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Einsteiger-IR-Kameras

Spielzeug oder Messgerät?

Eine Wärmebildkamera für 199 Euro im Baumarkt für den ambitionierten Hausbesitzer? Ganz so weit ist es – glücklicherweise – noch nicht. Noch immer muss man beim Preis das Komma um eine Stelle nach rechts verschieben, will man ein günstiges Einsteigermodell erwerben. Auffallend ist jedoch, dass alle IR-Kameraanbieter ihre Produktpalette mittlerweile nach unten erweitert haben – als „Türöffner“ für neue Märkte. Für Handwerker und andere Zielgruppen, die bisher die Preishürde gescheut haben, wird diese vielseitige Messtechnik plötzlich erschwinglich. Aber sind preiswerte Einsteigermodelle ab 1000 Euro auch wirklich ihren Preis wert? Und vor allem: Eignen sie sich auch für die Einsatzbereiche eines SHK-Betriebes – dem Orten von Leitungsleckagen, Heiz- und Warmwasserleitungen, Strömungsblockaden oder dem Aufspüren von Wärmelecks? Schließlich kosten Thermografiekameras aus dem mittleren Preissegment das Fünf- bis Zehnfache. Irgendwo müssen also Abstriche gemacht werden, damit sich für die Hersteller auch Einsteigerkameras rechnen.

Wie unterscheiden sich Einsteiger- von Profikameras?

Es gibt sie natürlich – die Unterschiede zum Mittelklasse- und Profisegment: Sie fallen teilweise sogar recht deutlich aus – etwa bei der Kameratechnik, die sich letztlich in der Messgenauigkeit und Bildqualität niederschlägt: Die Auflösung des Infrarot-Detektors, dem Herzstück der Thermografiekamera, ist auf 160 x 120 Pixel oder sogar weniger (z.B. 80 x 60) beschränkt. Im Vergleich dazu verfügen Mittelklasse-Kameras über 320 x 240, Profimodelle über 640 x 480 Pixel und mehr.

Die kleinste messbare Temperaturdifferenz liegt bei etwa 0,1 Kelvin, wohingegen 0,03 bis 0,05 Kelvin im mittleren und oberen Preissegment üblich sind. Je kleiner dieser Wert ist, desto geringer ist die Gefahr des so genannten „Bildrauschens“, das Wärmebilder (Thermogramme) mehr oder weniger unscharf erscheinen lässt. Ähnliche Unterschiede gibt es auch bei der vom Objektiv abhängigen geometrischen Auflösung, der Bildfrequenz usw. Einschränkungen im Hinblick auf die Bildqualität, Genauigkeit oder Einsatzmöglichkeiten muss man auch hinnehmen, weil die extrem teuere Optik wesentlich einfacher aufgebaut und weniger hochwertig ist, diverse Einstellungs- oder Messfunktionen fehlen, meist kein Objektivwechsel möglich, kein optischer Sucher vorhanden oder das Display nicht dreh- und/oder schwenkbar ist.

Stichwort Display: Angezeigt wird das von der Kamera erzeugte Wärmebild auf einem LCD-Display, dessen Bildauflösung deutlich höher ist, als das Thermogramm selbst (bis zu 21 Mal höher!). Die Displayanzeige rechnet das Kamerabild hoch und „bläst“ es damit künstlich auf. Dadurch kann beim unerfahrenen Käufer ein falscher Eindruck über die tatsächliche Bildgröße und Qualität entstehen. In Wirklichkeit haben die Wärmebilder eher Briefmarkengröße, was insbesondere bei der Thermografie großer Objekte, wie etwa ganzer Hausfassaden, problematisch ist, weil man keine Details erkennen kann. Teilweise fehlt auch eine Digitalkamera-Funktion oder eine Positionierungshilfe (Laserpointer) usw. Das meist in der Pistolengriff-Bauform ausgeführte Gehäuse ist meist staub- und spritzwassergeschützt, teilweise auch stoßfest.

Aber es gibt auch ein paar Vorteile: Verglichen mit Profimodellen sind Einsteigerkameras einfach bedienbar – eben weil sich die Kamerafunktionen auf das Wesentliche beschränken. Vor allem aber sind sie leicht, kompakt und handlich. Damit spielen sie ihren womöglich einzigen Vorteil aus: Weil sie, je nach Modell, mehr oder weniger bequem in eine Jackentasche oder einen Messkoffer passen, kann man sie immer und überall dabei haben – etwa beim Kunden- oder Baustellentermin. So kann man sich an Ort und Stelle schnell nicht nur ein visuelles, sondern auch ein thermografisches Bild von der jeweiligen Situation machen.

