Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Hoher Qualitätsanspruch

Elektronik im Dauerstress

Alles sauber, alles ordentlich: In der Elektronikfertigung von Kostal in Hagen sitzt jeder Handgriff. Langsam laufen die Leiterplatten durch die Automaten, emsig summen die Roboter. Wie Vögel picken sie die Bauteile von den Rollen, setzen sie präzise auf die Platinen. Hier entstehen die Leiterplatten für die Stringwechselrichter der Piko-Baureihe. Im Drei-Schicht-System laufen die Bänder, beinahe ohne Pause, die Auftragslage ist gut. Noch, denn wie sich der Photovoltaikmarkt entwickelt, weiß im Augenblick niemand.

Doch Kostal braucht die Leiterplatten nicht nur für Wechselrichter, auch für Industrieelektrik und Anschlussdosen wird Elektronik benötigt. Das Unternehmen fertigt auch Bordelektronik für die Autoindustrie, unter anderem für BMW, Skoda oder Ford. Die Fensterheber, das Lenksäulenmodul, die Schieber für die Dachfenster und die Sitze werden elektronisch angesteuert. Es war die Firma Kostal, die 1995 den ersten Funkschlüssel für Autos entwickelte – mittlerweile weltweit Standard. „Als Zulieferer der Automobilindustrie gelten für uns besonders hohe Qualitätsvorgaben“, erläutert Markus Vetter, der Sprecher des Unternehmens. „Diese sehr hohen Anforderungen haben wir für unsere Solarwechselrichter übernommen.“

Hoher Qualitätsanspruch stärkt die Marke

Der deutsche Solarmarkt ist hart umkämpft, nicht nur bei den Solarmodulen. Im Unterschied zu den Modulherstellern haben die Produzenten der Wechselrichter einen besseren Stand. Im Wechselrichter steckt viel mehr Wissen und Ingenieurskunst, den kann man nicht so leicht kopieren. Um seine Marke zu stärken, hat Kostal die Qualitätsansprüche kontinuierlich erhöht. Die Leiterplatten kommen als sogenannte Dry Parts ins Werk, vorgeätzt und metallisiert. Die Zulieferer sitzen in Asien, sind aber von Kostal zertifiziert. Die Schaltpläne werden in Hagen entworfen, das Layout wird dann in Fernost auf die Platine gebracht. In Hagen übernehmen die Automaten die Regie. Zunächst werden die sogenannten SMD-Bauteile bestückt. Sie werden über große Rollenbänder an die Maschinen gebracht.

Da ständig wechselnde Platten durch die Bestückungslinie laufen, steckt hinter den Prozessen eine logistische Meisterleistung. „Just in Sequence“ nennt man diese Art der Fertigung, bei der jede Leiterplatte mit durchschnittlich 500 Bauteilen bestückt wird – und alles genau justiert. Die bleifreie Lötpaste wird über eine Rakel aufgebracht, danach wandert die Platine in den rund 6m langen Lötofen. Bis 250 °C erfolgt die Kontaktierung, der Ofen fährt ein genau eingestelltes Lötprofil ab.

Es folgt die Kühlzone, die die Platte etwa mit 1m/min durchfährt. „Sofort nach der ersten Bestückung und Verlötung der SMD-Bauteile auf der Leiterplatte erfolgt die Sichtkontrolle und eine erste elektrische Funktionsprüfung, der sogenannte In-Circuit-Test“, erläutert Markus Vetter. „Danach werden die bedrahteten Bauteile aufgesetzt und mit einer Lötwelle von unten verlötet.“ Dazu gehören beispielsweise die Elektrolytkondensatoren, die Folienkondensatoren und die Induktivitäten. Alle Lote sind bleifrei. Anschließend wird die Leiterplatte erneut geprüft.“

Im Wechselrichter stecken einige Platinen

Für jeden Solarwechselrichter werden prinzipiell drei Leiterplatten gebraucht: eine zur Steuerung (Controller) und zwei für die Leistungsumsetzung. Hinzu kommen kleinere Platinen mit Spezialaufgaben: So stecken im Piko 10.1. insgesamt acht Platinen mit rund 700 bis 800 SMD-Bauteilen, Spulen, Kondensatoren, Schrauben, Domen, Adaptern und Tastern. In der Summe etwa 2000 Bauteile.

