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Verbesserte Leistungszahlen

Eisspeicher und kalte Fernwärme

Wieder einmal hat das Test- und Weiterbildungszentrum für Wärmepumpen und Kältetechnik TWK in Karlsruhe mit dem Symposium „Kalte Nahwärme und Eisspeicher als alternative Wärmequelle für Wärmepumpen“ ein gutes Gespür für kommende Entwicklungen gezeigt. Frank Kaiser, der beim TWK für Prüfstelle und Schulungen zuständig ist und die Veranstaltung leitete, nannte als Begründung für das Symposium die eher paradoxe Situation bei der Luft/Wasser-Wärmepumpe mit einerseits expansiver Marktentwicklung und andererseits eher schlechten Jahresarbeitszahlen (JAZ). Bei der Erschließung von Wärmequellen für Wärmepumpen, sei es über Erdwärmesonden, Grundwasser- oder Erdwärmekollektoren, müsse über wirtschaftlichere Alternativen nachgedacht werden. Ungedämmte Eisspeicher im Erdreich könnten so eine ­Alternative sein, aber auch ungedämmte kalte Nah- und Fernwärmenetze, die gleichzeitig als Wärmequelle und Wärmesenke fungieren.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Entwicklung befindet sich noch in einem ­frühen Stadium. Das Thema fehlendes Planungs-Know-how zog sich wie ein roter ­Faden durch das Symposium. Wie häufig bei Veranstaltungen mit vielen Pilotprojek­ten gab es nur wenige belastbare Aussagen über die Wirtschaftlichkeit ausgeführter Anlagen.

Bei Eisspeichern kursiert viel Halbwissen

Kaum ein Unternehmen der Kälte-Klima-Branche hat den Eisspeicher als alternative Wärmequelle für Wärmepumpen so populär gemacht wie die mehrheitlich zur Viessmann-Gruppe gehörende Isocal GmbH aus Ludwigsburg. Mit dem Slogan „Heizen mit Eis“ sensibilisierte das Unternehmen insbesondere die Medien für dieses Thema. Heiko Lüdemann, seit 2010 Geschäftsführer von Isocal, weist auf 12 Fernsehsendungen mit zusammen 120 Sendeminuten sowie 300 redaktionelle Druckseiten in den Printmedien hin. Lüdemann sieht in der Kombination Eisspeicher mit Wärmepumpe und Luft/Wasser-Kollektor eine Alternative. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zu konventionellen WP-Anlagen sei die verlustfreie Langzeitspeicherung von Wärme auf niedrigem Temperaturniveau. Gegenüber konven­tionellen Heiz- und Kühlsystemen seien Energiekosteneinsparungen von etwa 50 % bei Heizbetrieb und bis zu 99 % bei Kühlbetrieb möglich. Der Vorteil von Isocal-Eisspeichern gegenüber Erdsondenanlagen sei die genehmigungsfreie Realisierung des Eisspeichers, dessen Betonhülle etwa 1m unterhalb der Erdoberfläche platziert werden sollte. Maß der Dinge sei dabei ein intelligentes Wärmequellenmanagement, das die Wärmepumpe mit der jeweils günstigeren Wärmequelle versorgt und – wann immer ein Wärmepotenzial vom Luft/Wasser-Kollektor vorliegt – den Eisansatz im Eisspeicher mit solarer Niedertemperaturwärme abschmilzt. Damit könnten Jahresarbeitszahlen von 4,2 bis 4,6 erzielt werden.

Einziger Nachteil sei der höhere Preis einer Eisspeicheranlage, der rund 10 % über dem einer Erdwärmesondenanlage liege. Isocal sei dabei, ein kaskadiertes System aus Kunststoff-Eisspeichern zu entwickeln, das wegen des geringeren Gewichts preisgünstiger und leichter handhabbar sei. Limitierender Faktor bei der Markterschließung sei der unbefriedigende Kenntnisstand von Planern und ausführenden Firmen. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele E-Mails wir von Halbwissenden bekommen“, lamentiert Lüdemann.

