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“Winterlüfter“: Die Schwerkraft bringt die Luftumwälzung

Dezentrale Wohnraumlüfter, als Wandeinbaugeräte vorwiegend für den Altbausanierungsbereich, gibt es seit mehreren Jahren in verschiedenen Luftführungstechnologien auf dem Markt. Diese haben gegenüber den zentralen Lüftungsanlagen folgende Vorteile:

  • Weniger Hygieneprobleme, da keine Kanäle erforderlich, gut zugängliche Wärmetauscher
  • Keine Abhängungen oder Technikschächte für die Luftkanalverlegung erforderlich.

Der Erstautor hat sich solche Raumlüftungsgeräte, bei welchen Frischluft und Fortluft durch ein und dieselbe 37-cm-Wandbohrung geführt werden, in sein Büro und sein Schlafzimmer installiert und nach der Vermutung unzureichender Luftumwälzung bzw. unerträglichem Lüfterlärms diese im Labor einer wissenschaftlich-technischen Untersuchung unterzogen. Für das untersuchte Gerät (mit Kreuzstromwärmetauscher) gibt es einen Hersteller und mindestens drei in der Lüfterbranche renommierte Anbieter, welche sich untereinander durch jeweils etwas modifizierte elektronische Bedieneinheiten und firmeneigene Innenblenden abzugrenzen versuchen. Dabei wählte nur einer der drei Anbieter eine sinnvollere Innenblende, welche die Frischluft nach der einen Seite einbläst und die Fortluft an der anderen Seite absaugt und somit einen Lüftungskurzschluss weitgehend vermeidet.

Im Sommer 2015 wurden im Forschungsinstitut LAMS (Labor für Angewandte Mechatronik und Systemkonstruktion) der Hochschule Furtwangen am Testgerät (mit einer Innenblende, bei der Zuluft und Fortluft nebeneinander angeordnet sind) gemessen:

  • Effektivitat des Luftaustausches
  • Schallemission
  • Energieverbrauch.

Dabei wurden mit abgesicherten wissenschaftlichen Messmethoden unerwartet schlechte Werte bezüglich Luftumwälzung und Schall ermittelt und bestätigt.

Messung der Luftumwälzung und des tatsächlichen Luftaustauschs

Da bei diesen dezentralen Wohnraumlüftern montagebedingt Zu- und Abluft durch eine einzige Maueröffnung (z. B. Kernlochbohrung 37 cm) geführt werden, drängt sich der Verdacht des „lufttechnischen Kurzschlusses“ auf. Dies bedeutet, dass ein Teil der in den Raum eingeblasenen Frischluft umgehend ungenutzt über die unmittelbar neben der Zuluftöffnung angeordnete Abluftöffnung abgesaugt wird.

Dieser Verdacht konnte durch Anemometer-Messungen bestätigt werden. Für die weiteren experimentellen Untersuchungen wurde ein solcher Wohnraumlüfter in eine isolierte Fensterverblendung eines Laborraums eingebaut (Bilder 1 und 2). Um die Frischluft weiter ins Rauminnere zu leiten und den mit der Serienblende festgestellten „Strömungskurzschluss“ zu vermeiden, wurde ein Luftkanal angefertigt und an den Frischlufteinlass angebaut (Bilder 3 und 4).

Um die Luftströmung nach vollständiger Raumverdunkelung zu visualisieren, wurde eine Laserlinie installiert. Diese ist drehbar gelagert, sodass entweder eine vertikale oder eine horizontale Fläche im ein- und ausströmenden Luftvolumen beleuchtet werden kann, während das restliche Raumvolumen

nahezu dunkel bleibt.

Ab Versuchsbeginn wurde dann mit einer Nebelmaschine solange Nebel in den Raum verbracht bis sich im Raumvolumen um den Lüfter ein nur noch durch den Lüfter (leicht) bewegtes „Nebelschwaden-Verwirbelungsbild“ einstellte. Da sich dieses Verwirbelungsbild nur an Ein- und Auslass-Öffnungen des Raumlüftungsgeräts bewegte, konnte mit fotografischen Folgebild-Aufnahmen die Luftbewegung zuverlässig visualisiert und im Raum rekonstruiert werden.

Kaum Luftaustausch gegeben

Die geprüften Geräte können vom Anwender (je nach firmeneigener Bedieneinheit) in drei oder vier Lüfterstufen betrieben werden. Allerdings ist schon Stufe 1 bezüglich der Schallemission für bewohnte Räume nachts (TA Lärm: 25 dB(A)) keinesfalls mehr zulässig; Lüfterstufe 2 überschreitet dann die bei Tag gültigen Richtwerte (TA Lärm: 35 dB(A)) und Lüfterstufe 3 bzw. 4 sind in der akustischen Betrachtung völlig inakzeptabel.