In der Endmontage, die in Schalksmühle im Sauerland stattfindet, wird die Elektronik zum Gerät, das zwanzig Jahre lang seinen Dienst tun soll: Vergussmassen zur Schalldämpfung, Schutztechnik, Verkabelung, Schalter, Erdung, Gehäuse aus Aluminiumdruckguss. „In der Endmontage der Wechselrichter durchlaufen die Geräte vier harte Prüfungen: Nach der Montage der Leiterplatten und dem Verguss steht die Vorprüfung an“, erzählt Jürgen Temp, der die Fertigung leitet. „Zunächst wird die Software implementiert. Das Gerät wird erstmals unter Spannung gesetzt und die Elektronik abgeglichen. Bei diesem Test bekommt das Gerät auch seine Seriennummer.“

Die zweite Prüfung ist der sogenannte Run-in: Jeder Wechselrichter wird bis zur Volllast hochgefahren und läuft drei Stunden im Dauerstress, bei 900 V Gleichspannung. „Damit überprüfen wir die Wärmeabfuhr und die thermischen Belastungen im Gerät und auf den Leiterplatten“, fährt Temp fort. „Spezielle Netzteile simulieren die Gleichspannung und Gleichströme, um den Wechselrichter auf Herz und Nieren zu prüfen. Bei dieser Prüfung wird der Deckel des Gerätes aufgesetzt, um ein möglichst realistisches Testumfeld zu erzeugen.“

Die dritte Prüfung ist die Endprüfung, in der die bisher integrierten Funktionen und Merkmale des Solarumrichters elektrisch abgeprüft werden. Bei diesem Schritt bekommt das Gerät auch alle erforderlichen Etiketten. Zu guter Letzt folgt die abschließende Prüfung mittels Checkliste. Sie bereitet die Auslieferung der Geräte vor. Dabei werden unter anderem das Display, die Verkabelung, die Verschraubungen, der DC-Trennschalter, das Lüfterkabel, die Etikettierung und der Beipack überprüft, wie beispielsweise die Halterung zur Wandmontage.“ Denn auf der Baustelle kann der Installateur keine bösen Überraschungen gebrauchen. Kostal fertigt nicht nur Piko-Geräte, sondern beispielsweise auch für Centrosolar (OEM). Ein Punkt liegt Jürgen Temp besonders am Herzen: „Bei uns liegen die Montage der Wechselrichter und ihre Prüfung ausschließlich in der Hand von ausgebildeten Elektrikern.“

Österreicher wickeln sogar die Spulen selbst

Wie Kostal fertigen nahezu alle deutschen, eidgenössischen oder österreichischen Hersteller. Qualität steht ganz oben, das ist ein starker Wettbewerbsvorteil gegenüber der asiatischen und amerikanischen Konkurrenz. Auch die Schweizer prüfen gnadenlos: Bei Sputnik Engineering in Biel wird jeder einzelne Wechselrichter der Baureihe Solarmax nach der Endmontage durchgeprüft, unter anderem in mehrstündiger Volllast.

Ebenso schnurren bei Fronius in Sattledt die Bänder. Die Österreicher wickeln sogar ihre Spulen selbst, um im wahrsten Sinne des Wortes keine Luft an die Qualität zu lassen. Fronius stellt neben Solarwechselrichtern auch Batterietechnik und Schweißgeräte her. Im Geschäft mit Solarwechselrichtern sind die Österreicher unangefochten die Exportweltmeister, denn rund 95% der IG-Plus-Geräte gehen ins Ausland, vornehmlich an deutsche Installateure und Endkunden. Wie Kostal in Hagen hat auch Fronius ein großes Testzentrum, wo die neuen Modelle geprüft werden, bevor die Serienfertigung anläuft.