Verbundsysteme statt noch mehr Wärmedämmung

TGA-Konzepte mit Energiespeichern und innovativem Wärmequellen- und Wärmesenkenverbund sind aus Sicht von Fritz Nüßle, Zent-Frenger GmbH, Leonberg, die intelligente Antwort auf die Forderung nach immer höheren Dämmstandards bei Gebäuden. Nüßle plädiert dafür, solche Ersatzmaßnahmen nach dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG 2011) mehr wahrzunehmen. Insbesondere bei gewerblichen und industriellen Gebäuden biete sich eine an der Primärenergieeffizienz ausgerichtete Anlagenplanung an. Dabei spiele künftig die erneuerbare Kälte eine wichtige Rolle, denn der Bedarf an Kälte nehme weiter zu.

Am Beispiel des Neubaus des Test- und Weiterbildungszentrums Wärmepumpen und Kältetechnik (TWK) in Stutensee bei Karlsruhe, erläuterte Nüßle, wie das TWK-Gebäude anhand eines ganzheitlichen Planungsprozesses nachhaltig und wirtschaftlich temperiert werden könne. Wichtig sei, den Wärme- und Kühlbedarf des Gebäudes durch passive Maßnahmen – so weit wie möglich und wirtschaftlich sinnvoll – zu senken. Zum Heizen und Kühlen empfiehlt er Flächenheizsysteme und die Einbeziehung gebäudeeigener Speichermassen. Weiter gelte es, betriebsbedingte Abwärmequellen und Abwärmesenken zu identifizieren sowie Speicherkapazitäten zur Pufferung temporärer Wärmeüberschüsse zu definieren. Vorrangig sollten erneuerbare Energiequellen auf dem Grundstück unter Einsatz von Wärmepumpen genutzt werden. Wichtig sei die Abstimmung zwischen Energiequelle, Energieaufbereitung, Energieverteilung und Nutzungsübergabe sowie ein anschließendes Energiemonitoring zur Anlagenoptimierung. Bei Geothermieanlagen empfiehlt Nüßle, dem Quellenverbund mehr Beachtung zu schenken. Insbesondere bei Erdwärmesonden müsse die Peak-Festigkeit, sprich die Spitzenbelastung der Erdwärmesonden, stärker berücksichtigt werden. Ansonsten könne es zu Schäden beim Verpressmaterial der Erdwärmesonde kommen. Eisspeicher seien dagegen peakfest, hätten aber eine eingeschränkte Kapazität.

Für den TWK-Neubau schlägt Nüßle deshalb ein Wärmequellen- und Wärmesenken-Verbundsystem vor, bestehend aus Erdwärmesonden, Eisspeicher und eingekoppelter Abwärme aus den Prüfständen. Im Hinblick auf den Demonstrationscharakter des neuen TWK-Gebäudes und das TWK-Schulungs- und Ausbildungskonzept sieht Nüßle einen Luft/Wasser-Kaltwassersatz sowie eine Sole/Wasser-Wärmepumpe für die Grundversorgung vor. Optional könnten auch Luft/Wasser-Wärmepumpen verschiedener Hersteller in das Verbundkonzept integriert werden. Der Eisspeicher – geplante Größe 175 m3 mit 20 MWh Kapazität – ist primär für die Rückkühlung der Prüfstände dimensioniert. Wichtig sei ein auf die Anforderungen des TWK-Gebäudes abgestimmtes LatentspeicherManagement, das die Belange der Raumtemperierung mit den Anforderungen der Prüfstände verknüpft. Nüßle rechnet vor, dass eine solche Kälte-Wärme-Verbundanlage gegenüber einer autarken Anlage für Heizung und Kühlung bei den Energiekosten um rund 50 % günstiger liegt.

Eisspeicher-Klassiker mit Innovationspotenzialen

Fafco-Eisspeicher auf der Basis von Stahl- oder Betonbehältern zählen am Markt zu den Klassikern. Rund 1200 Stück sind weltweit im Einsatz. Die typische Anwendung liegt darin, mit preisgünstigem Nachtstrom oder tarifgünstigem Tagstrom Eis auf Vorrat zu produzieren, um Hochtarifzeiten zu überbrücken, den Kältebedarf bei Spitzenabnahme zu decken, Kältekapazitäten ohne zusätzliche Kältemaschinen zu erhöhen oder Notkälte für EDV-Anlagen zur Verfügung zu stellen.

