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Strategien gegen Fachkräftelücken im Handwerk

Wenn der Nachwuchs ausbleibt

Anlässlich der ISH in Frankfurt blickte ZVSHK-Präsident Manfred Stather beim Thema Nachwuchssicherung skeptisch in die Zukunft. „Wir steuern mit der gesamten Branche auf einen eklatanten Fachkräftemangel zu“, bekannte er. Da das Handwerk in den letzten Jahrzehnten immer über Bedarf ausgebildet hat, muss heute die Nachwuchswerbung als vordringliche Branchenaufgabe verstanden werden.

Alarmierende Zahlen

Die Zahlen sind in der Tat mehr als alarmierend und das nicht nur für das SHK-Handwerk. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH hat errechnet, dass die Zahl der Schulabgänger in den letzten acht Jahren um 46 Prozent zurückgegangen ist. Bis 2020 fällt bundesweit jeder fünfte Schulabgänger und damit potenzielle Ausbildungsplatzbewerber weg. Parallel ist ein Alterungsprozess im Arbeitsmarkt im Gange. Bereits in zehn Jahren werden 40 Prozent der Erwerbsfähigen zwischen 50 und 65 Jahre alt sein und innerhalb weniger Jahre aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Von den verbleibenden jungen Erwerbsfähigen sei laut ZDH jeder fünfte nicht ausbildungsreif.

Probleme bei der Personalbeschaffung

Die aktuelle Fachkräfteumfrage 2011 der Handwerkskammer Berlin belegt, dass sich im vergangenen Jahr für viele Berliner Handwerksbetriebe die Personalbeschaffung von Fachkräften problematisch gestaltet hat. Fast jeder vierte Betrieb berichtet davon, dass trotz starker Bemühungen kein geeignetes Personal gefunden werden konnte. Für 44 Prozent der Betriebe war ein erhöhter Aufwand erforderlich, freie Stellen passend zu besetzen. Der demografische Umbruch ist bei Handwerksbetrieben in Berlin-Brandenburg bereits in seinen Auswirkungen spürbar und erfordert eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema Fachkräftemangel. Fast 60 Prozent der Betriebe in der Region beschäftigen sich mit den Folgen.

Als häufigster Grund für die Schwierigkeiten, wird von 76,6 Prozent aller Betriebe die mangelnde Qualifikation der Bewerber genannt, erschreckende Qualifikationsdefizite und fehlende Ausbildungsreife sind die Haupthindernisse. Nach den Maßnahmen gefragt, die ergriffen werden, um dennoch junge Menschen für ihre Betriebe zu gewinnen, gaben über 60 Prozent an, im Rahmen verbesserter Berufsorientierung Praktika anzubieten, um für eine Ausbildung oder eine Tätigkeit im Handwerk zu begeistern.

Lösungsansätze in Berlin

Die Innung SHK Berlin hat eine eigene Initiative ins Leben gerufen und 2009 die Stiftung „HandWerk stiftet Zukunft“ gegründet. Die Stiftung ist eine gewerkeübergreifende Bildungsinitiative des Berliner Handwerks, die sich für eine Verbesserung der Ausbildung stark macht. Zu den Gründern zählen u.a. die GASAG, Vaillant, ­Vattenfall und Bär & Ollenroth – außerdem weitere Hersteller, Großhändler, Berliner Unternehmen, Privatpersonen und Bildungsdienstleister. Als Schirmherrin dieser auch als Jobstarter-Projekt geförderten Stiftung konnte Bundesbildungsministerin Annette Schavan gewonnen werden. Weil sich die Stiftung als gewerkeübergreifende Plattform positioniert, sind gezielt andere Berliner Innungen mit ins Boot geholt worden: die Gebäudereiniger-Innung, die Innung für Metall- und Kunststofftechnik, die Elektro-Innung, die Innung der Fotografen und die Landesinnung des Dachdeckerhandwerks. Mit weiteren Berliner Innungen ist man im Gespräch.