Wofür sind Einsteigerkameras geeignet, wofür nicht?

Damit sind im Wesentlichen auch schon die Einsatzmöglichkeiten von Einsteigerkameras in der Gebäudethermografie genannt: Sie eignen sich vor allem für den schnellen Vorab-Check von Heizkörpern, Heizanlagen, Fußboden-, Decken- und Wandheizungen, für die Qualitätskontrolle ausgeführter Arbeiten etc. Interessant sind Einsteigerkameras auch für die Leitungs- und Leckageortung: Im Mauerwerk oder Estrich verlegte Warmwasser- und Heizleitungen können visualisiert werden, damit man sie nicht versehentlich anbohrt. Ebenso können unter Umständen auch Leckagen an Heiz- oder Warmwasserleitungen räumlich eingegrenzt und Instandsetzungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Überfordert sind Low-Cost-Kameras, wenn man beispielsweise detailreiche Thermogramme einer Außenfassade braucht oder in Räumen bauphysikalischen Problemen auf den Grund gehen will. Professionelle Anwender wie Gebäudeenergieberater oder Gutachter müssen ohnehin erheblich „schärfer“ sehen – mindestens vier Mal so scharf! Geht es in den Sachverständigen-Bereich und sollen thermografische Gutachten im Ernstfall auch vor Gericht Bestand haben, beginnen seriöse radiometrische Auflösungen erst bei 320 x 240 Bildpunkten (siehe auch: VATh-Richtlinie zur Bauthermografie, https://www.vath.de/ ).

Einsteigerkameras im Vergleich

Die Kamera-Modellvielfalt ist im unteren Preissegment (bis ca. 5000 Euro) mittlerweile recht groß (siehe Marktübersicht). Teilweise haben die Anbieter gleich mehrere Einsteigermodelle im Portfolio. Aus Platzgründen vergleicht die Übersicht maximal zwei Geräte eines Herstellers. Beim Vergleich mehrerer Geräte sollte man neben den Kameradaten auch den Anbieter berücksichtigen: Seit wann ist er auf dem Markt? Zählen auch SHK-Betriebe zu seinen Kunden? Bietet er auch Schulungen an? Wie gut ist sein Service?

Zu den wichtigsten Kamera-Parametern gehören die Bilddaten: die Detektorauflösung gibt an, in wie viele Pixel in X- und Y-Richtung der Detektor die von der Optik erfassten Daten auflösen kann. Berücksichtigt wurden hier Kameras mit einer Detektorauflösung unter 320 x 240, also mit 160 x 120 Pixel oder weniger. Das Sehfeld gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der mitgelieferten Optik an. Auch die geometrische Auflösung (IFOV) entscheidet über die Bildqualität. Der IFOV-Wert ist abhängig vom aktuell eingesetzten Objektiv, das optional durch ein Weitwinkel- oder Teleobjektiv austauschbar sein sollte, was bei Low-Cost-Geräten allerdings die Ausnahme ist. Die Bildfrequenz spielt eher bei der zeitlichen Betrachtung thermischer Vorgänge eine Rolle, sollte aber etwa um die 50 Hz liegen.

Wichtige Parameter bei der Messung sind der erfasste Temperaturbereich, der bei Bauthermografie-Kameras zwischen –20 °C und +250°C liegen sollte und vor allem der so genannte NETD-Wert. Er gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor erfasst werden kann und liegt bei Einsteigergeräten bei 0,1 Kelvin. Die Genauigkeit gibt die Messabweichung in Prozent bei 30°C an; sie nimmt mit hohen oder niedrigen Temperaturen ab. Zu den Kameraeinstellmöglichkeiten sollten mindestens eine präzise Eingabe des Emissionsgrades und der reflektierten Temperatur sowie optional des Messabstands und der Luftfeuchte gehören. Im Hinblick auf die Messfunktionen, d.h. das, was direkt am Kamera-Display radiometrisch ausgewertet werden kann, sollte mindestens eine Anzeige von Isothermen sowie des Minimal- und Maximalwerts vorhanden sein. Eine Berechnung des Taupunkts bieten nur einige Kameras. Die in der Regel aus Germanium-Linsen bestehende Optik sollte eine manuelle Fokussierung ermöglichen, was nicht bei allen Einsteigergeräten der Fall ist. Eine Wechseloptik ermöglicht einen optionalen Wechsel zwischen Tele- oder Weitwinkelobjektiven. Letztere sind vor allem für die Aufnahme in Innenräumen wichtig. Das Display sollte möglichst dreh- und/oder schwenkbar sein, um auch aus ungünstigen Kamerapositionen heraus Aufnahmen machen zu können. Je größer die Auflösung und Displaygröße, desto besser. Allerdings sollte man sich der oben genannten Problematik zum Thema „Displayanzeige“ bewusst sein.