Klaus Schulz, Fafco AG, Biel/Schweiz, mit der eher seltenen Berufsqualifikation Kälteanlagenbauer und Stromhändler, gab einen Abriss über die weniger bekannten, aber künftig wichtiger werdenden Einsatzmöglichkeiten dieser Eisspeicherbauart. So wird in Götzis in Vorarlberg derzeit eine Anlage für einen Produktionsbetrieb realisiert, bei der der Eisspeicher im Verbund mit einer Wärmepumpe saisonal als Kälte- und Wärmespeicher eingesetzt wird. Im Green Therm Cool Center, Freiburg im Breisgau, wird der Eisspeicher über eine Absorptionskältemaschine beladen, die über die Abwärme eines BHKW angetrieben wird. Eine ähnliche Anlage befindet sich auch bei Siemens in Erlangen.

Bei der aktuellen Diskussion um die Bereitstellung von Regelenergie zur Stabilisierung des Stromnetzes über Smart-Grid-Funktionen verfüge Fafco bereits über umfangreiche Erfahrungen in Frankreich, erläutert Schulz. Dort übernehmen Eisspeicher seit Jahren über ein mehrstufiges Tarifkonzept sowie durch Sondervereinbarungen mit dem Energieversorger über flexible Abschaltzeiten von Kältemaschinen Funktionen zur Netzstabilisierung. In Ländern mit schwach ausgebautem Stromnetz werden Fafco-Eisspeicher zur Reduzierung der Netzanschlussleistung, zur Spitzenlastoptimierung sowie zur Notkälteversorgung eingesetzt.

Die künftigen Aussichten für Eisspeicher sieht Schulz recht positiv. So könne mit Hilfe von Eisspeichern die Eigenstromnutzung von Photovoltaikanlagen bei Gebäuden mit Kühlbedarf erhöht werden. Auch die Jahresbetriebszeiten von BHKW könnten durch den Verbund mit Absorptionskältemaschinen und Eisspeichern verlängert und damit deren Wirtschaftlichkeit verbessert werden. Eine der wichtigsten Eisspeicher-Anwendungen sieht der ehemalige Stromhändler künftig in der Bereitstellung von Regelenergie durch Smart-Grid-geführte Wärmepumpen und Kältemaschinen.

Eisspeicher erhöht COP von Tiefkühlanlagen

Eine eher unkonventionelle Lösung ist der Einsatz eines Eisspeichers bei einem Frucht­logistik-Projekt. Das von Hoval unter dem Begriff Ecoline entwickelte ganzheitliche System aus Kälteerzeugung (Normalkühlung, Tiefkühlung), Wärmepumpe, Eisspeicher und Büroklimatisierung soll im vorliegenden Projekt gegenüber getrennt arbeitenden Kälte-Klima-Heizsystemen die elektrische Anschlussleistung um 60 % reduzieren sowie rund 65 % an Energiekosten einsparen. Thomas Glasbrenner, Hoval GmbH, Aschheim bei München, erklärt die hohen Energieeinsparungen mit einer konsequenten Senkung der Verflüssigungstemperaturen sowohl bei der Normalkühlung als auch im Tiefkühlkreislauf. Je Kelvin Verflüssigungstemperaturabsenkung könne die Energy Efficiency Ratio (EER) eines Kältekreises um 2 bis 3 % gesteigert werden. Die Einsparungen resultieren einerseits aus der Kaskadierung von Normalkälteanlage und Tiefkühlanlage, andererseits aus der Einbindung eines Eisspeichers in die reversibel arbeitende Wärmepumpe für die Klimatisierung. Wann immer saisonal möglich, fungiere der über die Wärmepumpe aufgeladene Eisspeicher als künstliche Temperatursenke für die Rückkühlung der Kälteerzeugung. Ein weiterer Vorteil: Durch die genaue Dimensionierung der Kälteaggregate und die günstigeren Drücke in Verdampfern und Verflüssigern können die Verdichter um rund 60 % kleiner ausgelegt werden, so Glasbrenner.