Geprüft wird nicht nur, was die Vorschriften verlangen. Damit allein ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Die Wechselrichter müssen durch verschiedene Härtetests. Denn fallen sie aus, steht die Solaranlage still. Defekte im Wechselrichter haben in der Regel Totalausfall der Anlage zur Folge, nicht nur Leistungsverluste wie bei Modulfehlern. Auch Fronius schickt die Prototypen in die Dauertests, um ihre elektrische Zuverlässigkeit zu prüfen. Zudem wird das Verhalten der Wechselrichter in rauer Umgebung getestet – bei Wasser, Staub, Salz oder starker Hitze. Ist ein Wechselrichter für die Außenmontage vorgesehen, muss er resistent sein gegen Spritzwasser aus allen Richtungen. Er muss geschützt sein gegen eindringende Fremdkörper und Temperaturen zwischen –25 und +50 °C. „Nationale und internationale Vorschriften bilden die Basis für unsere Härtetests“, erläutert Bernhard Doppelbauer, der bei Fronius über die Qualität wacht. „Dazu kommen unsere internen Anforderungen, die aus Erfahrung gewachsen sind. Dafür gehen wir meist über die geforderten Belastungsgrenzen hinaus.“

Auch Fronius testet sämtliche Wechselrichtertypen: während der Entwicklung, in der Vorserie und aus der laufenden Produktion. Zusätzlich führen die Experten täglich spezielle Audits durch, bei denen sie Wechselrichter per Zufall zur Prüfung auswählen. Erst 2011 hatten die Österreicher ein neues Entwicklungszentrum gebaut, im oberösterreichischen Thalheim. Auf über 34000 m2 finden sich 17 Klimakammern, Netzsimulatoren, Arbeitsplätze für die Konstrukteure sowie Werkstätten für die Prototypen und die Vormontage. Des Weiteren stehen über 400 m2 für Testlabore bereit. Einige Tests prüften sogar elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der Wechselrichter. Im EMV-Raum werden die Geräte mit bis zu 1500 V Gleichspannung getestet.

Spezielle Tests für extreme Einsatzorte

Um sehr hohe Spannungen geht es auch bei den Zentralwechselrichtern, die den Netzanschluss großer Solarkraftwerke gewährleisten. Zunehmend werden Solarparks im Süden errichtet. Bei SMA in Kassel-Niestetal werden die Großwechselrichter für Wüsten getestet. Alle Komponenten, insbesondere die Elektronik, müssen gegen den feinen Staub und Sand abgedichtet sein, auch gegen die gefürchteten Sandstürme. Extrem hohe Außentemperaturen erschweren die Kühlung, deshalb laufen die Geräte im Dauerstress, aufgeheizt schon am frühen Vormittag. Der Wechselrichter erreicht viel mehr Volllaststunden als in unseren Breiten, etwa das Doppelte im Vergleich zu Deutschland.

Mit einem groß angelegten Forschungsprojekt erproben die SMA-Ingenieure ihre Kühltechnik Opticool für Wechselrichter in der Wüste. Denn feinste Staubkörner dringen durch die kleinsten Ritzen. Über das Kühlsystem dringen sie in die Elektronik ein und zerstören die Platinen. Mit dem Kühlsystem Opticool bleibt der Staub draußen. Die Ingenieure haben einen Wechselrichter über viele Tage mit Ziegelmehl getestet, dessen Kornverteilung dem rötlichen Wüstensand von Arizona ähnelt. Mit Windgeschwindigkeiten von 1,5 bis 20 m/s wurde der Staub und Sand waagerecht auf das Gehäuse geblasen. Während des Tests saugten die Lüfter des Kühlsystems die Luft an und wälzten sie im Gehäuseinnern um. Nach dem Test waren auf Gerät und Dichtungen reichlich Staubablagerungen zu finden, im Geräteinnern jedoch keine. Auch die ausgebauten Lüfter erwiesen sich als staubfrei.

Völlig freistehende Geräte wie die Sunny Central CP-Reihe werden Stresstests unterzogen, die auch aggressive Medien umfassen, beispielsweise Ammoniak aus Tierställen in der Landwirtschaft oder salzhaltige Aerosole an den Küsten.

Jeder SMA-Wechselrichter muss eine Feuertaufe in der Klimakammer bestehen. Im firmeneigenen Testzentrum werden die Geräte zwischen –40 und +90 °C getestet, bis an ihre Leistungsgrenzen. Zusätzlich wird eine relative Luftfeuchtigkeit zwischen 10 und 95 % ­erzeugt: im Zeitraffer aus der Wüste in den Regenwald. Unter diesen Bedingungen werden die Geräte tausend Stunden lang erprobt.

Sogar für alpine Höhen gibt es Tests. Denn Höhen über 2000 m weisen besondere atmosphärische Bedingungen auf. In großen Höhen beispielsweise in Indien oder in Südamerika verursacht der niedrigere Luftdruck bei freistehenden Geräten eine schlechtere Kühlung. Da jedoch mit steigender Höhe die Außentemperatur sinkt, wird dies nahezu ausgeglichen. Dagegen sinkt mit der Höhe die elektrische Spannungsfestigkeit der Luft, also ihre isolierende Wirkung beispielsweise gegen Funkenstrecken. Deshalb senkt man die Höchstspannung im Wechselrichter und die Ausgangsleistung ab. Alle Steuerspannungskreise werden für Höhen bis 4000 m ausgelegt und getestet, der alpine Wechselrichter läuft mit einem modifizierten DC-Fenster.

Es gibt bereits Unternehmen für Wechselrichtertests

Bis Ende 2011 hat SMA rund 800 Großanlagen weltweit mit Wechselrichtern ausgestattet. Um Effekte der Alterung zu prüfen, werden die Geräte mitunter auf –70 °C schockgefrostet. Oder die Ingenieure drehen die Heizung auf: Dann herrschen in der Testkammer kurzzeitig Temperaturen bis zu 200 °C.

Mittlerweile gibt es spezialisierte Unternehmen, die mit den Wechselrichtertests viel Geld verdienen. Womit wir wieder bei Kostal wären, genauer gesagt der Kostal-Gruppe. Dazu gehört die Schalksmühler Firma Soma, die mit Prüfsystemen unterwegs ist. Für Kostal hat Soma beispielsweise eine automatisierte Prüfeinrichtung für Zentralwechselrichter bis 250 kW entwickelt. Die Tests laufen mit 1000 V Gleichspannung und einigen 100 A Stromstärke. Denn der Prüfkreis soll einen Ausgangsstrom von 500 A nachstellen. Die Prüfenergie wird in geschlossenen Kreisläufen genutzt, nur die Verlustleistung der Wechselrichter wird aus dem Netz zugespeist.

Geprüft werden sollen zehn Gerätevarianten, vom Piko 40 (42 kW DC) bis zum Piko 155 (155 kW). Alle Geräte sind ohne Trafo aufgebaut und erreichen Wirkungsgrade über 98 %. Ein Prüfkriterium ist die Erwärmung einzelner Bauteile bei Umgebungstemperaturen bis zu 60 °C. Ebenso geprüft werden die Kondensatoren im ZWR und das Verhalten bei plötzlichem Lastabwurf. „Bei dieser Prüfanlage haben wir nicht alltägliches Terrain betreten“, sagt Wolfgang Thater, Projektchef bei Soma. „Denn trotz der hohen Spannungen und Ströme mussten wir für das Prüfpersonal höchstmögliche Sicherheit gewährleisten.“