Im internen Speicher, der teilweise überhaupt nicht oder ausschließlich vorhanden ist, sollten möglichst viele Bilddaten abgelegt werden können. Ein zusätzlicher Wechselspeicher (SD oder Mini-SD-Kartenformat) vereinfacht den Datenaustausch und schafft unterwegs Speicherreserven.

Zusatzfunktionen wie ein Laserpointer oder eine Digitalkamera vereinfachen die ­Lokalisierung von gemessenen Minimal-/Maximalwerten bzw. erleichtern die Bildorientierung. Eine Bild-im-Bild-Funktion ermöglicht zusätzlich die Überlagerung von Tageslicht- und Infrarotfotos. Die Auflösung der Digitalkamera (sofern vorhanden) ist meist jedoch so niedrig (ca. 1–3 Megapixel) und die Bildqualität so schlecht, dass es besser ist, parallel ein Fotohandy/Smartphone oder besser noch ­eine separate Digitalkamera zu verwenden.

Beim Gehäuse sollte man auf kompakte Abmessungen, ein geringes Gewicht und „Baustellentauglichkeit“ (Schutzart ab IP 54 = staub- und spritzwassergeschützt) achten. Über die verbleibende Betriebszeit sollte eine Akku-Ladestandanzeige Auskunft geben. Die Lithium-Ionen-Akkus sollten austauschbar sein, kurze Ladezeiten und möglichst lange Betriebszeiten aufweisen. Zum Standard-Zubehör sollten ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, ein stabiler Transportkoffer, eine Auswertungs-Software sowie gegebenenfalls weiteres Zubehör gehören.

Vor lauter Kameratechnik sollte man auch den Support nicht vergessen: Nicht immer werden vom Anbieter auf das jeweilige Kameramodell oder die jeweilige Anwendung abgestimmte Schulungen angeboten und auch die Qualität der Schulungen ist sehr unterschiedlich (Referent, Inhalte, Skripte etc.). Auch eine kostenlose Hotline, Software­updates oder eine optionale Kamerakalibrierung gehören nicht immer zum Standard. Hier unterscheiden sich die Anbieter sowohl vom Umfang und den Kosten als auch von der Qualität der Leistungen teilweise deutlich. Die von den Anbietern genannten Besonderheiten stellen die Alleinstellungsmerkmale des jeweiligen Modells heraus.

Keine Thermografie ohne Schulung

Gerade einfach zu bedienende Einsteiger­kameras suggerieren, dass die Thermografie einfach sei. Doch ohne Fachwissen geht in der Thermografie nichts! Zwar können auch Laien auf dem Kameradisplay Temperaturunterschiede erkennen und damit Wärmebrücken auf die Spur kommen. Das Wärmebild verleitet aber schnell zu Fehlschlüssen, weil es zwar anhand der Farb-/Temperaturskala leicht zu lesen, aber schwer zu interpretieren ist. Ein auf dem Kameradisplay angezeigtes Temperaturgefälle kann nämlich ganz unterschiedliche Gründe haben: eine ungenügende Wärmedämmung, ein Materialwechsel, eine undichte Gebäudehülle, Feuchtigkeit, eine thermische Reflexion, Sonneneinstrahlung. Temperaturunterschiede im Wärmebild korrekt zu interpretieren setzt deshalb Know-how und Erfahrung voraus. In den Händen eines Laien kann dieses Messverfahren eher schaden als nutzen – gerade bei so schwierigen Messaufgaben wie der SHK-Thermografie.