Regeneration des Eisspeichers auch bei niedrigen Temperaturen

Ein Ergebnis der Tagung vorab: Halbwissen über Eisspeicher und deren Dimensionierung, Systemeinbindung und Wirtschaftlichkeit prägt derzeit noch die Branche. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg, hat deshalb unter der Federführung von Marek Miara ein Verfahren zur Vermessung einer Isocal-Eisspeicheranlage für ein Einfamilienhaus entwickelt und an einem konkreten Projekt getestet. Die Eckdaten:

  • beheizte Wohnfläche: 155 m<sup>2</sup>
  • Anzahl der Bewohner: 2
  • Wärmepumpe: 5,9 kW
  • Eisspeicher: 10 m<sup>3</sup>
  • unverglaster Solarabsorber (keine Gr&ouml;&szlig;enangaben).

Zur Erfassung der Energieströme wurden sieben Wärmemengenzähler in der Anlage sowie eine Lanze mit sieben Temperaturfühlern im Eisspeicher installiert. Erfasst wurden die Temperaturverläufe an den sieben Messstellen des Eisspeichers, die Beladungsenergie zum Eisspeicher sowie vom Eisspeicher zur Wärmepumpe. Gemessen wurden außerdem die Energieflüsse vom Solarabsorber zum Eisspeicher sowie vom Solarabsorber direkt zur Wärmepumpe. Dabei zeigte sich, dass der Eisspeicher auch nachts bei 5 °C Außentemperatur mit – Zitat Miara – „Mondscheinenergie“ regeneriert werden kann, das heißt, das im Tagesverlauf über die Wärmepumpe aufgebaute Eis kann auf sehr niedrigem Temperaturniveau geschmolzen und damit der Eisspeicher regeneriert werden. An anderer Stelle wurde erwähnt, dass die auf dem Dach montierten Solarabsorber aus Ovalrohr bei Wind bessere Leistungswerte aufweisen als solche aus Rundrohr. Miara räumt ein, dass das vorgestellte Messverfahren stark von der Fragestellung des Auftraggebers abhängig ist; das hier getestete Verfahren jedoch eine sehr detaillierte Auswertung der Energieströme ermögliche. Das Ergebnis nach fünf Monaten (1.11.2012 bis 1.3.2013): Rund ein Drittel der Umweltenergie kommt direkt vom Solarabsorber, zwei Drittel vom Eisspeicher. Die Arbeitszahl der Wärmepumpe bei reiner Betrachtung des Heizkreises liegt bei 3,8, bei Betrachtung von Heizkreis und Trinkwasser-erwärmung bei 3,2.

Ob sich eine solche Anlage für ein Einfamilienhaus überhaupt lohne oder ob nicht eine Erdwärmesondenanlage die wirtschaftlichere Lösung sei, war eine Frage aus dem Audito­rium. Erdwärmesondenanlagen seien etwas günstiger, erklärt hierzu Miara, jedoch könne man von weitgehend gleichen Investitionen ausgehen. Ein Isocal-Eisspeicher sei jedoch eine ernsthafte Alternative zur Erdwärmesonde, insbesondere wegen der einfachen Regeneration des Speichers über einen Solarabsorber.

Kalte Nahwärme zum Heizen und Kühlen

Den Einsatz von Eisspeichern und Erdwärmesonden sowie deren Regeneration über einfache Solarabsorber sieht auch Markus Patschke, 3E-Consult, Nordkirchen, als wichtigsten Schritt zur Verbesserung der Energieeffizienz von WP-Anlagen. Allerdings favorisiert Patschke eine Verbundlösung mit kalter Nahwärme. Seine Vision: Ein lokales Niedertemperatur-Wärmenetz mit einem zentralen Niedertemperaturspeicher, das gleichzeitig als Wärmequelle und als Wärmesenke dient. Dezentrale Wärmepumpensysteme aber auch gewerbliche Kälteanlagen oder BHKW würden dieses Wärmenetz gleichermaßen zur Wärmeentnahme über Wärmepumpen oder zur Wärmeabgabe aus Kälteprozessen oder dezentraler Stromerzeugung nutzen. Preisgünstige, dezentral angeordnete Solarabsorber könnten zusätzliche Regenerationsenergie in das Netz einspeisen oder ihr Wärmeangebot vor Ort direkt der Wärmepumpe zuführen. Auch Prozess- und Kanalabwärme oder Grubenabwasser könnten solchen Systemen zugeführt werden. Denkbar wäre auch, Regenrückhaltebecken so zu modifizieren, dass sie als Niedertemperaturspeicher nutzbar sind. Patschke schlägt ein kommunales Quartierkonzept vor, das alle Abwärmequellen über ein Niedertemperatur-Rohrsystem erfasst. Die Bewirtschaftung solcher Netze sei vergleichsweise einfach, da keine Anforderungen an das Temperaturniveau oder eine bestimmte Temperaturhaltung bestünden. Die dezentral angeordneten, im Tichelmann-System eingebundenen Wärmepumpen würden die benötigte Wassermenge dem Netz selbst entnehmen, das heißt, auf eine zentrale Umwälzpumpe könnte in den meisten Fällen verzichtet werden. Wirtschaftlich interessant scheint das Konzept dann, wenn mehr Niedertemperaturwärme eingespeist als entnommen wird. Bei voraussichtlichen Temperaturen von etwa 20 °C in kalten Nahwärmenetzen ließen sich weit höhere Wärmepumpen-Leistungszahlen erreichen als mit Erdwärmesonden, so Patschke.