Ebenso gravierend fällt der Lüftungskurzschluss bei Verwendung der serienmäßigen Blenden aus: Die experimentellen Ergebnisse der Frischlufteinbringung waren mit den serienmäßigen Lüftungsgittern vollkommen unzureichend: Ein großer Teil (etwa die Hälfte) der angesaugten Zuluft („laminare Verdrängungsströmung“) wird vom daneben liegenden Fortluftkanal wieder ungenutzt ins Freie gebracht. Um dieses gravierende Defizit abzustellen, wurden im Laborversuchsaufbau einmal ein 180 cm langer, gerader und dann ein 80 cm langer, 30° abgewinkelter Zuluftkanal angebaut, womit nun die Frischluft vor allem vom Fortluftsog ferngehalten, aber auch weiter in die Raummitte transportiert werden konnte. Doch selbst mit diesem innenarchitektonisch inakzeptablen Anbau funktionierte eine ausreichende Luftdurchmischung nur bei den Lüfterstufen 3 und 4 einigermaßen zufriedenstellend. In den Lüfterstufen emittieren diese Geräte jedoch einen unzulässigen Schallpegel. Die Volumenstromwerte der Geräte stimmen zwar mit den Datenblattwerten überein (17, 30, 45, 60 m2/h), zumindest solange die Luftfilter und das Lufteinlassgitter sauber sind, jedoch ist die Tragweite in den Raum äußerst gering (Bilder 5 bis 7). Die Frischluft bleibt größtenteils einige zehn cm vor dem Lufteinlass stehen – außer bei kalten Außentemperaturen: Dann hilft die Schwerkraft entscheidend bei der Luftumwälzung, zumindest in der Ecke, in welcher der Lüfter eingebaut ist – daher „Winterlüfter“!

Schallemission unzulässig

Wie bereits angedeutet liegen die Schallemissionen der geprüften dezentralen Lüftungsgeräte nur in Lüfterstufe 1 im für Wohnräume zulässigen Bereich (TA Lärm). Leider ist in der Lüfterstufe 1 aber die Luftwechselleistung völlig unzureichend, selbst wenn sich nur eine Person schlafend (= minimaler Luftverbrauch) im Raum befände.

Erst in Lüfterstufe 2 wird eine Luftzufuhr von 30 m3/h, ausreichend für eine Person, erreicht. Eine qualifizierte Schallmessung der – in den Datenblättern mit „vertrauenserschleichenden dB-Werten“ angegebenen, aber von den Nutzern durchweg als zu laut empfundenen – Wohnraumlüfter brachte schockierende Ergebnisse: Nur in der selbst für eine einzelne Person unzureichenden Lüfterstufe 1 emittieren diese Lüftungsgeräte noch zulässige Schallwerte. In Lüfterstufe 3 oder 4 ähnelt das Geräusch gar einem Staubsauger und ist schon ab Lüfterstufe 2 für Wohnräume unzulässig (Bild 8).

Energieverbrauch zu hoch

Eine weitere Besonderheit fällt bei der Messung der Leistungsaufnahme auf (Bild 9). Die Leistungsaufnahme des Gerätes ist gegenüber den Datenblattwerten durchweg erhöht, was Mehrkosten bedeutet: So bringen es die 4,5 W Mehrleistung bei Lüfterstufe 2 auf etwa 40k Wh Mehrverbrauch im Jahr. Außerdem kann das Gerät bei manchen Versionen im Auslieferungszustand nicht vollständig abgeschaltet werden; das kontrollierte Ausschalten (mit Klappenschließen) muss erst über ein vom Lieferanten zu beziehendes Passwort freigeschaltet werden.

Schaltet man das Lüftungsgerät dann auf Lüfterstufe 0, so werden zwei Luftklappen mit 9 W Stromaufnahme (entspricht Lüfterstufe 3) durch thermische Aktoren aktiv zugehalten. Diese Konstruktion sorgt unter anderem dafür, dass bei Stromausfall die belüfteten Räume durch die offenen Klappen ohne Ventilatorantrieb auskühlen. Die Geräte scheinen somit grundsätzlich nicht zum kontrollierten Ausschalten konstruiert worden zu sein. Dies ist ein absolutes „Knock-out-Kriterium“ hinsichtlich der EnEV.

Bewertung und Resüme

Die experimentellen wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigten die vom Nutzer bereits gefühlten Defizite: Mangelhafte Frischlufteinbringung vor allem in der akustisch noch erträglichen Lüfterstufe 1.Die Luftbewegung ist in der einzig vom Geräusch her noch zulässigen Lüfterstufe 1 so gering, dass vor allem die Gravitation der nach unten fallenden kühlen Frischluft eine einigermaßen wirksame Raumdurchmischung bringt. Des Weiteren spielt in dieser niedrigen Stufe der außen, vor allem in der Übergangszeit, oft vorhandene Wind mit dem Gerät, sodass das Verhältnis von Zu- und Abluft so verändert wird, dass der für den heutigen Technikstand nicht mehr optimale Wärmetauscher (Wirkungsgrad 70 %) noch schlechter arbeitet. Die Schallemissionen entsprechen ab Lüfterstufe 2 nicht mehr den nach TA Lärm (1998) geforderten Werten fur Wohnräume. Die Grenzwerte fur den Nachtbetrieb liegen dabei noch wesentlich tiefer.

Auch das konzentrierte Arbeiten im Büro ist bei der Geräuschkulisse ab Lüfterstufe 2 bereits beeinträchtigt. Somit ist das getestete Gerät für Wohngebäude ungeeignet und dürfte die Produktbezeichnung Wohnraumlüfter eigentlich nicht führen.

Autoren

Die Autoren des Forschungsinstitutes LAMS der Hochschule Furtwangen ( www.hs-furtwangen.de ) Leitung:

Prof. Dr.-Ing. Franz Aßbeck,Antriebs-, Regelungs- u. Hochfrequenztechnik, Fakultät Mechatronik u. Medical Engineering

Dipl.-Ing.(FH) Simon Grigull , Entwicklungsingenieur und Mitglied in VDE-Arbeitskreisen
BSc. Alexander Wilke , Technischer Leiter des Safetylabors, Studiengang Security&Safety Engineering, Mitglied des DIN/VDI-Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS)