäste und/oder um die Kinder oder den Hund auf kürzestem Weg von Schmutz zu befreien. Hierbei soll gestalterisch die Dusche in den Hintergrund treten, um dem Gast nicht das Gefühl zu vermitteln, in ein Bad eingedrungen zu sein. Ideale Lösungen sind zurückliegende Nischen durch geflieste Duschbereiche und transparente Glasabtrennungen. Leider wird bei dieser Doppelfunktion oft vergessen, dass Übernachtungsgäste auch Ablagefläche oder idealerweise Stauraum benötigen. Denn nur dann kann auch während einer Nutzung als Gästebad der aufgeräumte Charakter einer Gästetoilette gewahrt werden.

Büro, Arzt, Gastronomie und Co...

Hier spielt die Toilettenanlage eine entscheidende Rolle, denn daraus ziehen wir vor allem Rückschlüsse auf den Umgang mit der Hygiene. Überall dort, wo Hygiene eine entscheidende Rolle spielt – ob in der Gastronomie, beim Arzt oder großen Menschenansammlungen (Theater, Büro) –, beeinflusst das WC die Entscheidung für einen weiteren Besuch. Das WC einer Arztpraxis könnte zum Beispiel (Bild 6) die in der Behandlung gewünschte Hygiene widerspiegeln: Die Farbe Weiß steht für Reinheit – im geistigen ebenso wie im körperlichen Sinne. Trotzdem muss Ton in Ton nicht langweilig sein. Spannung entsteht durch das mit Lamellen verhängte Dachflächenfenster. Dieses erzeugt interessante Lichtspiele und rundet die Raumgestaltung ab. Es entsteht eine Komposition aus Weiß- und Grautönen. Ein Regal im Eingangsbereich hält für jeden Gast ein sauberes Handtuch bereit und lockert das Ganze auf.

Inzwischen achten wir aber nicht mehr nur auf saubere Toiletten und Waschtische, auch die Atmosphäre des Raumes hat Einfluss auf unsere Beurteilung. Waren früher Toiletten raumhoch hell gefliest und mit Neonlicht ausgeleuchtet, wollen wir heute „berührt“ werden (Bild 7), unsere Seele und Sinne sollen angesprochen werden. So finden wir häufig eher dunkel, ja fast mystisch gehaltene Räume vor. Einer Theater-Inszenierung gleich werden die Objekte präsentiert. Licht spielt bei solchen Gestaltungen eine maßgebliche Rolle. Psychologisch gesehen fühlen wir uns als ehemalige Höhlenmenschen in dunklen Räumen wohl und beschützt.

Bei Neubau-Projekten übernimmt dies meist der Architekt oder Innenarchitekt. Schaut man sich Vermietungsexposés an, findet man an oberster Stelle die Ausstattungsbeschreibung der WC-Anlagen und Küchen. Da immer mehr Unternehmen sich des gestiegenen Stellenwertes bewusst werden, hat dies auch für Bestandsgebäude Sanierungen zur Folge. Hier ist eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Unternehmensphilosophie und der Corporate Identity notwendig. Ob klassisch, modern oder ausgeflippt – so soll sich auch das neue WC präsentieren. Man stelle sich nur ein Möbelgeschäft mit modernen Klassikern vor. Eine Kundentoilette ist hier nach heutigen Richtlinien nicht vorzuhalten. Da ein Beratungsgespräch aber schon mal einige Stunden dauert und Getränke gereicht werden, findet der eine oder andere Kunde doch den Weg zur Örtlichkeit. Weist diese eine extreme Diskrepanz zu den Ausstellungsräumen auf, sinkt die Kaufbereitschaft des Kunden. Wurde vorher über hochwertige Materialien, Design und Funktionalität philosophiert, zweifelt der Kunde nun – und sei es nur unbewusst – an der wirklichen Kompetenz des Geschäftes. Psychologisch bestimmt nicht verkaufsfördernd. Diese Zusammenhänge muss der Badprofi seinen Kunden vermitteln.

Mitarbeitermotivation via WC

Viele Unternehmen sitzen in älteren Gebäuden, oft auch in umgenutzten Mehr- oder Einfamilienhäusern. Oft steigt die Anzahl der Mitarbeiter und irgendwann reichen die Toilettenanlagen nach Arbeitsstättenrichtlinien (ASR) nicht mehr aus, was im schlimmsten Fall zu einer Strafe oder sogar Schließung führen kann. Hier stehen Planer dem Problem gegenüber, dass meist kein Platz für zusätzliche Toilettenanlagen vorhanden ist. Eine komplette Begehung und Analyse der gesamten Räumlichkeiten stehen an. Vor allem benachbarte Flächen (für die Ver- und Entsorgung) oder auch die Küche bieten oft noch Möglichkeiten zur Erweiterung der Toilettenanzahl. Denn in heutiger Zeit muss keine Küche für das Personal mehr vorgehalten werden, eine Pantry reicht aus. So kann oft aus der Küche neuer WC-Raum gewonnen werden und die Pantry kommunikativ in den Flur gelegt werden. So wird nicht nur der Arbeitsstättenrichtlinie entsprochen, sondern den Mitarbeitern Wertschätzung entgegengebracht. Dies hat in der Regel positive Auswirkungen auf das Arbeitsklima.