Molche sichern einen hohen Wärmepumpen-COP

Industrielle Abwärme aus Abwässern gibt es genug. Oft muss diese mit hohem Aufwand entsorgt werden. Das Problem der unmittelbaren Nutzung liegt meist darin, dass konventionelle Wärmeübertragerflächen innerhalb weniger Tage verschmutzen und damit der Wärmeübergang drastisch zurückgeht. Zahlreiche Versuche zur Nutzung belasteter Abwasser mit Hilfe von Wärmepumpen scheiterten am sogenannten Fouling der Wärmeübertrager. Auch bei den in der Molkereitechnik üblichen Rohr-in-Rohr-Systemen zur Wärmerückgewinnung geht die Übertragungsleistung innerhalb einer Woche um fast 50 % zurück. In der Regel werden die Übertrager regelmäßig chemisch oder mechanisch gereinigt, eine teure Angelegenheit.

Speziell für verunreinigte Abwässer hat die Fa. Jaske & Wolf GmbH, Lingen, das Wärmetauschersystem Dupur entwickelt, das durch eine kontinuierliche mechanische Reinigung das Fouling an der Rohrwand dauerhaft verhindert. Dabei reinigen spezielle Molche in regelmäßigen Abständen automatisch die Leitungen von Ablagerungen. Am Beispiel des Projektes „Kalte Fernwärme Aurich“ erklärte Wolfgang Jaske die Vorteile von Molchen. In Aurich wird 30 °C warmes Abwasser eines Molkereibetriebs zur Beheizung einer Sporthalle genutzt. Dazu wird ungereinigtes Abwasser über eine 1,5 km lange kalte Fernwärmeleitung zur Sportarena gepumpt, dort über einen Grobabscheider dem Dupur-Wärmetauscher zugeführt und weiter über ein Sekundärnetz zu den Wärmepumpen geleitet. Auf der Primärseite steht Warmwasser mit 23/12°C zur Verfügung, auf der Sekundärseite 14°C warmes Wasser für die Wärmepumpen, das auf 6°C abgekühlt wird. Geplant ist, auch das naheliegende Allwetterbad mit einer Wärmepumpe von 400 kW Nennheizleistung in das kalte Fernwärmenetz mit einzubinden. Das durch die Wärmepumpe abgekühlte Abwasser fließt weiter zur Kläranlage, wo die Restwärme zur Klärschlammtrocknung eingesetzt werden soll. Insgesamt liefert die Molkerei bis zu 1,5 MW Wärme mit Temperaturen zwischen 12 bis 25 °C.

Die Dupur-Wärmerückgewinnungsanlage arbeitet nach Aussage von Jaske seit Inbetriebnahme im Juni 2010 störungsfrei. Die Übertragungsleistung sei mit 3000 W/m2K dank der Reinigungsmolche sehr hoch. Dies habe einen direkten Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpe. Weitere Anwendungsfelder für die Nutzung belasteter Industrieabwässer als Wärmequelle für Wärmepumpen sieht Jaske in der gesamten Lebensmittel- und Getränkeindustrie, bei Schwimmbädern, in der Kosmetikindustrie, bei Lackier- und Galvanikanlagen, Kläranlagen, Teilereinungungsanlagen und Großspülmaschinen.