Ziele der Stiftung

HandWerk stiftet Zukunft verfolgt als Ziele ­eine Imageverbesserung des Handwerks, den Ausbau der Berufsorientierung, die Verbesserung der Ausbildungsreife und eine kontinuierliche Ausbildungsbegleitung. Dass sich Jugendliche heute immer weniger für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden, liegt häufig an der fehlenden Klarheit, was eine solche Karriere bedeutet sowie am schlechten Image vieler Handwerksberufe. Der Übergang von der Schule in eine Ausbildung gelingt zunehmend schlechter, weil eine Berufsorientierung nicht stattfindet. Viele Auszubildende sind außerdem nicht ausreichend fachlich und persönlich für die Erfordernisse der dualen Ausbildung gerüstet. Mangelnde mathematische und/oder sprachliche Kenntnisse erschweren den erfolgreichen Besuch der Berufschulen.

Ausbildungsabbruch verhindern

Auch die Zahl der Ausbildungsabbrüche ist alarmierend. Aus Sicht der Betriebe liegt das oft an der mangelnden Motivation von Auszubildenden, unzureichender Eignung, gerin­ger Belastbarkeit aber auch Pflichtverletzungen oder Disziplinlosigkeit. Aus Sicht der Jugendlichen sind es falsche Vorstellungen über den Beruf und seine Lehrinhalte, mangelnde Ausbildungsqualität der Betriebe, Lernschwierigkeiten, finanzielle Probleme, Überforderung, Prüfungsangst oder Überstunden.

„HandWerk stiftet Zukunft“ macht es sich zur Aufgabe, in der Berufsorientierungsphase das Interesse an einer handwerklichen Ausbildung zu wecken. Die Stiftung informiert in individuellen Beratungsgesprächen, aber auch bei Ferienwerkstatttagen über das Beschäftigungsspektrum. Sie macht Angebote, unsichere Bewerber noch vor Ausbildungsbeginn in einem Erstgespräch umfassend über Inhalte, Arbeitsbedingungen oder Karrierechancen des Ausbildungsberufs aufzuklären. Bei Interesse vermittelt die Stiftung auch Praktikums- und Ausbildungsplätze.

Ausbildungsbegleitende ­Angebote

Während der Ausbildung können Azubis jederzeit individuelle Beratungsgespräche in Anspruch nehmen, in denen akute persönliche, fachliche oder betriebliche Probleme vertraulich besprochen und Konfliktlösungen erarbeitet werden. Jugendlichen, die Anzeichen für einen Ausbildungsabbruch zu erkennen geben, kann geholfen werden, indem die Stiftung z.B. einen neuen Ausbildungsplatz vermittelt. Individuelle Förderangebote wie Nachhilfe oder spezielle Persönlichkeitstrainings sollen fachliche Lücken schließen.

Ein Modell zur gezielten Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen ist das Wilo-Projekt. Die Stiftung hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Pumpenhersteller ein Prüfungsvorbereitungsprojekt durchgeführt. 15 Auszubildende zum Anlagenmechaniker SHK, die bereits einmal oder sogar wiederholt durch ihre Gesellenprüfungen gefallen waren, wurden in mehrmonatigen Nachhilfe­kursen auf die Wiederholungsprüfungen vorbereitet und fachlich qualifiziert. 14 haben dann ihre Gesellenprüfung bestanden und bleiben der Branche als Fachkräfte erhalten.

Nachhilfe in Mathe

In diesem Jahr hat die Stiftung an zwei Berliner Oberstufenzentren mehrmonatige Nachhilfeförderkurse in Mathematik für Anlagenmechaniker SHK und Metallbauer im ersten ­Ausbildungsjahr finanziert. Mehrere Berufsschullehrer unterrichteten an einem Tag der Woche zwei Stunden zusätzlich mathematische Grund­­­­kenntnisse. Zuvor sind umfangreiche Mathetests durchgeführt worden, die den Leistungsstand und Förderbedarf eines jeden Azubis passgenau ermittelt haben. Rund 40 förderbedürftige Auszubildende haben an diesem Projekt teilgenommen und ihre Leistungs- und damit Prüfungsfähigkeit gesteigert. Sie drohen nicht mehr, dem SHKHandwerk als Fachkräfte verloren zu gehen. Perspektivisch werden Konzepte für Nachhilfekurse auch für das zweite und dritte Lehrjahr erarbeitet.