Der Planer ist gefordert, dem einst nur zweckgebundenen Örtchen ein individuelles Gesicht zu geben. Atmosphäre und Fortführen des Einrichtungsstils oder der Corporate Identity stehen an oberster Stelle. Denn nur zufriedene Gäste kehren wieder. Und nur zufriedene und gut beratene Kunden bleiben dann auch dem Handwerksbetrieb treu.

Checkliste

Corporate Identity der Firmenkunden berücksichtigen

Die Gestaltung dem Wohnstil bzw. der Firmendarstellung anpassen:

  • Bei Läden und Restaurants Motto bzw. Thema erfragen
  • Eventuell Firmenfarben – zum Beispiel Logo – berücksichtigen
  • Gestalterische Auseinandersetzung mit der Firmenphilosophie (gediegen, puristisch, verspielt…)
  • Klären, ob es eher eine Besucher- oder Mitarbeiter-Toilette sein soll
  • Einrichtungsstil der Firmen aufnehmen und bei der Badplanung berücksichtigen
  • Affinität zu berührungsfreien Armaturen und Soundsystemen erfragen

Anforderungsprofil erstellen

Genaues Erfragen der Bedürfnisse und Gewohnheiten erleichtert das Planen

  • Werden Gäste- oder Papierhandtücher, Handtrockner oder nur ein Handtuch gefordert?
  • Bei Einmalhandtüchern die Tages­bedarfsmenge ermitteln bzgl. Sammelbehältergröße
  • Wahl und Vorlieben in Bezug auf Seifenstücke oder Flüssigseife klären
  • Wird zusätzlicher Stauraum, z.B. für Hygieneartikel, benötigt?
  • Wird ein Urinal gewünscht?
  • Hygiene-Abfallbehälter berücksichtigen
  • Soll Lesestoff untergebracht werden?
  • Wie viel Dekorationsfläche oder Ablage wird gewünscht?

Wenn Tageslicht fehlt

Augenmerk auf Lichtinszenierungen und Atmosphäre werfen:

  • Licht als Gestaltungsmittel einsetzen – wie beim Theater
  • Es muss nicht grundsätzlich eine helle Gestaltung gewählt werden – auch dunkle, mystische Räume haben ihren Reiz
  • Atmosphärische Highlights wie eine besonders betonte Wand oder eine dekorative Nische setzen
  • Große Spiegelflächen lassen den Raum größer wirken
  • Vortäuschen von Fenstern, zum Beispiel durch hinterleuchtete Milchglasscheiben
  • Auf großzügige Be- und Entlüftung achten

Je kleiner der Raum, desto wichtiger die Planung

Es kommt auf jeden Zentimeter im WC an:

  • Bewegungsfreiraum vor und neben dem WC beachten
  • Erreichen des Klopapieres ohne extreme Verrenkungen ermöglichen
  • Stauraum für Hygieneartikel berück­sichtigen
  • Montagehöhe des WCs auf Alters­gruppe abstimmen
  • Waschbeckengröße und -form dem ­Platzangebot anpassen
  • Spitze Kanten bei engen Räumen ­vermeiden
  • Wenn möglich, Blick auf das WC beim Betreten verhindern
  • WC-Türen mit Schallschutz aussuchen

zur Sache

Keimfrei durch Händewaschen?

Dank Schweinegrippe hat das Thema Händewaschen und allgemeine Hygiene wieder einen neuen Stellenwert in unserer globalisierten Welt bekommen. Nach dem Einkauf, der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder vor dem Essen ist der Drang, uns die Hände zu waschen, gestiegen. Sogar in Schulen wird Händewaschen vor und nach jeder Pause propagiert. Das hat zur Folge, dass das Gäste-WC wesentlich öfter angesteuert wird als noch vor Jahren. Nicht nur der Seifenverbrauch pro Kopf ist gestiegen, sondern auch in den Köpfen spielt sich etwas ab. Plötzlich wird jedem bewusst, wie oft er mit seinen Händen ins Gesicht fasst, und er fragt sich, wen oder was er wohl vorher berührt hat. Sensortechnik für Armaturen und Seifenspender minimieren den Kontakt.

Laut einer Forschungsstudie des TÜV Rheinland ist das Abtrocknen ausschlaggebend für die Keimreduzierung. Beim Waschen erhöht sich die Anzahl der Erreger auf der Haut, denn diese werden aus tieferen Hautschichten an die Oberfläche transportiert. Erst das Abtrocknen entfernt die Keime. Also ist die Art der Abtrocknung entscheidend: Stoffhandtücher haben dabei nicht gut abgeschnitten, ebenso können Heißluftföhne die Keimanzahl erhöhen. Am besten schnitten Papierhandtücher im Test ab.

Bleibt noch der Griff zum Türdrücker als Übertragungsort unangenehm im Gedächtnis. Laut Forschungsergebnissen soll Kupfer als Türgriff das ideale Material sein, da es die meisten Keime abtötet. Bleibt die Frage, ob wir Kupfer in unsere von Chrom und Alu bestimmte Materialwelt gestalterisch einbinden wollen und können.

Nicola Stammer

Extras

Weitere Empfehlungen und Anregungen erhalten Sie unter der Rubrik Aktuelles/Extras auf der SBZ-Homepage unter

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Autor

Nicola Stammer ist diplomierte Innen­architektin. Schon zweimal konnte sie als ­Siegerin des SBZ-Bad-Kreativ-Wettbewerbs überzeugen und wurde 2010 in die Jury berufen.

Nicola Stammer

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