Landwirtschaftliche Flächen doppelt nutzen

Was sonst noch eher auf dem Papier existiert, wird in der Bausparkassengemeinde Wüstenrot bereits in die Praxis umgesetzt. Etwa 30 Plusenergiegebäude werden dort über ein kaltes Fernwärmenetz mittels Erdwärme aus Agrothermiekollektoren über Hocheffizienz-Wärmepumpen beheizt. Dr. Dirk Pietruschka von der Hochschule für Technik, Stuttgart, räumt ein, dass bisher so gut wie keine praktischen Erfahrungen mit Anlagen dieser Größenordung vorliegen. Die Auslegung des kalten Nahwärmesystems erfolgt deshalb sowohl nach dem Wärmebedarf (Wärmeentzug 45 kWh/m2a; Qh ges = 450 MWh/a) und nach der Entzugsleistung (Entzugsleistung = 20 bis 30 W/m2; Gesamtleistungsbedarf = 250 kW). Im ersten Fall ist eine Agrothermiefläche von 10000 m2 (1 ha) erforderlich, im zweiten Fall eine Fläche zwischen 8500 und 12500 m2; ausgewiesen wurde deshalb eine 1,5 ha große Ackerfläche. Die Besonderheit des mit einem Wasser/Glykol-Gemischs gefüllten Nahwärmenetzes liegt darin, dass die Agrothermiekollektoren (DN 40) etwa 2 m tief in siedlungsnahe Acker- und Wiesenstücke eingepflügt sind und damit die landwirtschaftlichen Flächen voll nutzbar bleiben.

Um den Pumpenstromverbrauch zu minimieren wird das kalte Nahwärmenetz (DN 250) pumpenlos betrieben, d.h. jede Wärmepumpe holt sich die notwendige Wassermenge über den jeweiligen Hausanschluss (DN 40) aus dem Netz. Zur Verbesserung der Energieeffizienz soll künftig auch die Abwärme eines Supermarktes sowie die Abwärme von Produktionsprozessen in das Netz eingespeist werden. Probleme bereitet die Abrechnung der Wärmeströme je Gebäude, da derzeit keine geeichten Wärmemengenzähler für Wasser/Glykolgemische auf dem Markt sind. Dr. Pietruschka räumt ein, dass so ein kaltes Nah­wärmenetz noch relativ teuer ist. Dennoch sei die Resonanz auf dieses Projekt (KfW-Effizienzhaus 55) bei Bauwilligen sehr groß.

Die Attraktivität der Plusenergiehäuser mag auch damit zusammenhängen, dass ein Teil der Gebäude mit Photovoltaik-Anlagen und Stromspeichern ausgerüstet ist. Zudem sind alle Wärmepumpen mit Warmwasserspeichern gepuffert. Ziel sei, ein stromnetzgeführtes Lastmanagement über ein virtuelles Kraftwerk einzurichten, bei dem die Eigenstromnutzung aus den PV-Anlagen im Vordergrund steht, erklärt Dr. Pietruschka.

Grundwasser zentral pumpen und dezentral nutzen

Macht es weiterhin Sinn, dass in Neubausiedlungen jeder Bauherr seine eigenen Erdwärmesonden abteuft? Kommt es mangels notwendiger Mindestabstände in Siedlungsgebieten langfristig zu thermischen Beeinträchtigungen im Erdreich? Ist die Wärmequelle Grundwasser wegen der höheren Wärmequellentemperatur die effizientere Lösung? Lohnt sich eine dezentrale Grundwasser­erschließung für ein Einfamlienhaus?

Die Fragestellung über das Für und Wider erdgekoppelter Wärmepumpen lässt sich beliebig erweitern. Fakt ist, dass eine Wärmepumpe mit Erdwärmesonde bei einer Wärmequellentemperatur von 0 °C im besten Fall auf eine Leistungszahl von 4,4 kommt. Grundwasser steht dagegen weitgehend mit 10 °C zur Verfügung, das ergibt eine Leistungszahl von nahezu 6,2. Für die Energiedienst AG, Rheinfelden, ein Tochterunternehmen der EnBW, war dieser Unterschied Grund genug, ein Pilotprojekt mit kalter Nahwärme auf der Basis von Grundwasser zu initiieren. Das Projekt in March-Hugstetten bei Freiburg im Breisgau umfasst 40 Gebäude mit über 150 Wohneinheiten, die künftig über ein grundwassergespeistes kaltes Nahwärmenetz mit Wasser/Wasser-Wärmepumpen beheizt werden sollen.