Die Projekte, die „HandWerk stiftet Zukunft“ entwickelt hat, sind vielversprechend. Im Verbund mit namhaften Großbetrieben der SHK-Branche und anderen Kooperationspartnern aus Politik und Wirtschaft verfolgt die Stiftung ihre Vision, keine Ausbildungsabbrüche im Handwerk mehr zu haben. „HandWerk stiftet Zukunft“ will sich sich als Ansprechpartner etablieren, Auszubildende kontinuierlich begleiten und sie selbstbewusst in die Berufswelt entlassen. Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels gilt es, alle Potenziale im Bereich der beruflichen Bildung effektiv und gemeinschaftlich zu nutzen.

Interview

Beate Roll, Prokuristin und Mitinhaberin des Berliner SHK-Innungsbetriebes Bernhard Roll GmbH, engagiert sich als Gründungsstifterin und stellvertretende Vorsitzende für „HandWerk stiftet Zukunft“.

SBZ: Spüren Sie bereits den Fachkräftemangel in Ihrem Betrieb?

Roll: Fachkräfte fehlen uns an allen Ecken und Enden. Häufig können vor allem kleine und zeitintensive Aufträge gar nicht mehr angenommen werden. Mit jedem nicht ausgeführten Auftrag steigt das Risiko, dass der Kunde beim nächsten Mal einen Mitbewerber anruft und dort den Auftrag erteilt. Das ist uns bewusst. Gern würden wir weitere Mitarbeiter einstellen.

SBZ: Was bedeutet der Fachkräftemangel für das SHK-Handwerk?

Roll: Für unser Gewerk ist das verheerend. Wir benötigen Mitarbeiter, für die der Beruf auch Berufung ist, die in der Lage sind, Sachverhalte zu erkennen und dann eigenständig interessiert und bewusst nach Lösungen suchen. Die technischen Anforderungen steigen ständig. Ein SHK-Handwerker muss sich heutzutage lebenslang weiterbilden und offen auf technologische Entwicklungen reagieren. Aber auch unsere Kunden werden anspruchsvoller und dies erfordert einen differenzierten Umgang.

SBZ: Welche Probleme haben Auszubildende heute?

Roll: Die Ausbildungssituation ist teilweise erschreckend. Vielen Azubis fehlen fachliche Grundvoraussetzungen. Aber auch im Bereich der Soft Skills gibt es erhebliches Potenzial, zu entwickeln und zu vertiefen. Sich zu konzentrieren, Informationen aufzunehmen, aufzuschreiben und klar zu formulieren, fällt einfach schwer.

SBZ: Welchen Beitrag kann „HandWerk stiftet Zukunft“ leisten, Qualifikationsdefizite abzubauen und gute Leute zu identifizieren?

Roll: Die Stiftung hat u.a. das Ziel, unsere Ausbildungskultur zu verbessern. Wir wollen möglichst vielen Jugendlichen eine Chance anbieten, Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Die Stiftung engagiert sich auch für die, die es bisher nicht so einfach im Leben hatten. Es sollen auch Betriebe unterstützt werden, ihren Fachkräftenachwuchs zu finden und sichern. Überhaupt können wir nur gemeinsam etwas erreichen. Realistisch gesehen, kann jeder einen Beitrag für die Stiftung geben, sei es in Form von Zeit, Geld oder Kontakten. Bürgerengagement, Ehrenamt sind nur Worte. Sichtbares Engagement und Taten sind aber gefragt. Ich leiste gern meinen Beitrag und engagiere mich für „HandWerk stiftet Zukunft“.

INFO

HandWerk stiftet Zukunft

ist eine Ausbildungsstiftung für das Berliner Handwerk. Die Stiftung will Jugendliche für eine handwerkliche Ausbildung begeistern, sie gezielt fördern und somit für eine Ausbildung fit machen. Die Stiftung nimmt sich der Sorge um fehlende Nachwuchsfachkräfte an und entwickelt praktische Lösungen mit allen Branchenbeteiligten.

http://www.handwerkstiftetzukunft.de

Autor

Dr. Stephanie Irrgang, Innung SHK Berlin, Referentin Öffentlichkeitsarbeit Siegmunds Hof 18, 10555 Berlin, Telefon (030) 39 92 69-18, Telefax (030) 39 92 69-99, s.irrgang@shk-berlin.de https://www.shk-berlin.de/