Grundsätzlich sind Thermografie-Kameras präzise Temperatur-Messgeräte, die Bild­daten liefern und deren Interpretation ­Fachwissen voraussetzt. Dabei müssen Randbedingungen (Messobjekt, ggf. Sonnen-/Windexposition, Wetter etc.) und technische Parameter wie Temperaturunterschiede, materialspezifischer Wärmeabstrahl-Kennwerte (Emissionsgrad) oder thermische Spiegelungen an glatten Oberflächen etc. berücksichtigt und richtig eingeschätzt werden. Darüber hinaus sollte die Thermografie aufgabenbezogen durch andere, objektspezifische Messverfahren (Feuchtigkeits-, Differenzdruck-Messung etc.) ergänzt werden. Kenntnisse aus den Bereichen Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Materialkunde, Bauphysik und anderen Sparten sind daher unerlässlich, die man sich anlesen, im Rahmen mehrtägiger Schulungen praktisch aneignen und sich über Zertifizierungen als kompetenter Thermograf ausweisen kann (siehe auch https://www.vath.de//ausbildung ).

Info

IR-Kamera oder visueller IR-Thermometer?

Noch IR-Thermometer oder schon IR-Kamera? Neue Messgeräte von Dewalt und Fluke machen die Unterscheidung nicht leicht. Der Kampf um neue Absatzmärkte treibt die Auflösungen von IR-Detektoren immer weiter in den Keller. Nachdem Thermografie-Spezialist Flir mit der i3 die Messlatte für Thermografiekameras mit 60 x 60 Pixeln schon erheblich herabgesetzt hat, nach eigenen Aussagen unterhalb dieser Auflösung aber keine IR-Kameras produzieren will, haben sich Dewalt und Fluke noch weiter nach unten vorgewagt.

Während Fluke sein Modell VT02 korrekterweise als „Visuelles IR-Thermometer“ bezeichnet, hat Dewalt die DCT416S1 als „Wärmebildkamera“ vorgestellt. Das Problem dabei ist die ratiometrische Auflösung, die bei den beiden Modellen offiziell nicht angegeben wird, aber bei etwa 20 x 20, respektive 15 x 15 IR-Pixeln liegen dürfte, was 400, bzw. 225 Messpunkten entspricht. Im Vergleich dazu erfassen Kameras mit 60 x 60 bzw. 160 x 120 IR-Auflösung immerhin 3600 bzw. 19200 Messpunkte. Je weniger Messpunkte erfasst werden, desto größer ist die Gefahr, dass entscheidende Fehler übersehen werden können, weil feine Temperaturunterschiede nicht dargestellt werden und nur die Temperatur eines winzigen Messflecks erfasst wird, was bei größeren Messobjekten (etwa ­PV-Anlagen) der Suche einer Stecknadel im Heuhaufen gleicht.

Info

Web-Adressen zur Thermografie

http://www.bauthermografie-luftdichtheit.de Dienstleister mit vielen Beispielen

http://www.luftdicht.de Blower-Door + Thermografie etc.

http://www.thech.ch Thermografie Verband Schweiz

http://www.thermografie.co.at Österreichische Gesellschaft für Thermografie

http://www.thermografie.de Thermografie im SHK-Bereich

https://www.vath.de/ Bundesverband für angewandte Thermografie

https://www.wikipedia.de/ Basisinfos, Suchwort: „Thermografie“ etc.

Literatur

DIN EN 13187:1999-05: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Nachweis von Wärmebrücken in Gebäudehüllen – Infrarot-Verfahren, Beuth 1999

DIN 54 162: Zerstörungsfreie Prüfung – Qualifizierung und Zertifizierung von Personal für die thermografische Prüfung – Allgemeine und spezielle Grundlagen für ­Stufe 1, 2 und 3, Beuth 2006

Flir: Thermografie-Handbuch für Bau-Anwendungen und erneuerbare Energien, Eigenverlag, Frankfurt/Main 2011

Fouad, N.A./Richter, T.: Leitfaden Thermografie im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2009

Tanner, Ch.: Baudokumentation – Infrarotaufnahmen von Gebäuden, Thermografie Verband Schweiz, Neuhausen 2009

Testo AG: Praxisratgeber Thermografie für Heizungsbauer, Eigenverlag, Lenzkirch 2012

Wagner, H.: Thermografie – Sicher einsetzen bei der Energieberatung, Bauüberwachung und Schadens­analyse, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 2011

Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Stand 09/13

Autor

Dipl.-Ing. Marian Behaneck war viele Jahre lang in Dokumentation, Marketing und PR der Bausoftware-Branche tätig. Er ist Fachautor zahlreicher Publikationen zu Hardware, Software und IT im Baubereich, 76751 Jockgrim, Mail: behaneck@gmx.de