Jörg Bleile von der Energiedienst AG sieht in der zentralen Grundwassernutzung die bessere Lösung für die Wärmepumpe. Wegen der hohen Kosten – etwa 10000 Euro für Förder- und Schluckbrunnen sowie das oft aufwendige wasserrechtliche Genehmigungsprozedere – sei im Einfamilienhausbereich ­eine Wirtschaftlichkeit jedoch kaum zu erreichen. Beim Pilotprojekt March-Hugstetten entschied man sich für eine Lösung mit sieben Entnahmebrunnen und zwölf Schluckbrunnen, die über ein kaltes Nahwärmenetz miteinander verbunden sind. Im Nachhinein hat sich aber auch dieses Konzept als zu aufwendig und damit zu teuer erwiesen. Jörg Bleile empfiehlt – wenn möglich – sich auf nur einen Entnahme- und nur einen Schluckbrunnen zu begrenzen. Da es sich bei diesem Projekt um eine Aufsiedlung mit anfänglich nur wenigen Gebäuden handelt, war der Wärmepumpenbetrieb in den einzelnen Häusern in der Startphase wenig effizient. Insbesondere bei den Reihenhauszeilen musste wegen fehlender Anschlusshäuser (ungedämmte Außenwände) die Vorlauftemperaturen der Wärmepumpen signifikant angehoben werden, um die Heizlast zu decken. Auch sonst glänzt das Projekt durch gut dargestellte Fehler, was für die Tugend des Referenten spricht. In vielen Fällen zeigten sich im Betrieb eklatante Mängel in der Hydraulik. Jörg Bleile: „Bei 80 % aller Anlagen war die Volumenstromeinstellung der Hausanschlussleitung falsch.“ Ein anderes Problem sei der Hang von Planern und Anlagenbauern zur Überdimensionierung von Wärmepumpen sowie der hohe Anteil an Antriebsenergie. Hier müssten Wärmepumpenhersteller und Anlagenbauer künftig besser kooperieren und gemeinsam ein Inbetriebnahme-Protokoll erstellen. Um die Probleme in den Griff zu bekommen sei bei Anlagen dieser Größenordnung auch ein Energiemonitoring notwendig.

Überzeugend ist jedoch der Betriebskostenvergleich von Jörg Bleile mit Heizöl- und Erdgas-Heizungen: Hier sei die Wasser/Wasser-Wärmepumpe – bezogen auf eine Nutzwärmemenge von 16000 kWh – mit 5,62 Ct/kWh die wirtschaftlichste Lösung (Erdgas 7,81 Ct/kWh, Heizöl 10,16 Ct/kWh). Insgesamt beurteilt Bleile die kalte Fernwärme als effiziente, ressourcenschonende und emissionsvermeidende Wärmetechnik. Wichtig sei jedoch, dass verbindliche Vorgaben über die Dimensionierung der Wärmepumpe gemacht werden und die Hersteller mit in das Projekt einbezogen werden.

Fazit

Die kalte Fernwärme befindet sich noch im Pilotstadium. Die bisherigen Ergebnisse sind nicht ausreichend, um daraus Planungs-Know-how abzuleiten. Auch für die Dimen­sionierung von Eisspeichern fehlen klare Planungsvorgaben. Erstaunlich ist, dass Wärmepumpen selbst bei professionell betreuten Pilotprojekten, wie beim EnBW-Projekt in March-Hugstetten, überdimensioniert sind. Die Verantwortlichen des Wüstenrot-Projektes (Agrothermie) haben angekündigt, auf der Basis der jetzt vorliegenden Erkenntnisse einen Planungsleitfaden zu entwickeln und weiter über das Projekt zu berichten. Am Rande des Symposiums war zu hören, dass die Kosten für Erdwärmesondenanlagen wegen der strengeren behördlichen Auflagen in Zukunft steigen werden. Davon könnte die kalte Fernwärme, aber auch der Eisspeicher mit der Regenerationsoption Solarabsorber profitieren. Unklar ist, welche Kosten die Nutzer von kalter Fernwärmeenergie an den Netzbetreiber bezahlen müssen, ja wie Geschäftsmodelle mit kalter Fernwärme und Abwärme überhaupt funktionieren.

Autor

Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de